Ein französischer Soldat schildert in einem Feldpostbrief, mi welchen Wirkungen die von den Engländern erfundenen Tanks zur Überwindung der Schützengräben eingesetzt werden


Bericht in den Oberrheinische Nachrichten[1]

28.7.1917

Eine grauenhafte Kriegsepisode

Die Engländer haben eine neue Kriegsmaschine, die sog. Tanks [2] an die Fronten sämtlicher Verbündeten gebracht. Das moderne, trojanische Pferd, ein plumpes, gepanzertes Ungeheuer, in dessen Bauch die Menschen hineinkriechen, um mit kleinen Kanonen und Maschinengewehren dem Gegner auf den Leib zu rücken, ist in Frankreich und Russland bei den Offensiven eingesetzt worden. Es operierte mit wechselndem Erfolg. Da die schwerfällige Maschine der gegnerischen Artillerie ein gutes Zielobjekt bildet, sind viele der Tanks beim Vorarbeiten an die zu stürmenden Schützengräben zusammengeschossen worden.

Eine solche grauenhafte Kriegsepisode erzählt ein französischer Soldat in einem Feldpostbrief, wo man was folgt lesen kann: „Die schwere Maschine hat keuchend die Zone des Sperrgebietes forciert und stand nun vor den deutschen Linien. Bei jeder Pause, die der Tank machte, gab eines seiner Maschinengewehre Schüsse auf die Reihen davoneilender Gegner ab. Von irgendwoher feuerte eine unsichtbare Kanone. Durch Drahtverhaue und über zersplitterte Baumstümpfe hinweg strebte das Ungeheuer einem nicht erkennbaren Ziele zu. Plötzlich dreht sich der Apparat heftig, legt sich hinter eine kleine Hecke und alsbald dröhnt seine Kanone. Wie ein sagenhaftes Untier sieht der Wagen aus. Feuer flammt aus seinem Rachen auf, und gleich einem Schlangenzünglein schnellt die Kanone vor und zurück. Sechs Geschütze zielen jetzt auf den Tank. Explosionen folgen einander und Wirbel von Erde und Granatsplitter ohrfeigen von allen Seiten das gedeckt liegende ächzende Ungeheuer, dessen Flanken beben. Dann rast der Unhold mit ruckweisem Keuchen über die blühende Hagedornhecke hinweg. Auch der letzte Strauch, auch das letzte bischen Grün, das der Krieg noch übrig gelassen haben mag, es fällt dem Schlachtwagen zum Opfer, dessen Rolle darin bestand, das Werk der Zerstörung so vollständig zu gestalten, wie es nicht vollständiger sein kann.

Zwei tollkühne Deutsche haben sich an dem Eisenungetüm in die Höhe gezogen, sie klettern an ihm hinauf. Wenn sie aber nichts unternehmen, wird sie der stählerne Koloss wieder abschütteln. Einer von ihnen, ein langaufgeschossener, rothaariger Mensch hat alsbald ein Ventil ausfindig gemacht. Mit aller Gewalt sucht er durch die Öffnung eine Handgranate zu zwängen. Als das missglückt, zieht er einen kleinen Revolver und feuert in das Loch hinein, lässt aber gleich darauf mit einem Schmerzenslaut die blutende Hand sinken. Aus dem Unsichtbaren heraus hat ihm ein haarscharfer Dolch drei Finger der Hand abgeschnitten. In diesem Augenblick macht der Koloss eine brüske Wendung und entledigt sich der beiden Verwegenen wie ein wildes Pferd, das seinen Reiter aus dem Sattel wirft.

Rechts und links rücken andere Ungetüme gleichen Schlages vor, eine seltsame Herde Fabelwesen, die die deutsche Artillerie in den Grund zu stampfen sucht. Eine Explosion geht in die andere über, die eisernen Wagen verschwinden in einem Meer von schwarzem Rauch. Plötzlich ein Krachen, Knurren und Surren – der  Motor hat seinen Geist aufgegeben. Eine Riesenflamme springt zum Schornstein hinaus. Gleichzeitig damit hopsen phantastische Gestalten hinten aus dem Eisenross heraus, halbnackte Soldaten, die sich die brennende Lederbekleidung vom Leibe reissen und trotz ihrer Brandwunden sich verzweifelt mit Dolch und Revolver gegen die aus einem Granattrichter aufspringenden Gegner wehren. Aus dem zu Tode getroffenen Tank steigen noch immer die Flammen auf, die Explosionen der mitgeführten Munitionskisten zerreissen seinen Leib mit Donnerkrachen. Bald ist nichts mehr von ihm übrig als ein unförmiger Metallklumpen. Der Tank ist tot.“

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[1] O.N. 28.7.1917, Seite 3 f.
[2] Panzer.