Schwierigkeiten der liechtensteinischen Saisonarbeiter bei der Arbeitssuche in der Schweiz


Schreiben des Arbeitsamtes an die Regierung, gez. Gebhard Walser [1]

28.9.1933

An die fürstl. Regierung

Zu Ihrem Schreiben vom 4.IX.1933 bezügl. der Neuorganisierung in der Platzierungsfrage der Liecht. Saisonarbeiter wir[d] folgendes mitgeteilt:

Solange die kant. Arbeitsämter und die kant. Fremdenpolizei von den Bundesbehörden in Bern nicht die Vorschrift haben, dass nach den Schweizer Arbeitern allen andern Ausländer voran, die Liechtensteiner zu unterbringen seien, wird der liecht. Arbeiter in der Schweiz als Saisonarbeiter gewöhnlich hinter die andern Ausländer gestellt. In erster Linie ist dies dem Umstande zuzuschreiben, dass die Baumeister zum Grossteil italienische Namen haben und daher auch italienische Poliere auf den Bauplätzen sind, weshalb diese den italienischen Saisonarbeitern den Vorzug geben und daher, wenn auf solchen Bauplätzen auch noch liecht. Arbeiter mit Hilfe des Sekretariates des Baumeisterverbandes in Zürich oder durch das Wohlwollen des einen oder andern Arbeitsamtes untergebracht wurden, diese manchmal aussetzen müssen, während die italienischen Arbeiter vorwärts arbeiten können. Diesen liecht. Arbeitern bleibt dann nichts anderes übrig, als nach Hause zu fahren. Die Poliere stellen dann gerne, wenn sie Italiener sind, die hiesigen Arbeiter als nicht entsprechend hin, wenn diese Arbeiter im Berufe auch schon viele Jahre tätig sind. Einzelne Arbeitsämter bemühen sich, den Herren Arbeitgeber unsere Arbeiter zu empfehlen, doch haben sie keine Handhabe, dass sie die Meister bestimmen könnten, Liechtensteiner anzustellen, was auch Herr Bartholdi vom Bundesamt in Bern anlässlich der heurigen Tagung der Amtsleiter der verschiedenen Arbeitsämter auf die Anregung des Gefertigten, es möchten bei Zulassung ausländischer Arbeiter zuerst die Liechtensteiner berücksichtigt werden, bestätigt hat, indem er erklärte von Bern aus müssten alle Ausländer gleich behandelt werden, der Gefertigte müsse schauen, dass der Baumeisterverband und die kant. Arbeitsämter sich der Sache annehmen möchten. Auf diesen Standpunkt stellen sich auch die kant. Arbeitsämter und zwar zu einem guten Teil, was zum Beispiel der Beamte des Arbeitsamtes in Chur dem Gefertigten schon wiederholt erklärte, dass der Liechtensteiner Ausländer sei, wie jeder andere und wenn der Meister daher einen Italiener wolle, könne ihm kein anderer aufgezwungen werden. Der Gefertigte hat sich schon verschiedentlich, wenn Maurer oder auch andere Berufsarbeiter ausgeschrieben waren, bei den Arbeitsämtern der Kantone eingesetzt, doch fehlt den betreffenden Beamten der Auftrag, dass sie Liechtensteiner vor andern berücksichtigen müssen und so können manchmal Beamte, die uns noch beistehen möchten, uns nur behilflich sein, indem sie den Arbeitgebern empfehlen, Liechtensteiner in Arbeit zu nehmen, einen Zwang jedoch können die Arbeitsämter nicht ausüben. Auf diese Weise hat uns das Arbeitsamt St. Gallen, Glarus, Frauenfeld und Aarau, sowie die Gemeindearbeitsämter Kreuzlingen und Arbon wertvolle Dienste geleistet, doch hat letzthin der Leiter des Arbeitsamtes Kreuzlingen dem Gefertigten am Telefon mitgeteilt, dass er deswegen Vorwürfe bekommen habe. Im Kt. Thurgau mussten wir die unangenehme Erfahrung machen, dass unsere Arbeiter von der Fremdenpolizei bestraft wurden und zwar je 10 Frs., obwohl die Arbeiter an der Sache nicht Schuld waren, denn der Gefertigte liess die Arbeiter dorthin erst abreisen, wenn entweder vom Arbeitsamte oder vom Baumeisterverbande in Zürich Anweisung kam, dass an diesen oder jenen Meister die bestimmte Anzahl Arbeiter abgesandt werden können. Das Sekretariat des Baumeisterverbandes hat sich zwar gegen diese Behandlung eingesetzt und hat zugesagt, dass es die Sache übernehme, doch kann dem dortigen Sekretariate auch nicht zugemutet werden, dass dasselbe, sofern die Strafen im Rekurswege nicht nachgesehen werden, dieselben bezahle. Wie ein dort betroffener Arbeiter mitteilt, namens Ad. Risch, Maurer in Triesen Nr. 144, wurde ihm von einem Amtsorgan in Arbon nahegelegt, dass er nicht Rekurs gegen die Bestrafung nehmen solle, da er dann möglicherweise ausgewiesen werden könnte. Unsere Arbeiterschaft lebt gerade wegen den Ausweisungen aus der Schweiz in einer Furcht. Tatsächlich hat dann Risch, trotzdem wir ihm denselben angeraten und schon vorher vorbereitet hatten, abgesehen. Risch trat jedoch die Arbeit erst an, als er vom Gefertigten Bericht bekam, am 2. Mai in Arbon eine Maurerstelle anzutreten. Der Gefertigte wurde diesbezüglich vom Arbeitsamte in Arbon angewiesen, dorthin 2 Liechtensteiner als Maurer zu schicken, welche am 2. Mai die Arbeit dort anzutreten hätten. Es wurden jedoch trotzdem beide bestraft. Aber auch die andern dorthin auf diese Weise geschickten Maurer wurden je 10 Frs. bestraft. Dem Gefertigten wurde jedoch jedesmal gesagt, die Arbeitsbewilligung werde von dort aus in Ordnung gebracht. Der Gefertigte hatte im heurigen Frühjahr vom Verwalter des Arbeitsamtes in St. Gallen die Zusage, dass das dortige Arbeitsamt in erster Linie Liechtensteiner berücksichtigen wolle, wie es sich jedoch später herausstellte, war die Durchführung nicht überall möglich und es waren im Kt. St. Gallen sowohl österreichische als auch deutsche Gipser und italienische Maurer mit Arbeitsbewilligungen beschäftigt. Es fehlt eben den Arbeitsämtern der Rückgrat, wenn der Wille noch vorhanden wäre, haben sie keine behördliche Anweisung, dass sie den Arbeitgebern erklären könnten, dass vor andern Ausländern die Liechtensteiner beschäftigt werden müssen.

Gewöhnlich im Juli oder August laufen die Arbeitsbewilligungen in den einzelnen Kantonen ab und kommt es vor, dass das eine oder andere Arbeitsamt im Bulletin Umfrage hält, ob in diesem oder jenem Berufe Arbeitslose vorhanden wären, wo dann die Arbeitsbewilligungen an Ausländer selbstverständlich nur dann verlängert werden, wenn sich keine Schweizer Berufsarbeiter melden. Auch hier sollten die Arbeitsämter angewiesen werden können, dass auch Berufsarbeiter aus Liechtenstein, die sich um solche Stellen durch das Arbeitsamt oder auch sonst bewerben, unmittelbar nach den Schweizern und vor andern Ausländern berücksichtigt würden, was auch durch Abweisung von Verlängerungsgesuchen bei andern Ausländern, solange hiesige Berufsarbeiter vorhanden sind, geregelt werden sollte. Im heurigen Jahre ist es nämlich vorgekommen, dass während der Vorsommersaison die Maurer beschäftigt und untergebracht werden konnten, dass dieselben jedoch zum Teil im Hochsommer wieder arbeitslos wurden, während bei andern Meistern andere Ausländer bis gegen den Winter Beschäftigung haben. Gerade heute sind vom Arbeitsamte in Glarus 25 Trockenmaurer ausgeschrieben, wie das Arbeitsamt Glarus dem Gefertigten jedoch über Anfrage mitteilt, handelt es sich darum, weil in nächster Zeit dort für soviel Ausländer Maurer Bewilligungen ablaufen, weshalb das Arbeitsamt Umschau halte, ob keine Schweizer sich für die Stellen melden. Sofern sich jedoch keine Schweizer melden, würden die Bewilligungen wieder verlängert. Für neue Bewerber aus Liechtenstein sei diese Ausschreibung laut Mitteilung des Arbeitsamtes nicht gedacht. Es wäre für Liechtenstein derzeit aber gerade eine Wohltat, wenn 25 Trockenmaurer nach Glarus für einige Zeit platziert werden könnten.

Das Arbeitsamt hat auch versucht, mit einzelnen Baugeschäften wegen Platzierung von Arbeitern in Verbindung zu treten. Hie und da war ein Erfolg zu verzeichnen, doch der grössere Teil der Arbeitgeber hat, besonders wenn er oder der Polier noch ein Italiener ist, seine bestimmten italienischen Arbeiter, oder wenn der Meister ein Grenzbewohner ist, seine bestimmten Grenzgänger aus Vorarlberg oder Deutschland. Zudem trifft es dann manchmal zu, dass für die betreffende Arbeitsstelle die Arbeitsbewilligung nicht erhältlich ist, wenn auch das hiesige Arbeitsamt dort für Liechtensteiner noch Arbeit gefunden hätte. Wenn von den Bundesbehörden in Bern auf den Vorschlag des Gefertigten eingegangen wird und auch durchgeführt wird, ist der Gefertigte auch der Ansicht, dass die Liechtensteiner Bauarbeiter während der Saison wenigstens zum größern Teile beschäftigt werden können.

Liecht. Arbeitsamt Vaduz

gez. Gebhard Walser [2]

 

 

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[1] LI LA RF 133/123/012.
[2] Es folgt der Handschriftliche Vermerk: "Durch Besprechung mit Dr. Bartoldi am 27/8. Nov überholt. 28.11.33 [Josef] Hoop".