In Balzers findet die feierliche Grundsteinlegung der neuen "Fürst Johannes II. Jubiläums-Kirche" statt


Zeitungsbericht, nicht gez. [1]

29.10.1909

Kirche in Balzers. Am 24. d. Mts. fand in Balzers die Grundsteinlegung der neuen Fürst Johannes-Jubiläumskirche statt. Schon am Vorabend wurde nach kirchlicher Vorschrift auf dem Kirchenbauplatze an der Stelle, wo später der Hochaltar errichtet werden soll, ein grosses, weithin sichtbares Kreuz aufgestellt und mit einem Kranze geschmückt. Am Sonntag, nachmittags 2 Uhr, zog man nach einer kurzen Segenandacht in langer Prozession zum Platz der neuen Kirche, wo sich schon manche Zuschauer eingefunden hatten. An der Stelle des Hauptportals verkündete eine mit Kränzen und Blumen geschmückte Inschrift aus dem 131. Psalm, dass dieser Ort jetzt dem Dienste Gottes geweiht werde: „Das ist mein Ruheort auf ewig, da will ich wohnen, denn ich habe ihn erkoren." Unter Gebet und Gesang nahm dann der vom Hochw. Bischof delegierte H. H. Landesvikar und Kanonikus J. B. [Johann Baptist] Büchel die kirchliche Weihe vor, zuerst die des Platzes für den Hochaltar, dann die des Grundsteines und der Grundmauern. In einer kurzen Ansprache erzählte der H. H. Landesvikar den anwesenden Gläubigen wie die Pfarrei Balzers entstanden und wies hin auf die Wohltätigkeit unseres hohen Landesfürsten, durch dessen Munifizenz es möglich geworden, diese Kirche zu erbauen. Der Hochw. Domherr Dr. F. J. [Franz Josef] Kind verlas sodann die Übersetzung der in lateinischer Sprache verfassten Urkunde, welche gleich darauf mit einigen geweihten Medaillen und den im Lande gangbaren liechtensteinischen und österreichischen Geldsorten in den Grundstein gelegt wurde.

Die Urkunde hat (in Übersetzung) folgenden Wortlaut:

„Zum ewigen Andenken. Im Namen der hlst. Dreifaltigkeit. Amen!

Da die alte, im Jahre 1807 erbaute Pfarrkirche, am nördlichen Ende der Ortschaft Balzers gelegen, der stets zunehmenden Bevölkerung nicht mehr genügenden Raum bot, wurde diese neue Kirche, mit Zustimmung aller massgebenden Faktoren, nämlich des Hochw. Bischofs v. Chur [Georg Schmid von Grüneck], der weltlichen Regierung, des Pfarrers und der Gemeinde, an diesem erhöhten Platze zwischen den beiden Ortschaften Balzers und Mels erbaut. — Dieser Grundstein wurde gesegnet und gelegt am 24. Oktober des Jahres 1909 vom Hochw. Herrn Joh. Bapt. Büchel Kanonikus und bischöfl. Vikar und Pfarrer in Triesen, in Gegenwart des Klerus, der weltlichen Behörden und des gesamten freudigen Volkes. Erbaut wurde dieser Tempel mit dem Gelde Sr. Durchlaucht des Fürsten Johannes II. von Liechtenstein, welcher seit 51 Jahren das Land sehr glücklich regiert hat, und so Gott will, noch viele Jahre regieren wird. Beigetragen zum Baue haben die Gemeinde und verschiedene Wohltäter. Diese neue Kirche soll sein ein in Stein gehauenes, ewig dauerndes, herrliches Andenken an das 50jährige Regierungsjubiläum des genannten Fürsten, wesswegen sie auch „Fürst-Johannes-Jubiläumskirche" genannt wird. Entworfen und ausgearbeitet wurde der Plan der Kirche vom fürstl. Architekten, dem edlen Herrn Gustav Ritter Neumann aus Wien, erbaut vom Herrn Baumstr. Kaspar Hilty in Schaan. Es sass in diesem Jahre auf dem apostol. Stuhle der hl. Vater Papst Pius X., auf dem bischöflichen Stuhle zu Chur der Hochw. Bischof Georg Schmid von Grüneck, während sein hochw. Vorgänger, der ehrwürdige Greis Johannes Fidelis Battaglia, resignierter Bischof, noch am Leben und vom Papste Pius X. mit dem Ehrentitel Erzbischof von Cyzikus [2] beehrt worden war.

Im Namen des Fürsten von Liechtenstein leitete die Regierung als Verweser des Fürstentums der edle Herr Karl von In der Maur, welcher sich um diese Kirche viele Verdienste erworben hat. — Die Pfarrei leitete der hochw. Herr Pfarrer Peter Schmid mit Hilfe des hochw. Herrn Kaplans Julius Geldenbott. Als Vorsteher stand der Gemeinde vor Heinrich Brunhart. Die Pfarrei zählte 1300 Einwohner. Möge dieser Ort sein ein Unterpfand des wahren katholischen apostolischen Glaubens in unserm Vaterlande und eine unerschöpfliche Quelle der göttlichen Gnade auf ewige Zeiten!"

Nach einer Stunde war die kirchliche Feier zu Ende. Die auf den Grundmauern wehenden Fahnen und Fähnlein, die im priesterlichen Gewande anwesende Geistlichkeit, die Schuljugend innerhalb der Mauern und ausserhalb derselben, die grosse Menge anwesenden Volkes, und ganz besonders die am Abhang des Hügels von Gutenberg zwischen grünem Buschwerk zerstreuten Menschengruppen, all das bot auf kleinem Raume ein Bild von eigenartiger Anziehung; nur schade, dass es durch eine photographische Aufnahme nicht festgehalten wurde.

Nach der kirchlichen Feier versammelten sich die Vorstehung und der Gemeinderat mit den Ehrengästen zu einem bescheidenen Imbiss im Pfarrhause. Obwohl keine warmen Reden zum kalten Aufschnitt präsentiert wurden, war die Unterhaltung doch sehr gemütlich und alle gingen mit dem Bewusstsein nachhause, eine schöne und würdige Feier verlebt [!] zu haben. Herzlichsten Dank sei an dieser Stelle noch ausgesprochen dem hochverehrten Herrn Landesverweser und fürstlichen Kabinettsrat Karl v. In der Maur, welcher uns mit seiner Anwesenheit ehrte und den Bau dieser Kirche wesentlich befördert hat.

Nachstehend bringen wir die von dem Herrn Landesvikar Büchel gelegentlich der oben beschriebenen Grundsteinlegung gehaltenen Anrede im Hinblicke darauf, dass dieselbe interessante geschichtliche Daten über Balzers bietet:

„Für die Pfarrgemeinde Balzers ist heute ein denkwürdiger Tag; denn der Tag ist gewiss denkwürdig, an welchem eine Gemeinde den Grundstein legt zu einer neuen Pfarrkirche, die für Jahrhunderte hinaus das gemeinsame Vaterhaus der Gemeinde, die heilige Stätte werden soll, wo man in guten und in bösen Tagen sich versammelt, Gott den Herrn zu loben, sich zu heiligen, Gnaden zu empfangen, vom Vater im Himmel Trost und Hilfe zu holen in den Nöten und Kämpfen des Lebens. Gott der Allwissende weiss es, wie viele Geschlechter, die nach uns sein werden, wenn wir, die wir heute hier den Grundstein legten, längst vermodert und vergessen sein werden, in diesem erstehenden Gotteshause aus- und eingehen werden und wie viel Segen und Gnaden in künftigen Tagen von hier aus auf diese Gemeinde ausströmen werden.

Bei einem solchen Anlasse wirft man auch gerne einen Blick in die Vergangenheit zurück. Schon in alter Zeit bestanden hier geordnete kirchliche Verhältnisse. Hier in Balzers hatten schon die fränkischen Könige vor Karl d. Gr. [dem Grossen] eine Pfalz — daher der Name Balzers — mit grossen Besitzungen an Äckern, Wiesen, Weinbergen, Alpen, Wäldern, Mühlen u.s.w. Auf diesen Gütern sassen die Dienstfamilien und Lehenfamilien. Für die Seelsorge dieser Leute wurden Kirchen erbaut und Priester angestellt. — Zur Zeit, als Karl d. Gr. regierte, waren hier zwei Pfarrkirchen und zwei Pfarrer, je einer in Balzers und in Mäls. An diese mussten die Leute den Zehnten entrichten. — Bald nach dem Tode dieses grossen Kaisers muss die Pfarrkirche von Balzers untergegangen sein, was kein Wunder ist, wenn wir bedenken, dass im 9. Jahrhundert zwei Raubgrafen in Rhätien mehr als 200 Kirchen geplündert und zerstört haben, und dass im 11. Jahrhundert die Sarazenen alles Christliche in dieser Gegend verwüstet haben. Um das Jahr 1200 kam dann das Kloster Churwalden in den Besitz von Gütern in Balzers und das Kloster baute im Jahre 1210 auf denselben eine Kapelle und versah dieselbe mit Einkünften und stellte einen Priester dabei an. So blieb es 100 Jahre lang. Damals gehörte die Burg Gutenberg da droben dem Freiherrn Heinrich von Frauenberg. Dieser Freiherr, der da oben auf der Burg wohnte und im Jahre 1307 starb, hätte nun gerne diese Kapelle in Balzers gehabt und wollte darum mit dem Kloster einen Tausch machen. Er wollte dem Kloster dafür die Pfarrkirche von Felsberg bei Chur geben. Der Bischof Sigfried von Chur genehmigte diesen Tausch, indem er zugleich auch die Kapelle von Balzers zu einer Pfarrkirche machte. Das geschah am 26. Jänner 1305, also vor 604 Jahren. Wahrscheinlich wurde damals auch Mäls mit Balzers zu einer Pfarrei vereiniget. Von dort an haben auch die Besitzer der Burg Gutenberg das Patronatsrecht über die Pfarrpfründe gehabt bis in die neueste Zeit herein. — Jene alte Pfarrkirche musste natürlich im Laufe der Zeit öfters vergrössert und restauriert werden und ist endlich im Oktober 1795 mit dem ganzen Dorf ein Raub der Flammen geworden. Die neue Kirche ist dann im Jahre 1807 eingeweiht worden. Sie war von Anfang an zu klein und wenn nicht ein frommer Betrug gespielt worden wäre, so wäre sie noch kleiner geworden.

Bei der Zunahme der Bevölkerung wurde der Raummangel immer fühlbarer und schliesslich stand man vor der Notwendigkeit, eine neue grosse Kirche zu bauen.

Der l. [liebe] Gott hat dieses so wichtige Unternehmen bisher mit seinem Segen begleitet und alles glücklich gefügt. Die neue Kirche kommt an den schönsten Platz zu stehen, den man finden konnte. Sie wird sich erheben auf Felsengrund, den weder Stürme noch Wasserwogen erschüttern. Sie wird stehen— wie es recht und billig ist — mitten in der Gemeinde, zwischen den beiden Dörfern, weil alle Bürger ein gleiches Recht auf sie haben. Sie wird, wenn sie einmal vollendet sein wird, von ihrem erhöhten Standpunkt aus, mit ihren schönen Hallen, ihren hochemporstrebenden Mauern, ihrem hochragenden Turme einen herrlichen Anblick gewähren und eine Zierde der Gegend sein. Das Kreuz auf ihrem Turme wird hinausragen über das schöne Tal und segnen die Gemeinde und ihre Hütten und ihre Bewohner.

Einer der schwierigsten Punkte bei Kirchenbauten ist bekanntlich die Beschaffung der notwendigen Geldmittel. Wie schwer tut manche Gemeinde, bis sie die nötigen Heller zusammengebettelt hat! Euch hat ein guter Stern geleuchtet! So leicht wie Ihr kommt selten eine Gemeinde zu einer Kirche, weil eben wenige Gemeinden in der Welt einen so guten Landesvater haben. „Fürst Johannes II. Jubiläumskirche“ wird diese Kirche heissen. Ja diese herrlichen Quadersteine werden unvergängliche Zeugen wahrhaft fürstlicher Wohltätigkeit und Hochherzigkeit sein und den glorreichen Namen des Fürsten Johann II. in ferne Jahrhunderte tragen. Wenn nach Jahrhunderten ein fremder Wanderer da vorübergehen und fragen wird, warum denn diese Kirche den Namen dieses Fürsten trage, wird man ihm antworten: Ja, da hat einmal vor aller Zeit — 1909 schrieb man damals — in diesem Lande ein Fürst regiert, der ein Vater seinem Volke und ein Wohltäter seinem Lande war — und der zu dem Bau dieser Kirche das Meiste beigetragen hat. Zur dankbaren Erinnerung daran und an seine mehr als 60jährige gottgesegnete Regierung prangt sein Name immerdar auf ihren Mauern.

Möge Gottes Segen auch ferner auf diesem Werke ruhen! Möge er allen Wohltätern dieses Gotteshauses ein ewiger Vergelter sein! Möge auf diesem geweihten Grundstein ein schöner Tempel sich erheben, als eine Pflanzstätte des Glaubens, der Hoffnung und der Liebe. Er wird ja schon in seinem Baue ein Abbild davon sein, im Felsenfundament das Abbild des katholischen Glaubens, dessen Eck- und Grundstein Jesus Christus ist. Vom Fundament des Glaubens wächst dann die Hoffnung empor, wie die Mauern sich erheben aus den Fundamenten und wie die Mauern in den Zinnen und dem Gebälke ihren Abschluss finden, so möge aus Glaube und Hoffnung als die schönste Blüte hervorgehen die Liebe. Möge — so heisst es in einem Gebete bei der Weihe des Grundsteines — hier walten der wahre Glaube, die Furcht des Herren und die brüderliche Liebe! Amen!“

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[1] L.Vo. 29.10.1909, S. 1 f.
[2] Ehemals griechische Stadt in Anatolien (heute Türkei).