Katharina Biedermann [-Büchel] an Ulrich Öhri über die Sorgen um ihren Sohn Alois Biedermann in Amerika, die Erwartung einer reichen Ernte in Ruggell sowie die Schwierigkeiten der alleinerziehenden Schwägerin Franziska Büchel [-Hoop] mit ihren sieben Buben


Handschriftliches Originalschreiben der Katharina Biedermann [-Büchel], Ruggell, an die Familie Ulrich Öhri, Spencer (Nebraska) [1]

13.06.1931, Ruggell

Werte Familie Öhri!

Wir haben Euren lieben Brief samt
dem Bilde von Andreas [Öhri] erhalten,
es hat uns sehr gefreut und danken
Euch bestens dafür, auch der Mali [Amalia Öhri [-Heeb]].
Die Bilder von unserm verstorbenen
Bruder [Johann Büchel] werdet Ihr alle erhalten haben.
Von unserm Alois [Biedermann] haben wir seit
mitte März auch kein Schreiben mehr
erhalten, wir haben ihm schon zweimal
geschrieben seither, aber immer noch nichts
bekommen. Wenn er wüsste [2] wie viel
Kummer ich um ihn habe, würde er
glaube ich mehr schreiben. Das letzte [3]
mal hat er geschrieben, wir müssen
ihm verzeihen, wenn er wenig schreibe,
er verschlafe immer dabei. Wir müssen
keinen Kummer haben, er habe es gut
genug, die Leute seien auch sehr gut
mit ihm. Wir haben immer geglaubt
er schreibe Euch fleissiger als uns,
weil er uns in jedem Brief ge-
schrieben hat, wie gut er es bei
Euch gehabt habe, er könne es Euch
nicht vergelten was Ihr ihm
getan habet. Er hat das letzte
mal noch geschrieben, ich solle Euch
hie und da einmal schreiben.
Jetzt haben wir natürlich noch
mehr Kummer da wir wissen, dass er
Euch auch schon lange nicht mehr
geschrieben hat. [4]
Wir haben ihm die letzte Woche
wieder einen Brief geschikt und
haben denselben ein schreiben
lassen. Vielleicht seit Ihr noch ein-
mal so gut und schreibet ihm, wenn
er nicht mehr an der alten Stelle
wäre, kämen die ein geschriebe-
nen Briefe doch zurück. Wir sind
Gott sei Dank alle gesund und
hoffen dasselbe auch von Euch
allen. Frühling haben wir bereits
keinen gehabt. Anfangs Mai
ist es noch immer kühl gewesen
und es hat noch kein Gras gehabt,
es ist dann aber gerade der Sommer
gekommen, ende Mai hat mann [5]
schon an gefangen heuen, es
gibt sehr viel Heu. Die Feldfrüchte
sind auch sehr schön, es gäbe auch
viel Obst. Wenn es nur kein
Unwetter gibt, es ist eben zu fürchten
denn es ist immer entzetzlich heiss.
Heute habe es 30 Grad, es hat schon
in vielen Gegenden alles verhagelt.
Die Schwägerin [Franziska Büchel [-Hoop]] macht es, aber es
ist halt eine Aufgabe mit sieben
Buben [6], da wäre halt der Vater [Johann Büchel] noch
nothwendig gewesen. Das folgen geht
halt nicht mehr so gut da würde
lieber jeder komendieren von den
erwachsenen, zwei müssen noch in
die Schule. Unser Vetter ist noch immer
in Ruggell, er lasse Euch herzlich
grüssen.

______________

[1] LI LA PA 016/3/04/04.
[2] Ursprüngliche Fassung: „wüẞte“. Das Eszett wird im Folgenden zu „ss“ umgewandelt.
[3] Seitenwechsel.
[4] Seitenwechsel.
[5] Seitenwechsel.
[6] Johann, Theodor, Josef, Emil, Otto, Adolf und Andreas Büchel.