Das "Liechtensteiner Volksblatt" ruft alle Eltern auf, ihren Söhnen eine angemessene Berufsausbildung zu ermöglichen


Artikel im "Liechtensteiner Volksblatt" [1]

29.3.1934

Ins Leben hinaus!

Bald werden sich die Tore der Schule schliessen; ihre Schliessung bedeutet für einen Teil unserer Jugend wieder einen Wendepunkt im Leben. Der Ernst des Lebens beginnt mit der Suche nach einem Beruf. Wir können uns nun leider nicht verhehlen, dass die Berufswahl heute durch die mangelnde Aufnahmefähigkeit so vieler Berufe bedeutend erschwert erscheint. Es kann der Junge vielfach nicht mehr dem Zuge seines Herzens folgen, wenn die in ihm schlummernden grundlegenden Kräfte sich regen, die in einem bestimmten Berufe Entfaltung suchten, ruft die Schwere der Zeit aus dem glücklichen Traumleben der Jugend ihn in die Wirklichkeit zurück, es bauen sich Schranken von bisher nie gekannter Grösse auf. Und dennoch soll Beruf Lebensaufgabe sein, er muss sich auf die im Jungen schlummernden Kräfte bauen können, soll er das Leben ausfüllen und die jungen Leute dem Glücke entgegenführen, Also dürfen wir auch heute über diesen wichtigen Schritt im Leben nicht leichten Sinnes und mit der Hoffnung auf Besserung hinwegzukommen suchen. Vielmehr soll uns ein Blick ins Leben und die Wirtschaft mit dem nötigen Rüstzeug wappnen, den Jungen in jenen Beruf zu führen, der seinen physischen und geistigen Anlagen am ehesten gerecht zu werden verspricht.

Vor allem ist auf die Gesundheit Rücksicht zu nehmen, denn sie bildet die Grundlage jeden Lebensglückes. Selbst bei Neigung zu einem Berufe werden wir körperlich schwächliche Jünglinge davon abhalten, in einen Beruf sich zu vertiefen, der ihrer Gesundheit abträglich sein könnte. – Wir werden ihr Streben und Sinnen auf ein ihren geistigen Gaben verwandtes Berufsleben hinüberzuleiten versuchen... Hier lassen wir Zeit, die Körperentwicklung holt sich bei jungen Leuten dieses Alters in ein oder zwei Jahren oft erstaunlich nach, allenfalls ist einem solchen Jungen die Beschäftigung in Gottes freier Natur sehr zuträglich, der Körper entwickelt sich und die Berufsanlagen erfahren oft eine willkommene Klärung. Wenn nur irgend möglich, sollen solche Jungen nicht früh in Lokalen beschäftigt oder zu sitzender Betätigung verhalten werden. Der Erzieher und Berufsberater wird bei der Wahl eines Berufes auch der Geschichte seiner Familie Aufmerksamkeit schenken. Jungens, in deren Familien Lungenkrankheiten oder gar Tuberkulose erbliche Gäste sind, werden Berufe, deren Ausübung immer ans Zimmer gebunden ist, meiden müssen, soll nicht ihre Gesundheit im späteren Jahren Schaden nehmen. Ebenso werden wir sie auch später von etwaigen gesundheitsschädigenden Berufen fernzuhalten suchen.

Die intellektuellen Berufe sind heute überfüllt, so dass nur ganz befähigten Kräften solche Berufe empfohlen werden können. Es ist in allen Ländern so, diese Berufe vermögen den Nachwuchs nicht annähernd aufzunehmen. Es wurde vielleicht ein Vermögen in ein Studium gesteckt, das nun brach liegen muss, während Verbitterung in einem hoffnungsvollen jungen Herzen Platz greifen muss. Ebenso sind Berufsbetätigungen, die mit Konjunkturgeschäften in Zusammenhang stehen, oft von kurzer Dauer.

Jene Berufe werden bei der Berufswahl also den Vorzug haben müssen, die mit dem täglichen Leben immer Berührungspunkte haben müssen, die Nahrung, Kleidung, Wohnung usw. erfordern, sie werden die schlechten Zeiten am ehesten überdauern und in allen Lagen mehr oder weniger ein sicheres Brot bringen. Nicht genug betont werden kann hiebei, dass der Junge m. aller Kraft sich seiner Ausbildung widmet und Gelegenheit zur Fortbildung auszunützen versucht. Wirklich tüchtige Arbeitskräfte sind heute noch gesuchter, sie werden auch in der Zukunft besser ein Auslangen finden.

Leider ist bei der Berufswahl oft der Verdienst massgebend. Es gibt Eltern, die ihren Sohn gerne in eine Lehre schicken würden, denen kein Aufwand für ihr Kind zu viel wäre, aber ihr Haushalt erfordert, dass besonders die älteren Kinder Brot ins Haus bringen helfen. So muss über manche ausgezeichnete Veranlagung hinweggeschritten werden, nicht absichtlich, sondern aus finanziellen Gründen. Oft ist es bei näherer Überlegung und bei Anspannung aller Kräfte dennoch möglich, einen Jungen einem bestimmten Berufe zuzuführen. An diese Eltern möchten wir appellieren, das Möglichste zu tun, den Jungen in einen bestimmten Beruf eintreten zu lassen. Die Kinder werden den Eltern einstens dankbar sein.

 

 

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[1] L.Vo., Nr. 37, 29.3.1934, S. 1.