Regierungschef Gustav Schädler bemüht sich gegen den Widerstand von Pfarrer Anton Frommelt darum, dass die Protestantin Mina Schädler auf dem Triesner Friedhof wie eine Katholikin „in der Reihe“ bestattet werden darf


Maschinenschriftliche Aktennotiz, mit Korrekturen und Ergänzungen, von Regierungschef Gustav Schädler, gez. ders. [1]

31.8.1925

Amtsvermerk

In der Beerdigungsangelegenheit der Mina Schädler (Frau des Heinrich) auf dem Friedhof in Triesen [2] erschien heute Hochw. Herr Pfarrer [Anton] Frommelt, um seinen Standpunkt dahin zu präzisieren, dass die genannte Verstorbene in einer Ecke, also nicht in der Reihe beerdigt werden müsse, denn so sei die diesbezügliche Antwort von Chur eingetroffen und er müsse sich danach halten. Ich erwiderte ihm, dass ich im Gegenstande heute vormittags mit drei Juristen, die alle katholisch seien, sogar einem Führer der konservativen Partei, gesprochen [hätte] und es hätten alle drei der Meinung Ausdruck verliehen, dass die Leiche unbedingt in der Reihe zu bestatten sei, also genau dort, wo irgend eine andere heute verstorbene katholische Person beerdigt würde. Ich berief mich auf Art. 37 und 39 der Verfassung [3] und die Verordnung über die Beerdigung von Leichen vom Jahre 1873 Nr. 7, [4] wonach die Beerdigung auf den Friedhöfen in der Regel der Reihe nach zu geschehen hat. Pfarrer Frommelt sagte, dass er sich mit der ganzen Kraft gegen eine solche regierungsamtliche Anordnung wahren müsste, wenn er nicht von Chur die Erlaubnis dazu erhielte. Schliesslich einigte man sich auf ein Telephongespräch mit dem bischöflichen Ordinariate in Chur und der Vertreter des Ordinariates sagte mir, dass die Verstorbene in der Reihe beerdigt werden könne, wenn die Regierung dies anordne. In der Schweiz sei die Beerdigung der Reihe nach allgemein gültig. Darauf telephonierte dann auch Pfarrer Frommelt und sagte dem bischöflichen Vertreter, es möchte die Bewilligung für diesen Fall gegeben und nachher sollte dann die Angelegenheit prinzipiell geregelt werden.

Es ist also festzustellen, dass die Schwierigkeiten wegen der Beerdigung der Frau Schädler nicht von Chur, sondern in Triesen, d.h. von Pfarrer Frommelt, gemacht wurden.

Ich stellte in Aussicht, dass demnächst diese Frage für das ganze Land zu regeln sei, wobei aber allerdings schon Präzedenzfälle vorhanden seien, nachdem beispielsweise in Vaduz ein Kind des Fabrikanten Spörry so beerdigt wurde wie das Kind eines Katholiken.

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[1] LI LA RE 1925/3651. Einlaufstempel der Regierung vom 31.8.1925. Gemäss Vermerk von Gustav Schädler am selben Tag ad acta gelegt. – Zu den Streitigkeiten über die Beerdigung von Protestanten auf dem Triesner Friedhof vgl. auch LI LA PfAT 10/262.
[2] Vgl. L.N., Nr. 69, 2.9.1925, S. 2 ("Triesen") sowie L.N., Nr. 70, 5.9.1925, S. 2 ("Eingesandt") und S. 4 ("Danksagung"). In letzterer hiess es: "Für die wohltuenden, herzlichen Beweise aufrichtiger Teilnahme an meinem schweren Schicksalsschlage anlässlich dem Hinscheiden meiner lieben Gattin Frau Mina Schädler geb. Spies spreche ich hiemit meinen innigsten Dank dem Herrn Pfarrer von Sevelen für seine ergreifende, trostreiche Grabrede, dem Herrn Regierungschef für seine Bemühungen, dank denen es möglich war, die liebe Verstorbene in ihrer Heimatscholle zu beerdigen, ferner dem Hochw. Herrn Pfarrer von Triesen für die vielen Krankenbesuche und für das Grabgeleite, dem Herrn Vorsteher Emil Risch für seine werktätige Mithilfe und das ehrende Grabgeleite, ebenso auch den ehrwürdigen Schwestern von Triesen für die vielen Besuche am Krankenbette."
[3] Art. 37 Abs. 1 der Verfassung des Fürstentums Liechtenstein vom 5.10.1921, LGBl. 1921 Nr. 15, garantiert die Glaubens- und Gewissensfreiheit. Nach Abs. 2 ist die katholische Kirche zwar die Landeskirche, aber anderen Konfessionen ist die Betätigung ihres Bekenntnisses und die Abhaltung des Gottesdienstes innerhalb der Schranken der Sittlichkeit und der öffentlichen Ordnung gewährleistet. Gemäss Art. 39 der Verfassung ist der Genuss der staatsbürgerlichen und politischen Rechte vom Religionsbekenntnis unabhängig, wobei den staatsbürgerlichen Rechten durch denselben kein Abbruch geschehen darf.  
[4] Nach § 8 Abs. 1 der Verordnung vom 20.11.1873 über die Totenbeschau und die Beerdigung der Leichen, LGBL. 1873 Nr. 7, waren alle Leichname auf dem Friedhof jener Gemeinde, in deren Sprengel der "Entseelte" starb oder tot aufgefunden wurde, zu beerdigen. Gemäss § 10 Abs. 1 der genannten Verordnung hatte die Begrabung der Verstorbenen auf den Friedhöfen in der Regel der Reihe nach zu geschehen. – Zur Aufhebung bzw. Abänderung dieser Verordnung vgl. Art. 109 Z. 7 Bst. a des Einführungs-Gesetzes vom 13.5.1924 zum Zollvertrag mit der Schweiz vom 29.3.1923, LGBl. 1924 Nr. 11.