Der Landtag verabschiedet das neue Staatsbürgerschaftsgesetz


Protokoll der öffentlichen Landtagssitzung, gez. Anton Frommelt, Georg Frick und Wilhelm Näscher [1]

14.11.1933

8. Gesetz über Erwerb und Verlust der liechtensteinischen Staatsbürgerschaft

Präsident [Anton Frommelt]: Es ist den Herren Abgeordneten bekannt, dass im Verlaufe dieses Jahres dies und jenes vorgekommen ist und dass sich die ausländische Presse in einer dem Lande sehr abträglichen Weise mit dem liecht. Einbürgerungssistem befasst hat. Die Erwerbung des liecht. Staatsbürgerrechtes ist in diesem Jahre mehr und häufiger vorgekommen als in früheren Jahren. Es war dies auch die Veranlassung, dass dieses neue Gesetz geschaffen wurde. [2] Ich lese das Gesetz in seinem Wortlaute vor und es wird nachher Gelegenheit geboten werden, zu den einzelnen Punkten Stellung zu nehmen.

Nach durchgeführter Lesung geht der Präsident zur zweiten Lesung über.

Dr. [Wilhelm] Beck: beantragt, anstatt des Wortes Staat das Wort „Land" in das Gesetz aufzunehmen, was seitens der Abgeordneten gebilligt wird. Diese Neubezeichnung gilt jedoch nur dort, wo der liechtensteinische Staat im Gesetze gemeint ist.

In § 4 beantragt Dr. Beck, das Wort „einwandfrei" in der letzten Zeile zu streichen, da es keine Bedeutung habe. Desgleichen beantragt Reg. Chef [Josef Hoop] in Art. 4 Abs. 2 lit. für das Wort „dadurch" die Worte „durch die nachfolgende Ehe" einzusetzen.

Im Art. 6 wird im Absatz c) der letzte Satz „ gegen Verfolgung im Falle gemeinen Verbrechens" auf Anregung Dr. Beck’s gestrichen, da sonst die eigenen Behörden in eine Zwickmühle gebracht würden.

In Art. 7 Abs. c) soll das Wort (giltig) auf Anregung Dr. Beck’s gestrichen werden, weil bedeutungslos. Es ist jedoch die mehrheitliche Ansicht des Landtages, einen giltigen Reisepass doch als Bedingung zu machen und das Wort „giltig" soll beibehalten werden.

In Art. 7 und 9 wird auf Antrag Dr. Beck’s für die Worte „gehörig beglaubigte Vollmacht" das Wort „amtlich beglaubigt" eingesetzt.

In § 11 erachtet es Reg. Chef für angezeigt, darüber zu diskutieren, in wie weit man die Beziehungen des Bewerbers zu seinem bisherigen Staate prüfen soll.

Präsident spricht sich für die vorliegende Form aus, da bei einer genauen Festlegung es für den einen Fall vielleicht zuviel und für einen anderen Fall wieder eine unnötige Bindung bedeute.

In § 12 wird der letzte Absatz folgendermassen formuliert: „ ... dem das Recht der Verleihung ausser in Fällen der § 15 ausschliesslich vorbehalten ist".

Präsident: macht darauf aufmerksam, dass die Bestimmungen des Art. 15 denen des Art. 12 widersprechen. Art. 12 sehe das ausschliessliche Verleihungsrecht durch den Fürsten vor, während in Art. 15 bei Wiedereinbürgerungen, die Gemeinde im Einverständnis mit der Regierung die Wiederaufnahme in dem Landesbürgerverband vornehme. Ich bin der Ansicht, dass auch bei Wiedereinbürgerungen der normale Weg, wie ihn Art. 7 vorzeichnet, gegangen werden soll.

In § 14 wird auf Antrag des Reg. Chef das Recht der Abnahme des Landesbürgereides auch auf eigene von der Regierung hiezu bevollmächtigte Amtsstellen ausgedehnt, so dass dann der Art. 14 lautet: "Die Abnahme des Landesbürgereides nach erfolgter Verleihung des Landesbürgerrechtes obliegt der fürstl. Regierung oder einer von ihr besonders bevollmächtigten Amtsstelle. etz."

In Art. 13 gehen die Meinungen bezgl Ausschaltung des Neubürgers vom Nutzen des Gemeindebodens sehr auseinander. Es kommt letztendlich zur Abstimmung über folgende Vorschläge:

1. Vorschlag der Finanzkommission, wie er im Entwurf ist

2. Vorschlag Dr. Beck & Präsident, der lautet: Ansprüche auf besondere Bürgernutzungen.

3. Vorschlag [Philipp] Elkuch: Anspruch auf Nutzungen und Erlös aus Gemeindegut.

Der Antrag Elkuchs wird angenommen.

In Art. 15 wird auf Antrag Dr. Beck’s der letzte Absatz des Entwurfes durch folgenden ersetzt. "Es sind die §§ 7 lit. a bis und mit f und Art. 13 entsprechend anzuwenden", so dass also auch die Wiedereingebürgerten von den Nutzungen und dem Erlös aus Gemeindegut ausgeschlossen sind.

Dr. Beck: Ich möchte die Regierung einladen, uns ein Gemeindegesetz vorzulegen, das die Trennung der politischen und der Bürgergemeinde vorsieht. Es wäre dann vieles klarer und auch die Textierung in anderen Gesetzen viel leichter.

Elkuch: stellt den Antrag, dass die Einbürgerungsgesuche nicht im öffentlichen Landtag, sondern nur im Konferenzzimmer behandelt werden sollen, und dass dies im Gesetze genau umschrieben wird.

Die Abstimmung ergibt 2 Stimmen für diesen Antrag, womit er fällt.

Präsident: stellt den Antrag, Art. 15, der ein Widerspruch zu Art. 12 sei, so abzuändern, dass lediglich nur die „unentgeltliche Aufnahme" zum Gegenstande genommen werde. In der bestehenden Fassung sei es ein krasser Widerspruch zu Art. 12.

Dieser Antrag fällt, da sich 10 Abgeordnete für Belassung in dieser Form aussprechen.

Dr. Beck: Es sollte eine Bestimmung aufgenommen werden, dass bei freiwilligem Verzicht eines Landesbürgers auf das Bürgerrecht die Kinder desselben auf Verlangen liecht. Landesbürger bleiben können. Der Vater muss manchmal aus beruflichen Gründen auf das liecht. Bürgerrecht verzichten und sollten denn doch seine Kinder diese Begünstigung haben.

Präsident: weist jedoch darauf hin, dass § 15 leichte Wiedereinbürgerungsbedingungen vorsehe und es ist die Intention aller an diesem Gesetze mitberatenden Körperschaften, möglichst fern zu halten, was geht.

Die Abstimmung über den Antrag Dr. Beck ergibt keine Stimme dafür.

Elkuch: regt eine Befristung der Giltigkeitsdauer der Heimatscheine an. Es wird ihm bedeutet, dass eine bezügliche Vorlage bereits ausgearbeitet sei.

Dr. Beck: Warum soll diese Gesetz dringlich erklärt werden?

Präsident: klärt auf, das einzelne Gemeinden bezw. Bürgerrechtswerber darauf drängen. Ich sehe jedoch kein Notwendigkeit, dass es dringlich erklärt wird. Auch Abg. Risch Frd. [Ferdinand] vertritt diese Ansicht, dass man dem Volke Gelegenheit geben müsse, zur Sache Stellung zu nehmen.

Elkuch spricht für dringliche Erklärung.

Reg. Chef: Wir legen keinen Wert darauf, das Gesetz dringlich zu erklären. Es ist wohl ein dringender Fall in Schellenberg. Ich würde es für einen Schönheitsfehler des Gesetzes ansehen, wenn die Dringlichkeitsklausel angehängt wird.

Die Dringlichkeitsklausel wird mehrheitlich abgelehnt und das Gesetz mit den vorgenommen Änderungen einstimmig beschlossen.

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[1] LI LA LTP 1933/131. 
[2] Siehe das Gesetz vom 4. Jänner 1934 über den Erwerb und Verlust des Landesbürgerrechtes, LGBl. 1934 Nr. 1.  Das Gesetz entstand infolge der steigenden Zahl von Finanzeinbürgerungen, der Rotter-Entführung und des Drucks des Deutschen Reiches. Regierungschef Dr. Josef Hoop musste an der Konferenz vom 6. Oktober 1933 in Berlin zugestehen, dass im Rahmen der Revision der Einbürgerungsgesetzgebung vor allem ein mehrjähriger Aufenthalt in Liechtenstein Voraussetzung für die Einbürgerung sein sollte. § 6 Bst. d des genannten Gesetzes sah dann in der Tat die dreijährige Wohnsitznahme als Voraussetzung für die Einbürgerung vor, gleichzeitig konnte von dieser Erfordernis "ausnahmsweise" abgesehen werden, was dann künftig ohne Ausnahme geschah.