Die Vaterländische Union lehnt in der Konferenz von Friedrichshafen eine politische Zusammenarbeit mit der Volksdeutschen Bewegung in Liechtenstein ab


Protokoll, genehmigt von Alois Vogt, Otto Schädler und Gustav Schädler [1]

o.D. (nach 13./14.3.1943)

Gedächtnis–Protokoll über die Konferenz von Friedrichshafen

Seit dem Frühjahr 1942 wurde seitens der Volksdeutschen Bewegung immer wieder die Anstrengung unternommen, irgendwie mit der Vaterländischen Union in Arrangement zu kommen. Seitens der Vertreter der VU wurde zunächst die kalte Schulter gezeigt. Im Herbst 1942 wurde formell der Antrag gestellt, die VDB und die VU zu verschmelzen. Seitens eines der Vertreter der VU wurde mitgeteilt, dass man die Frage prüfen könne, wenn die VD Bewegung ihre Politik umstelle und sich auf rein liechtensteinischem Boden ausrichte. Es wäre notwendig, bevor man dieser Frage näher trete, dass der "Umbruch" seine bisherige Politik umstelle und eine rein liechtensteinische Haltung einnehme. Auch wäre es notwendig, dass die VDB durch ihr Organ klar nach aussenhin kundtue, dass ihre Politik gegenüber dem Staat und dem Fürsten sich geändert hat und sich als staatserhaltend erweise.

Nachdem dann entgegen der vertretenen Meinung der "Umbruch" seine Politik weiterbetrieb, und sich die Volksdeutsche Bewegung nicht entschliessen konnte, rein liechtensteinische Politik zu betreiben und sich umzustellen, wurde jeder Kontakt abgebrochen und auch eine weitere Kontaktnahme abgelehnt.

Im Verlauf des Monats Februar wurde Dr. Vogt durch einen Bekannten in Berlin ersucht, man müsste doch versuchen, die VDB zur Auflösung zu bringen und ihre Anhänger der VU zuzuführen. Der Grund dazu war der Umstand, das die VDB selbst zu verschiedenen Reibereien zwischen dem AA und der SS Veranlassung gegeben hatte, die beide bezüglich der VDB eine gegenläufige Haltung einnahmen. Um diesen Stein des Anstosses zu beseitigen, sollte die VDB verschwinden. Dr. Vogt erklärte zunächst, dass er nicht daran denke, Kontakt aufzunehmen, es sei denn, die VDB würde ihre bisherige Haltung ändern.

Nach verschiedenen Bemühungen kam dann trotzdem eine Konferenz zustande, die ursprünglich ohne Beisein der VDB stattfinden sollte. Im letzten Augenblick wurde jedoch mitgeteilt, dass die VDB eine Vertretung zu dieser Konferenz entsende. Die Konferenz fand in Friedrichshafen im Kurgarten-Hotel statt. Seitens der VDB nahmen teil: Dr. [Alfons] Goop, der kurz zuvor das liechtensteinische Gebiet verlassen hatte, [2] Ingenieur Martin Hilty [Hilti], Dr. Sepp Ritter u. Lehrer Ernst Schädler. Seitens der VU: Dr. Otto Schädler, Dr. Alois Vogt und Professor Gustav Schädler. Von der SS, von der seitens der VU ein Mann erwartet worden war, erschienen Dr. [Hans] Sichelschmied [Sichelschmidt], Leiter der VD-Mittelstelle [Volksdeutschen Mittelstelle] in Berlin, Dr. Klaus Hügel, damals in Berlin, ein gewisser Herr Hubitz [Heinz Hummitzsch], Hauptamt SS und ein vierter Herr, dessen Name überhört wurde. [3] Alle Herren waren entweder Sturmbannführer oder Obersturmbannführer der SS.

Die Konferenz fand statt am 13. März 1943. Am Abend wurde ein Abendessen eingenommen, wobei keinerlei Dinge über Liechtenstein und sonstige Politik besprochen wurden. Es war ein rein gesellschaftliches Zusammentreffen. Die Konferenz wurde auf vormittags 8 Uhr festgesetzt und von Dr. Sichelschmied eröffnet, der in längeren Ausführungen der Hoffnung Ausdruck gab, dass eine Zusammenarbeit der VDB und der VU in Liechtenstein in rein liechtensteinischen Fragen als Ergebnis der Konferenz herausschauen werde. Es sei festzustellen, dass zwischen den beiden alte Ressentiments beständen und es Missverständnisse zu beseitigen gäbe, wobei ebenfalls bekannt sei, dass die VDB deutsch ausgerichtet sei, während die VU durchaus zu den Staatsverträgen mit der schweizerischen Eidgenossenschaft stehe. Es müsse aber trotzdem versucht werden, zwischen beiden Parteien eine Überbrückung herbeizuführen.

Sodann wurde von Dr. Sichelschmied an Dr. Goop das Wort gegeben, der in einer halbstündigen Ansprache eine politische Begründung und auch gewisse Fehler der VDB zugab, und dann erklärte, nach der gewonnenen Einsicht dieser Fehler sei es notwendig, dass die VDB, nachdem er weg sei, auf eine andere Basis gestellt werde. Diese Basis könne nur in der Zusammenarbeit mit der VU gefunden werden, diese müsse sich richten gegen den Kommunismus und gegen das antideutsche und klerikale Element der Bürgerpartei. Auch spiele es hier keine Rolle, was für eine Politik Liechtenstein führe und die Dinge, die da vor sich gingen, seien untergeordnet. Der ganze Parteienkampf in Liechtenstein sei ein Sturm im Wasserglas, der übertönt werde vom grossen Sturm der Welt. Aber gerade weil es um kleine Dinge ginge, müsste doch ein Weg gefunden werden, um über alle Gegensätze hinweg zu einer Zusammenarbeit zu kommen. Die Zusammenarbeit müsse auf dem Gebiet der Presse erfolgen. Das "Vaterland" müsse seine bisherige Haltung ändern, sich antikommunistisch und prodeutsch einstellen. Der "Umbruch" müsse sich aus Zweckmässigkeitsgründen auf liechtensteinischen Boden umstellen. Der gemeinsame Feind beider sei die Bürgerpartei. Diese gelte es zunächst einmal zu bekämpfen.

Im Namen der Vertretung der VU entgegnete Dr. Vogt ungefähr folgendes: Wenn Herr Dr. Goop die liechtensteinischen Parteikämpfe als einen Sturm im Wasserglas und als einen Kampf im kleinen bezeichne, so sei das nicht der richtige Weg, um zu einer Einigung zu kommen. Es gehe in dieser Frage um mehr, es gehe um das liechtensteinische Land und dessen Existenz. Die VU sei bei all ihrer Haltung gegenüber Deutschland – die nicht antideutsch sei – klar ausgerichtet auf die Erhaltung des Staates Liechtenstein, auf die Treue zum Fürsten und Fürstenhaus und auf wirtschaftliche und kulturelle Zusammenarbeit mit der Schweiz, während dies die VDB nicht sei. Es kann nicht eingesehen werden, wie bei diesen Gegensätzen eine Zusammenarbeit möglich sei. Ausserdem seien die Vertreter der VU von den Herren der VDB schon genügend hintergangen worden, man sei nie ehrlich gewesen und nie aufrichtig. Wann immer man mit den Herren der VDB gesprochen habe, habe man den Eindruck gehabt, schon verraten zu sein. Die VDB hätte durch ihren Vertreter, Herrn Dr. Goop, im vergangenen Herbst zugesagt, ihre Politik zu ändern, mindestens was ihre Einstellung zum Fürsten und zum Staat als solchen anbelange. Sie hätte auch erklärt, dass sie in ihrer Presse eine entsprechende Haltung einnehmen werde, entgegen ihrer Zusicherung hätte sie aber ihre bisherige Politik fortgesetzt, von einer Änderung der Haltung könne keine Rede sein. Unter diesen Umständen müsse es die VU ablehnen, mit der VBD auch nur den Versuch einer Zusammenarbeit mehr zu machen. Der Ton, der an der Konferenz eingeschlagen wurde, sei verletzend und entspreche keinesfalls den Erwartungen. Auch eine Zusammenarbeit der Presse und eine Ausrichtung derselben werde absolut abgelehnt. Die VU wisse, was sie tue, das "Vaterland" wisse, was es schreibe. Wenn man in Berlin oder anderwärts mit der Schreibweise des "Vaterlandes" nicht einverstanden sei, könne man uns das sagen. Wir werden prüfen, ob wir recht haben oder nicht. Aber wir lassen uns in keiner Weise in die liechtensteinische Innenpolitik, in die Haltung unseres Blattes etwas hineinreden. Zum Schluss betonte Dr. Vogt noch einmal, er sehe keine Möglichkeit der Zusammenarbeit angesichts der Haltung der VDB und er betrachte mit dieser Erklärung den Gegenstand der Konferenz als erledigt. Dr. Otto Schädler und Prof. Gust. Schädler schlossen sich den Erklärungen von Dr. Vogt vollinhaltlich an.

Die Herren aus Berlin versuchten dann immer wieder in die Vertreter der VU einzudringen, um ihre Haltung zu ändern, u.a. wurde auch angeregt, es sollte als Gegenorganisation zum historischen Verein eine kulturell-historische Vereinigung mit einem grossen Programm nach deutschen Mustern gegründet werden u. Prof. Schädler sollte das Präsidium übernehmen. Prof. Schädler lehnte aber aus Gesundheitsgründen ab. Gegen Schluss erklärte Herr Dr. Sichelschmied ungefähr noch einmal folgendes: Ich sehe, dass es nicht möglich ist, eine parteimässige Zusammenarbeit zu erreichen. Hingegen müsste es doch möglich sein, nach aussen hin eine einheitliche Haltung der VU gegen den Weltfeind, den Bolschewismus zu erreichen. Es würde vom Standpunkt von Berlin aus gesehen schon genügen, wenn sich die Herren der VU verpflichten würden, in ihrem Blatt eine rein antikommunistische Haltung einzunehmen ohne Rücksicht auf die sonstige Weltpolitik und das müsse erreicht werden, sonst würde man in Berlin verstimmt sein. Es liege ja auch im Interesse von Liechtenstein, dass hier in dieser Frage eine Vereinbarung zustande komme.

Diese letzte Äusserung wurde von Dr. Vogt als unzulässiger Druck bezeichnet. Er sprang auf, klopfte auf den Tisch und erklärte: "Wir lassen uns nicht vorschreiben, was für eine Haltung wir einzunehmen haben. Wir sind Liechtensteiner und wissen, was wir als solche zu tun haben. Weder Berlin noch Bern hat uns in diese Frage etwas hineinzureden. Wir lehnen es ab, Belehrungen entgegenzunehmen."

Nach dieser Erklärung herrschte lange Zeit betretenes Schweigen. Dr. Hügel versuchte die Situation noch zu retten und bedeutet Dr. Sichelschmied, die Konferenz am Vormittag aufzugeben, weil sich vorläufig kein Ausweg aus der Situation ergebe. Vielleicht komme man am Nachmittag weiter. Er schlug vor, die Konferenz am Nachmittag weiterzuführen. Auf die Anfrage, ob die Herren der VU mit der Weiterführung der Konferenz einverstanden seien, erklärten alle drei, sie hätten gegen die Weiterführung der Konferenz nichts einzuwenden. Es sei ihnen aber klar, dass das Ergebnis am Nachmittag dasselbe sein werde wie am Vormittag. Die Herren Dr. Sepp Ritter und Ing. Hilty mischten sich nicht in die Debatte.

In der Pause vor dem Mittagessen wurde versucht, die Herren der VU zu bearbeiten. Dr. Vogt wurde von Dr. Sichelschmied, Dr. Hügel und Herr Hubitz verschiedentlich ersucht, sich umstimmen zu lassen und erklärte schlussendlich nach kurzer Besprechung mit den anderen Herren der VU, wenn versucht werde, ihn umzustimmen, reise er noch vor dem Mittagessen ab. Er lehne es ab, am Nachmittag 4 Uhr in dieser Frage noch ein Wort zu verlieren. Wenn sich die Herren mit ihm unterhalten wollten, dann auf einem anderen Gebiet.

Nachmittags 4 Uhr fand nochmals eine kurze Besprechung statt, in die sich Dr. Vogt nicht mehr einmischte. Hingegen erklärten Dr. Schädler und Prof. Schädler, dass ihre Haltung durchaus mit der von Herrn Dr. Vogt identisch sei. Es hätte gar keinen Wert, sie umstimmen zu wollen. Nachdem Dr. Vogt noch am Schluss gefragt wurde, ob er eine Möglichkeit sehe, die Konferenz andernorts weiterzuführen, erklärte er nach vorheriger Besprechung mit seinen Kollegen, er lehne weitere Konferenzen ab. Wenn die Herren von der VDB etwas von ihm oder der Partei wollten, so wüssten sie, wo er und die übrigen Herren zu Hause seien. Sie könnten sich bei ihnen melden. Die VU lehne es überhaupt ab, zukünftig mit der VDB über liechtensteinische Fragen in Anwesenheit deutscher Vertreter zu sprechen. Wenn die Herren den Mut nicht hätten, sich auf rein liechtensteinischem Boden auszusprechen, dann müssten sie eben darauf verzichten. Die Herren in Berlin möchten ein für allemal zu Kenntnis nehmen, dass die VU auf dem Standpunkt stehe, dass die politischen Streitigkeiten in Liechtenstein selbst ausgetragen werden müssten und dass es nicht angängig sei, seitens einer Partei wie der VDB im Ausland Hilfe anzurufen.

Gegen Abend reisten die Vertreter der VU ab.

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[1] LI PA AV 587. Eine Kopie in LI LA SgDok 071/118. Vgl. das Protokoll der Volksdeutschen Mittelstelle über die Besprechung in Friedrichshafen vom 13. und 14.3.1943 (DE PA AA, R 101.100, Berichte und Meldungen zur Lage in und über Liechtenstein und Luxemburg, 1940-1943 (a)). 
[2] Alfons Goop hatte seine Funktion als Landesleiter der VDBL niedergelegt, um der Waffen-SS beizutreten.
[3] Handschriftlicher Randvermerk: "ein Herr aus Innsbruck?".