Martina Gstöhl an ihre Schwester Balbina Gstöhl über die verlorene Verlassenschaftsverhandlung nach ihrer Tante Magdalena Gstöhl, die dafür aufgewendeten Anwaltskosten sowie die Bitte um einen Kredit für den Kauf eines eigenen Hauses


Handschriftliches Originalschreiben der Martina Hartmann [-Gstöhl], Ludesch (Vorarlberg), an ihre Schwester Balbina (Marie Balbina Öhri [-Gstöhl]), Spencer (Nebraska) [1]  

07.07.1909, Ludesch (Vorarlberg)

Werthe Schwester
und Familie! [2]

Jetzt ist die Abhandlung vorbei,
u. dass [3] viele Geld aufwenden hat
uns halt nichts genutzt. Du köntest die
Abhandlung schon ungültig machen
weil selbe ohne Vollmacht von Dir
gewesen, aber das hilft doch nichts. Uns
hat mans immer gut in Mund geben
u. wo es hät sollen zu einem Zwek
kommen war halt alles nichts. So kann
man das Geld hinnaus werfen u.
dann ist man doch noch hinten am Karren.
Wir haben dem [Josef] Peer müssen
nur für die Abhandlung allein
ohne die Stempel- u. Schreibgebühr [4]
48 fl. [Gulden] – 96 Kronen geben
Für jedes Schreiben 1 Krone
Für jedes mal mit ihm sprechen
3 Kr. u. etwa 8 mal war
mein Mann [Johann Josef Hartmann] bei ihm in Feldkirch.
Ich habe halt von meinem
schönen Erbtheil bereits
200 Kr. geopfert. Für
Akten studieren habe ich
müssen dem Peer 60 Kronen
bezahlen, das ist ein furchbares
Geld. Wenn Du das Geld noch nicht
hast musst Du aber dem [Jakob] Wanger
schreiben, was Du thun willst, ob
Du selles in der Kasse oder senden, den Dein Geld hat natürlich der Wanger. [5]
Hast Du das Geld schon bekomen.
Ich habe nämlich dem Wanger
geschrieben, er soll Dir das Geld
nicht senden, ich werde vorher
schreiben, ob man Dir es senden
od. hier in Kassa legen soll.
Denn wen man Dir das Geld
sende sagt hier meine Schwägerin
falle dem Amerikanischen Staat
10 % zu. Mir wäre es schon
recht wenn Du das Geld hier in
eine Kasa legen würdest,
u. dann wenn es Dein Mann [Ulrich Öhri] [6]
zugeben würde, wenn Du
uns vielleicht einmal ver-
hilflich sein würdest mit demselben,
natürlich für Unterpfand, denn
weisst wenn ich mein Mann von hier
nicht fortbringe, möchte ich nach Gelegenheit
hier et kaufen, damit wir wieder ein
eigenes Heim hätten, das von einer
schlechtern Wohnung in die andere
Ziehen thut mir furchbar verleiden.
Und dann wenn Du uns helfen würdest
dürften wir hier niemand darum
ansprechen. Denn solche Leute wie hier
trieft man nicht einmal unter den
Juden, hier wird nicht viel gebetet u. an solchen
Leuten muss der Bettler furchbar erfahren.
Schreibe mir sei so gut über diese
Zeilen bald eine Antwort
Gruss an die ganze Familie
u. an Euch Alle
Martina Joh. Jos. Hartmann
nebst Kind.

______________

[1] LI LA PA 016/3/11/03. Zur Verlassenschaftsabhandlung nach Magdalena Gstöhl vgl. LI LA J 004/A 153/110. Die Verhandlung vor dem F.L. Landgericht fand am 24.6.1909 statt.
[2] Anrede in lateinischer Schrift.
[3] Ursprüngliche Fassung: „daẞ“. Das Eszett wird im Folgenden zu „ss“ umgewandelt.
[4] Seitenwechsel.
[5] Seitenwechsel.
[6] Seitenwechsel.