Gregor Wohlwend an seine Mutter Ursula Wohlwend [-Goop] und an seine Geschwister über seinen Militärdienst im amerikanischen Bürgerkrieg


Handschriftliches Schreiben von Gregor Wohlwend, Springfield (Missouri), an seine Mutter Ursula Wohlwend [-Goop], Schellenberg, und an seine Geschwister, in Kopie [1]

o.D. (1862/1863), Springfield (Missouri)

Theuerste Mutter und Geschwester!

Ich ergreife nun die Feder um euch einige Zeilen
zu schreiben und wissen [2] lassen, das ich noch am
Leben bin, Gott sei Dank, gesund und wohl.
Vor allem empfanget von mir theuerste Mutter
und Geschwisterte meine freundlichsten Grüssen,
und hoffe, dass Euch dieselben in bester Gesund-
heit, und frohen Muthe, zu theil werden mögen.
Es wundert mich sehr wie es steht, dass ich in so banger
Zeit in 1 ½ Jahren verflossen keinen Brief von Euch
erhalten habe. Auch möchtet Ihr vielleicht wissen, wo
ich bin und was ich thue, und will Euch ganz kurz eine
beschreibung abgeben, es wird Euch wohl bekant
sein, dass der Krieg in Jahr 1861 in ganz Amerika
ausgebrochen ist, die Saud [3] gegen die North, so habe ich
am 6ten August im Jahr 1861 meinen Reifel [4] in die
Hand genommen wie jeder treue freie Amerikaner
Bürger, um meine last [5] mit ihm zu tragen. Freiwill-
ig ohne dazu gezwungen zu werden, welches ich nicht
gestehen konnte Freiheit und lieberte [6] zu rauben, und
Sklaverei rülen [7] lassen, und so der Krieg ist immer ge-
führt seit am 8. Aprill 61. Die South haben alles aufgerufen von
16 bis was fähig ist die Waffe zu tragen, die North
hat immer fallunthährlich [8] genug Soldaten bekommen, neulich
aber vor 4 Wochen hat der President [Abraham Lincoln], um der intürminschen
Wer [9] ein Ende zu machen alles aufgerufen von 18 bis auf
45 ohne Wiederstand. Ich Diene nun als Soldat 19 Monath
und bin willens zu dienen bis endlich der Krieg vollendet
ist, seit meiner Dienzeit habe ich oft manche Rauhe Tage und Näthe
durgemacht, und mehreren Dichtigen Kugel regen beiwohnen
müssen, auch Gott seis gedankt noch jedesmahl beim Leben
davon gekommen. In einer schlacht habe ich zwei Kugel
dafon getragen, eine in meiner rechten schulder, und eine
in meinen linken fuss, doch aber nach zwei Monaten
wider gesund als wie vorher hergestellt. Auch möchtet ihr wissen
ob ich bloss als Preiviel [10] Diene, nein ich Diene als [11]
Lieutennant, die Löhnung ist 103 Thlr pr. Monath daraus mus
ich aber mich kleiden und verkösten, die Prevates Löhnung ist 15 Thr.
pr. Monath Sergeantens Löhnung 20 Thlr. Monath Kleidung und Kost frei
Soldarten Leben ist zwar nich mein geschäft aber der beste Goverment der
am Orth ist zu unterstüzen ist meine Pflicht, den eher ehrlich im
Schlachtfelde umkommen, als Siseschen [12] und Slafenhändler meinen
Prinzipel zu unterdrüken. Ich habe Haus und gut verlassen
in Kanas [Kansas] [13] auf 3. Jahre. Vom Bruder Johan Georg [Wohlwend] kann
ich auch nicht viel Schreiben, den ich habe keinen Brief von
ihm erhalten, seit dem ich das  lestemahl geschriebe habe.
Vom Martin Wohlwend und Johann Georg Wohlwen [Wohlwend]
habe ich am 1 ten März einen Brief erhalten sie befinden
sie gesund und wohl. Meine freundlichsten grüssen mogen zu theil
werden Freunden und Nabahren Götti und Gotta und allen jenen welche
mir Nahfragen. Schlieslich grüsse ich Euch nochmals recht herzlich
alle insgesamt und bitte Euch diesen Brief recht balde zu beantworten,
und mir die richtigen Antressen vom Bruder Jakob [Wohlwend] zu schiken und schreibet
ihm dass ich ihn bitte u. mir schreiben möge und sendet ihm meine
Antresse den ich habe noch nie von ihm gehört seit dem ich in Amerika
bin, wenn der Bruder Johan Georg Euch geschrieben hat möget ihr
es ihn Eurem schreiben melden. Seine besondere Neuigkeiten
die Euch in Deutschland intressirt habe ich zu schreiben. Adies
und lebet wohl

und werde verleiben Euer

S. Dankbarster Sohn und
Bruder Gregor Wohlwend

in Springfield Misuri
im Lager

Die Abresse wie woher
meine Freunde und Nahbaren senden
mir die Briefe nach wo ich eben bin.

Direkt
Mr. Gregor Wohlwend
Forth Riley mas
Rileys County sto
Kansas U.St. America [14]

______________

[1] LI LA SgDok 030/55. Die Geschwister des Gregor Wohlwend hiessen Michael, Johann Georg, Jakob und Ann Maria und befanden sich zum Teil selbst im Ausland. – Der Brief wurde (in abweichender Transkription) ediert in: Jansen, Nach Amerika! Bd. 1, S. 43-45.
[2] Ursprüngliche Fassung: „wiẞen“. Das Eszett wird im Folgenden zu „ss“ umgewandelt.  
[3] Vgl. englisch „south“ für Süden.
[4] Vgl. englisch „rifle“ für Gewehr.
[5] Es folgt ein durchgestrichenes Wort.
[6] Vgl. englisch „liberty“ bzw. französisch „liberté“ für Freiheit.
[7] Vgl. englisch „rule“ für regieren oder herrschen.
[8] Vgl. englisch „voluntary“ für freiwillig.
[9] Bedeutung unklar.
[10] Vgl. englisch „Private“ für gemeiner Soldat bzw. Schütze.
[11] Seitenwechsel.
[12] Vgl. englisch "secession" für Absonderung oder Trennung. 
[13] In lateinischer Schrift.
[14] Dieser Absatz in lateinischer Schrift.