Landesverweser Leopold von Imhof bietet dem Landtag seinen Rücktritt an


Maschinenschriftlicher Text der Rede von Landesverweser Leopold von Imhof im Landtag, gez. ders. [1]

o.D. (zu 7.11.1918)

Meine letzte Landtagsrede vom 7. November 1918 [2]

Der Ernst der Zeit und die Sorge, die dem Lande drohenden Gefahren nach Möglichkeit zu bannen, haben Sie schon heute hier zusammengeführt. Aus den wichtigen Fragen, welche Sie beschäftigen werden, möchte ich vorerst jene herausgreifen, die zwar eine an sich minder wichtige ist, aber für mich vor dem Eingehen auf die übrigen Beratungsgegenstände der Klarstellung bedarf.

Ich meine damit die Frage bezüglich meines Verbleibens im Amte. Es ist mir nicht unbekannt, dass die Stimmung der Liechtensteiner sich in letzter Zeit gegen mich gewandt hat und dass ich als Österreicher in manchen Kreisen nicht das nötige Vertrauen habe.

Unter normalen Verhältnissen hätte ich geglaubt, bei der Wandelbarkeit der öffentlichen Meinung daraus nicht gleich die Konsequenzen ziehen zu müssen, dies in dem ruhigen Bewusstsein, meinen Pflichten nach besten Kräften nachgekommen und eifrig bestrebt gewesen zu sein, dem Wohle des Landes zu dienen sowie meines Amtes ohne Eigennützigkeit zu walten.

Ich kann Sie auch versichern, meine Herren, dass die Annahme eines Teiles der Bevölkerung, meine jüngste Auszeichnung mit dem Leopoldsorden habe darin ihren Grund, dass ich meinem Gefühl der Zuneigung zu meinen Mitbürgern praktisch zu stark Ausdruck gegeben und die Interessen des Landes Österreich gegenüber nicht entsprechend vertreten hätte, nicht zutrifft, sondern dass diese Auszeichnung in Umständen ihren Grund hat, die ziemlich weit zurückliegen und ganz anderer Natur sind. [3]

Ich war im Gegenteile immer bestrebt, dem Lande jeden möglichen Vorteil zuzuwenden und habe überall helfend eingegriffen, wo es nur irgend möglich war, von kleinen Lebensmittelzubussen angefangen bis zur Befreiung vom Tode durch den Strang.

Aber die Tatsache allein, dass eine andere Beurteilung meiner Auszeichnung Platz griff, hat mir zusammen mit anderen Erscheinungen schon früher den Gedanken nahegelegt, ob ich noch weiter befähigt sei, das schwere mir obliegende Amt weiter auszuüben.

Die jetzige Zeit erfordert ein Zusammenwirken aller Bürger und daher auch die Unterstützung aller. Der Chef einer Regierung, welcher darauf nicht voll zählen kann, ist nach meinem Dafürhalten in der neuen Zeit nicht mehr an seinem Platz. [4] Nur wer vom Vertrauen aller getragen ist, vermag so schwere Aufgaben zu lösen. Wer das Volk geschlossen hinter sich hat, ist der berufenste und beste Vertreter desselben nicht bloss gegen innen, sondern auch nach aussen und besonders gegenüber den aus freier Wahl hervorgegangenen leitenden Personen der Nachbarstaaten, mit denen enge Fühlung zu nehmen die Not des Tages erheischt, und deren Hilfe uns jetzt besonders nötig werden kann.

Vor allem ist jetzt Ruhe im Lande notwendig. Ich erachte es für meine Pflicht, dazu möglichst beizutragen, indem ich mich dem immer mehr Bahn sich brechenden Wunsche der Bevölkerung, an der Spitze der Verwaltung des Landes ein Landeskind zu sehen, nicht entgegenstelle. Mein Privatinteresse sowie meine Vorliebe für Ihr schönes Land darf nicht mitreden, wenn es sich darum handelt, der Stimmung der Bevölkerung zu entsprechen und das Wohl des Landes zu fördern.

Ich bitte Sie daher um offene Antwort, ob Sie mir das Vertrauen noch entgegenbringen, dessen ich zu einer gedeihlichen Amtswirksamkeit bedarf.

Und wenn Sie selbst diese Frage bejahen sollten, was mir beweisen würde, dass Sie meinen Worten noch Glauben schenken und meine guten Absichten nicht verkennen, so bitte mir weiter offen zu sagen, ob Sie es als allgemeinen Wunsch der von Ihnen vertretenen Bevölkerung und als dem Wohle des Landes förderlich ansehen, dass an meine Stelle jemand trete, der durch die Bande der Staatszugehörigkeit mit Ihnen verknüpft ist.

Auch in letzterem Falle würde ich bereitwillig Seiner Durchlaucht [Johann II.] die Bitte unterbreiten, mich meiner Stellung als Landesverweser zu entheben, und ich zweifle nicht, dass Seine Durchlaucht, die den Wünschen seiner Landeskinder stets gerne Gehör schenkt, dieser Bitte willfahren wird.

Ich würde so meine Amtswirksamkeit im Lande damit beschliessen, der freimütige Vertreter ihrer bezüglichen Wünsche bei unserem Landesfürsten zu sein. Wenn Sie diese Vermittlung in meine Hände legen wollen, möchte ich Ihnen den Vorschlag machen, für die Zeit, bis die Höchste Entschliessung über mein Rücktrittsgesuch als Landesverweser herablangt, mit Rücksicht auf die schon in allernächster Zeit zu treffenden wichtigen Verfügungen eine provisorischen Ausschuss zu bestellen, der aus Vertretern beider Parteien gebildet, den vollen Rückhalt in der Bevölkerung besitzt.

Mögen dessen Arbeiten vom besten Erfolge begleitet sein.

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1] LI LA PA 001/0021/08. Zum Verlauf der Landtagssitzung vgl. LI PA Quaderer, Nachlass Wilhelm Beck, handschriftliches Protokoll der Landtagssitzung vom 7.11.1918; ebd., stenographisches Protokoll der Landtagssitzung vom 7.11.1918; L.Vo., Nr. 46, 15.11.1918, S. 3f. ("Zur Landtagssitzung vom 7. des Monats") Ein offizielles Protokoll existiert nicht.
[2] Titel handschriftlich eingefügt.
[3] Kaiser Karl I. hatte Imhof im September 1918 das Ritterkreuz des kaiserlich österreichischen Leopoldordens verliehen (LI LA SF 01/1918/26, Telegramm k.k. Innenministerium an Imhof, 20.9.1918). Laut einer Mitteilung in L.Vo., Nr. 39, 27.9.1918, S. 2 ("Hohe Auszeichnung"), war der Orden eine Anerkennung für Imhofs Bemühungen um die wirtschaftlichen Beziehungen zu Österreich. In einem Bericht an den Fürsten (LI LA PA 001/0021/08, Imhof an Johann II., 10.11.1918) schrieb Imhof, die Auszeichnung habe ihren Grund "in ganz besonderen Umständen" die er lieber mündlich darlegen möchte. Diese Äusserung gibt zur Vermutung Anlass, die Auszeichnung gehe auf Imhofs Mithilfe bei der Mission der Prinzen Sixtus und Franz Xaver von Bourbon-Parma zurück.
[4] Folgt gestrichen: "Mein persönlicher Einfluss in Wien hat seine Bedeutung fast ganz verloren."