Die liechtensteinische Gesandtschaft in Bern ersucht das Schweizerische Politische Departement um die Übernahme der liechtensteinischen Interessenvertretung in Prag in den Angelegenheiten der Bodenreform


Maschinenschriftliche Note der liechtensteinischen Gesandtschaft in Bern, nicht gez., an das Schweizerische Politische Departement, Abteilung für Auswärtiges, in Bern [1] 

22.3.1921, Bern 

Die Fürstlich Liechtensteinische Gesandtschaft beehrt sich, in nachstehender Angelegenheit sich an das Schweizerische Politische Departement zu wenden.

Seine Durchlaucht der regierende Fürst von Liechtenstein [Johann II.] und dessen Neffe Prinz Alois von Liechtenstein haben in der tschechoslowakischen Republik bedeutenden Grossgrundbesitz und sind daher an der dort in Angriff genommenen Bodenreform wesentlich mitinteressiert. Da die Übernahme der Vertretung Liechtensteinischer Interessen durch das Politische Departement [2] sich nicht auch auf die tschechoslowakische Republik bezog, wäre es der Fürstlichen Regierung, weil sie selbst noch keine Vertretung in Prag besitzt, sehr erwünscht, wenn das Politische Departement sich bereit finden würde, die Interessenvertretung [3] in der tschechoslowakischen Republik für diesen besonderen Fall zu übernehmen und seinen Vertreter in Prag, Herrn Generalkonsul [Gerold F.] Déteindre, zu beauftragen, die Interessen seiner Durchlaucht des regierenden Fürsten von Liechtenstein und dessen Neffen Prinz Alois bei der Bodenreform, gegenüber der tschechoslowakischen Regierung zu vertreten. [4] Die Fürstliche Kabinettskanzlei in Wien I., Minoritenplatz 4, wäre gerne bereit, die nötigen tatsächlichen Unterlagen zu beschaffen und nach Möglichkeit Auskunft zu erteilen.

Die fürstliche Gesandtschaft benutzt gerne den Anlass, um das Schweiz. Politische Departement erneut ihrer ausgezeichneten Hochachtung zu versichern. [5]

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[1] LI LA V 002/0048 (Aktenzeichen der liechtensteinischen Gesandtschaft in Bern: 312/21). Stempel der Gesandtschaft vom 23.3.1921.
[2] Vgl. den Briefwechsel zwischen Fürst Johann II. und dem Schweizer Bundespräsidenten Giuseppe Motta vom 6./24.1.1920 betreffend die grundsätzliche Übernahme der liechtensteinischen Interessenvertretung im Ausland durch die Schweiz (LI LA RE 1920/0141).
[3] Vgl. das Schreiben der liechtensteinischen Gesandtschaft in Wien an die liechtensteinische Gesandtschaft in Bern vom 4.5.1920, in welchem der Gesandte Prinz Eduard um Sondierung ersuchte, ob die Schweiz eine Gesandtschaft in Prag errichte und ob die Schweiz bereit sei, die liechtensteinische Interessenvertretung in Prag zu übernehmen (LI LA V 002/0048 (Aktenzeichen der liechtensteinischen Gesandtschaft in Wien: 367/1. Aktenzeichen der liechtensteinischen Gesandtschaft in Bern: 503). Der liechtensteinische Geschäftsträger Emil Beck berichtete am 16.5.1920 nach Wien, dass wahrscheinlich keine Schweizer Gesandtschaft in Prag errichtet werde, sondern das bestehende Konsulat zu einem Generalkonsulat ausgebaut werde (LI LA V 003/0103 (Aktenzeichen der liechtensteinischen Gesandtschaft in Bern: 541. Aktenzeichen der liechtensteinischen Gesandtschaft in Wien: 367/3)).
[4] Vgl. das „streng vertrauliche" Schreiben der fürstlichen Kabinettskanzlei an Geschäftsträger Beck vom 14.3.1921 (LI LA V 002/0048 (Aktenzeichen der Kabinettskanzlei: Präs. 48/4): Darin erklärte Kanzleileiter Josef Martin es für „ganz besonders wünschenswert", wenn Beck bei der Schweizer Regierung erreichten könnte, dass der schweizerische Generalkonsul in Prag in Angelegenheiten der Bodenreform konform mit der Vertretung der Interessen der in der Tschechoslowakei begüterten schweizerischen Grossgrundbesitzern auch jene des Fürsten Johann II. und des Prinzen Alois übernehmen würde.
[5] Vgl. das Antwortschreiben der liechtensteinischen Geschäftsträgers Beck an Kanzleileiter Martin vom 4.4.1921, demzufolge Paul Dinichert, Chef der Abteilung für Auswärtiges im Eidgenössischen Politischen Departement, grosse Bedenken hatte, die Interessenvertretung nur für diesen besonderen Fall zu übernehmen. Die Schweiz habe bisher die Übernahme der Vertretung eines Staates gegenüber einem anderen Staat für einen besonderen Fall regelmässig abgelehnt. Eine solche spezielle Vertretung sei unter Staaten überhaupt nicht üblich. Es müsste daher mit der Möglichkeit gerechnet werden, dass die tschechoslowakische Regierung eine solche Vertretung ungern sehen würde (LI LA V 003/0048 (Aktenzeichen der liechtensteinischen Gesandtschaft in Bern: 371/21)).