Regierungschef Josef Hoop informiert Hermann E. Sieger über den Stand der Bemühungen um die Wiedergutmachung für die Enteignung fürstlicher Besitzungen in der Tschechoslowakei


Schreiben von Regierungschef Josef Hoop an Hermann E. Sieger, Lorch (Württemberg) [1]

22.11.1938

Sehr geehrter Herr Sieger!

Endlich komme ich dazu, Ihnen einen erschöpfenden Bericht über die Entwicklung der in Berlin besprochenen Angelegenheit zu geben. [2]

In verschiedenen Besprechungen, die in Wien stattfanden zwischen dem Fürsten [Franz Josef II.], der Kabinettskanzlei, der fürstlichen Zentraldirektion, den Rechtsberatern des Fürsten und mir, kristallisierte sich folgendes heraus. Es soll versucht werden:

a/ die in Berlin besprochene Transferierung der in der CSR liegenden Bargelder zu erreichen,

b/ eine allfällige Wiedergutmachung des von der CSR dem Fürsten durch die Enteignung zugefügten Schadens zu erwirken und

c/ einen Austausch von einzelnen Gebietsteilen des Fürsten zwischen Deutschland und der CSR bewilligt zu bekommen.

Um die entsprechenden Schritte unternehmen zu können, werden gegenwärtig bei der Zentraldirektion in Olmütz die nötigen Unterlagen gesammelt und zusammengestellt. Die Schritte, die bis jetzt bei den deutschen bezw. tschechoslovakischen Behörden unternommen worden sind, sind folgende:

a/ Eine Eingabe an das Reichswirtschaftsministerium und an das Auswärtige Amt um Transferierung der Ihnen bekannten 40 Millionen Kĉ. [3] Die Eingabe wurde über Wunsch des Fürsten, nachdem ein Deutscher Rechtsanwalt doch die geeignetste Persönlichkeit ist, von Dr. [Albrecht] Dieckhoff ausgearbeitet.

b/ Die ungefähr gleichlautende Eingabe an die tschechoslovakische Nationalbank wurde von der fürstl. Zentralverwaltung in Olmütz gemacht. [4]

Wie Ihnen erinnerlich, hat der Referent [Heinrich Stahmer] in der Dienststelle Ribbentrop versprochen, seinen Einfluss bei den tschechoslovakischen Behörden dahin geltend zu machen, dass den Gesuchen des Fürsten entsprochen werde. Über das Schicksal, das die Eingabe bis jetzt erfahren, habe ich noch nichts gehört. Der Wiener Rechtsanwalt des Fürsten, Graf Trauttmannsdorf, wendet sich sodann an den Direktor der Reichskreditgesellschaft, Herrn Dr. [Otto] Fischer, der dem Reichswirtschaftministerium, Herrn Dr. [Walther] Funk, sehr nahe stehen soll.

Das ist der Stand der Akten. Ich habe in Wien darauf gedrungen, dass entgegen der leider vielfach geübten Praxis nur einzelne Stellen und zwar diejenigen, die bis jetzt mit ihr gearbeitet haben, mit der Sache sich befassen sollen, d.h., es soll vor allem die Verbindung mit Ihnen und Dr. [Franz Ludwig] Metzner in Berlin aufrecht erhalten bleiben. Diesem Standpunkte wurde auch allseits beigepflichtet. Sobald ich Neues in der Sache erfahre, d.h., sobald ich weiss, wo die Eingaben liegen, und wie man sich grundsätzlich zu Ihnen stellt, werde ich Ihnen Weiteres mitteilen. [5]

Bezgl. der Herstellung der noch herauszugebenden Briefmarken sowie der Überweisung Ihres Honorars wäre ich dankbar für eine Unterredung. Die Luftpostmarkenentwürfe sind indessen zur Genehmigung nach Bern gegangen.

Herrn Stahmer, der scheinbar einen namhaften Einfluss besitzt – er war mit [Joachim von] Ribbentrop in München, Rom und Wien - wurde über Vorschlag Dr. Dieckhoff’s das Komturkreuz mit dem Stern verliehen, [6] nachdem er von Italien vor kurzem einen gleichrangigen Orden erhalten hat.

Das ist im wesentlichsten, was ich Ihnen zu sagen habe. Wenn es Ihnen ausgeht, in nächster Zeit hieher zu kommen, werden wir ja auf eine Menge anderer Fragen zu sprechen kommen.

Mit besten Grüssen verbleibe ich

Ihr

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[1] LI LA RF 190/344/051. Kürzel: DrH/G.
[2] Hoop verhandelte vom 16.-20.10.1938 in Berlin über den Transfer von fürstlichen Geldern aus der Tschechoslowakei nach Deutschland (vgl. Amtsvermerk von Hoop über die Besprechungen vom 24.10.1938, LI LA RF 190/344/009).
[3] Dieckhoff übermittelte mit Schreiben vom 20.10.1938 (LI LA RF 190/344/002) die Entwürfe von zwei Eingaben an das Reichswirtschaftsministerium (LI LA RF 190/344/004, 006). Die Eingaben wurden am 28.10.1938 überreicht (LI LA RF 190/344/022, 023, 024).
[4] Einen ersten Entwurf der Eingabe formulierte Dieckhoff (LI LA RF 190/344/031). Anschliessend nahmen die Kabinettskanzlei (LI LA RF 190/344/052) und Dieckhoff (LI LA RF 190/344/058) Änderungen vor. Die definitive Eingabe wurde schliesslich am 1.12.1938 durch die Zentraldirektion in Olmütz an die tschechische Nationalbank gesandte (LI LA RF 190/344/062).
[5] Die Transferangelegenheit zog sich in weiterer Folge recht kompliziert dahin. Aber spätestens nach dem deutschen Einmarsch in Prag im März 1939 kamen die Gelder aus der Tschechoslowakei in die Verfügungsgewalt des Fürsten, welcher bis August 1939 in der Lage war, 2,8 Millionen Reichsmark an deutschen Erbschaftssteuern zu bezahlen.
[6] Stahmer bedankte sich für den mit Schreiben vom 15.11.1938 verliehenen liechtensteinischen Orden am 25.11.1938 (LI LA RF 190/344/055). Der Orden wurde am 12.12.1938 übersandt (LI LA RF 184/464).