Der Landtag verabschiedet das Ermächtigungsgesetz


Protokoll der öffentlichen Landtagssitzung, gez. Schriftführer Georg Frick, Schriftführer Wilhelm Näscher und Landtagspräsident Anton Frommelt [1]

29.5.1933

Präsident: Wir kommen zur Fortsetzung des Traktandums der letzten Sitzung. Es ist ein neuer Punkt auf die Tagesordnung genommen worden, der bereits in der Konferenz vorbesprochen worden ist. [2] Ich möchte den Hr. Reg.Chef [Josef Hoop] ersuchen, die Vorlage dem Landtage vorzulegen.

Reg.Chef: Es handelt sich hier um ein neues Gesetz und zwar um ein Ermächtigungsgesetz der Regierung, [3] womit der Regierung besondere Vollmachten erteilt werden. Die Gründe, die zur Erlassung dieses Gesetzes geführt haben, sind folgende. [4] Jede Gesetzgebung weist gewisse Lücken auf, die in unerwarteten und dringenden Lagen nicht rasch genug ausgefüllt werden können. Diese Tatsache, die seit Beginn des Weltkrieges in den meisten Staaten einem sogenannten Notrechte gerufen hat, gilt im besonderen für unser Land, dessen Gesetzgebung in vielen Fällen sehr wenig ausgebaut ist. Mit diesem Schritte steht Liechtenstein somit nicht vereinzelt da. Aus der jüngsten Zeit sind bei uns namentlich die Notverordnungen der Schweiz, der Deutschen Reichs- und der österr. Bundesregierung bekannt geworden. Es ist wohl zu verstehen, dass unter Regierung eben das Regierungskollegium zu verstehen ist. Ich möchte weiters auch noch beifügen, dass solche Massnahmen erst ergriffen werden, nachdem die Regierung die erforderlichen Vollzugsverordnungen herausgegeben haben wird. Die Auswirkungen können wir nicht bis in alle Einzelheiten festlegen, aber im grossen und ganzen ist folgendes zu erwähnen. Die Aufrechterhaltung von Ruhe und Ordnung im Staate ist etwas ganz selbstverständliches und ist gerade in Liechtenstein eine Notwendigkeit, dass nicht weiters darüber gesprochen werden muss. Man könnte darunter verstehen, Demonstrationen, die Unordnung und Störungen der Ruhe bringen würden. Auf Grund dieses Gesetzes hätte nun die Regierung die Möglichkeit, solche zu verbieten bezw. in geeigneten Bahnen zu halten. Die erste Auswirkung wird sich zeigen auf die Presse. Die Regierung ist nicht gesonnen, sich weiter in der gemeinsten Art verdächtigen zu lassen, wie dies schon durch Jahre hindurch geschehen ist. Es liegt uns fern, die Kritik zu unterbinden, aber nur eine solche Kritik hat Berechtigung, die aufbauend und verbessernd wirkt, die das Wohl des Staates im Auge hat, nicht aber jene, die zum Zwecke hat, den Behörden Schwierigkeiten zu bereiten. Ich kann hiebei auf ein Gerücht hinweisen, das letzthin verbreitet worden ist, nämlich dass bei der Sparkasse wieder Beträge fehlen, die grösser seien als anno 1928. Man hat den Namen eines Beamten der Sparkasse genannt, der begreiflicherweise sehr an der Ehre angegriffen worden ist. Als man dann die Verbreiter dieses Gerüchtes zur Rechenschaft zog, nahmen sie alle Äusserungen restlos zurück, wiesen aber nicht mit Unrecht auf die Zeitungen hin, wo man zwischen den Zeilen dauernd lesen könne, dass gestohlen werde, wie sie sagten. Eine solche Presse ist nicht ernst zu nehmen und hat aber auch keine Existenzberechtigung. Desgleichen zielt auch ein Teil auf die Trübung unserer Beziehungen mit der Schweiz hin. Schon vor 2 Jahren haben Liechtensteiner, die damals schon als Verbrecher am Lande bezeichnet worden sind, inländische Firmen derart im Auslande heruntergemacht, dass es im Auslande Aufsehen erregen musste. Es ist die übereinstimmende Meinung des Volkes, mit aller Strenge gegen solche Elemente vorzugehen. Ich darf vorweg dem Einwand, wir alle seien alles gleich gute Liechtensteiner, entgegnen, dass dem nicht so ist und ein letzthin in Triesen geschehener Vorfall bestätigt dies. Dort hat in jüngster Zeit ein junger Bursche, der sattsam bekannt ist, als das Volk zur Treue zu Gott, Fürst und Vaterland aufgefordert wurde, pfui gerufen. Gegen solche vaterlandslose Elemente vorzugehen, darf uns in der heutigen Zeit nicht verargt werden. Ein anderer, Redakteur einer Zeitung, hat sich beim Absingen der Volkshymne ostentativ davon gemacht. Ich darf hiebei auch darauf hinweisen, dass inländische Unternehmen, die bemüht sind, unserer Arbeiterschaft Verdienst und Brot zu geben, derart in der Presse angegriffen worden sind, dass die Weiterexistenz in Frage gestanden ist. Sie waren willens, ihre Arbeiten einzustellen und man musste sie bitten, hievon Umgang zu nehmen. Eine solche Schreibweise ist nicht geeignet, ausländische Unternehmen und Industrien ins Land zu bringen. Wenn sich die Arbeiterschaft von solchen Führern nicht loszureissen vermag, ist es Pflicht der Behörden, hier fruchtbringend einzugreifen. Wir wollen absolut nicht etwa die Demokratie beschneiden und beseitigen, das liegt uns fern. Aber die Aufrechterhaltung der Ordnung, Disziplin und der Ruhe im Lande ist Pflicht der Behörden. Die Volksrechte, die in der Verfassung verankert sind, bleiben aufrecht. Wenn es der Bevölkerung nicht passt, so hat es Gelegenheit, einen anderen Landtag und eine andere Regierung zu wählen. Das wird nicht unterbunden werden. Solange wir aber gewählt sind und die Verantwortung tragen müssen, müssen wir auch Mittel anwenden, die dem Wohle des Landes förderlich sind. Ich erwähne nochmals, es liegt uns vollständig fern, die Kritik zu unterbinden, aber sie muss sich in Bahnen halten, die zweckmässig und gerechtfertigt ist und nicht mit Lügen, Entstellungen und gemeinen Verdächtigungen operieren. Wir haben ein Blättchen schon wiederholt klagen müssen [5] und es ist wohl das beste Mittel mit schärferen Massnahmen einzugreifen, wenn sich die Leute nicht belehren lassen wollen.

Präsident: Ich danke dem Herrn Reg. Chef für die Orientierung und ich glaube, dass es die allgemeine Ansicht im Volke ist, wenigstens des grössten Teiles, der es ehrlich meint mit der Ordnung und dem Fortkommen des Landes, dass diese Massnahme erforderlich ist. Wie können sich die Regierung, der Landtag und verantwortliche Persönlichkeiten so etwas bieten lassen, ohne dass sie mit allen Mitteln dagegen aufstehen. Die Mittel, die zur Verfügung stehen, sind leider etwas beschränkt und deshalb ist es notwendig, dass der Landtag der Regierung das notwendige Recht zuerkannt. Gerade aus der allgemeinen Auffassung des Volkes ergibt sich die Notwendigkeit, dass etwas geschehen muss gegen Entstellungen, Verdächtigungen und Herabwürdigungen von Behörden und gegen Kritik nur der Verunglimpfung willen. Ich möchte daher empfehlen, die Sache anzunehmen. Wo es Regierung heisst im Gesetze, ist natürlich darunter das Regierungskollegium zu verstehen. Es ist also nicht eine persönliche Machtgabe an ein einzelnes Mitglied.

Risch Ferdi: Ich halte ein derartiges Gesetz für absolut notwendig. Immer und immer wieder konnte man schon seit langem in unserem Lande hören, dass in dieser Hinsicht etwas geschehen müsse. Wo es doch bekannt ist, dass grosse Persönlichkeiten grosses Interesse daran haben, dem Lande die Einnahmen zu untergraben und zu allem Überfluss noch solche, die die Hauptschuld an den heutigen Schulden des Staates tragen, ist eine solche Massnahme gerechtfertigt. Wenn man weiter in Erwägung zieht, wie letzthin die Arbeiterzeitung gegen Firmen losgezogen ist, die schon durch mehr denn ein Menschenalter hier tätig gewesen sind, wie z.B. über Jenny Spörry, die Lotterie und Ing. [Hermann] Bauer in Mühleholz. In allerletzter Zeit ist auch die seriöse Firma Gebr. Hilty angegriffen worden in einer Art, die sich nicht gebührt. Dieselbe hat schon viele Arbeiten im Auslande gemacht, ist aber noch nirgends so angegriffen worden wie im Inlande. Die Firma Ramco A.G. in Schaan wurde ebenfalls angegriffen, obwohl sie an die 200 Arbeitskräfte beschäftigt. Mir ist auch bekannt, dass ein weiteres Unternehmen mit 80–100 Arbeiter hieher kommen wollte, dass sie dann aber zufolge des kommunistischen Tones der Arbeiterzeitung fern geblieben sind. Die Schreiber bekümmern sich eben nicht um die Arbeiter und ihre Familien, sonst müsste es ihnen zum Bewusstsein kommen, dass sie nur schaden. Ich möchte wünschen und beantragen, dass dieses Gesetz im Interesse und zum Wohle des Landes angenommen wird. Dafür muss sich jeder Abgeordnete entschliessen können. 

[Basil] Vogt: Gehen die Vollmachten der Regierung so weit, dass auch der Zollvertrag gekündigt werden kann?

Präsident: In der allerweitesten Auffassung geht der Wortlaut so weit, dass darunter so etwas verstanden werden könnte. Ich glaube aber nicht, dass die Regierung etwas derartig Einschneidendes und ein solch umbauendes Verhältnis von sich aus verantworten zu können glaubt und wird. Die Verantwortung wird sie binden, derartig schwerwiegende Änderungen im Einverständnis mit anderen Körperschaften zu beschliessen.

Reg. Chef: Keinesfalls, es ist niemals daran zu denken, dass diese Vollmachten derartig ausgenützt werden. Es wird ihr niemals einfallen, Massnahmen zu ergreifen, von denen sie auch nur die Vermutung hätte, sie könnten vom Landtage nicht vollkommen gebilligt werden. Bei jeder wichtigen Sache würde sich die Regierung mit dem Landtag in Verbindung setzen. Solche Entscheidungen jedoch von solcher Tragweite wird die Regierung und kann sie niemals von sich aus treffen. Vorläufig dürfte sich, wie schon gesagt, dieses Gesetz auf die Presse auswirken, aber dort werden wir nicht vor den schärfsten Massnahmen zurückschrecken. Wir werden solche Anpflegelungen nicht mehr weiters akzeptieren. Es wurde in der Arbeiterzeitung von Millionenschwindeln geschrieben und als wir sie klagten, rechtfertigte sich der Redakteur [Hugo Kindle], dass er darunter den Kastanienhandel Dr. [Wilhelm] Beck's, [6] die Briefmarkengeschichte, [7] den Sparkasseskandal und nicht zuletzt noch die Armellapauschalierung [8] gemeint habe. Man kann uns nicht zumuten, eine solche Komödie weiter zu dulden. Er schreibt heute noch irrsinnig drauflos, was ihnen einfällt und so müssen sie gewärtigen, dass Massnahmen ergriffen werden. – Ich erinnere auch an die L. Nachrichten, die vor ein paar Tagen der Regierung Korruption vorgeworfen haben. Wir haben sie geklagt und wohlan, wir stehen zur Verfügung. In einer anderen Nummer haben sie dann die Sache wieder widerrufen und sie hätten es nicht so gemeint. [9] Eine ernste Presse, die daseinsberechtigt sein will, soll sich bewusst sein, dass man nicht nur grundlos solche Vorwürfe erheben kann.

Vogt Basil: Kann die Regierung auch Sondergerichte einführen?

Reg. Chef: Nein, die Richter werden gewählt vom Landtage und er wird sie auch weiter wählen. Der erste Zweck dieser Massnahmen wird sein, die Presse in jene Rahmen zurückzuschrauben, wie in anderen Staaten.

Vogt: Ich glaube, die Sache ist zu straff, man sieht zu schwarz. Zum mindesten sollte das Gesetz zum Referendum ausgeschrieben werden.

Präsident: Mir erscheint es sehr notwendig, dass rasch eingegriffen wird. Durch die lange Duldung ist vieles, was zur Frechheit geworden ist, grossgewachsen. Ich bin nicht dafür, dass diese ernste Sache auf die lange Bank geschoben wird. Wenn ja unangenehme Erfahrungen gemacht werden sollten, so hat der Landtag jederzeit das Recht, dieses Gesetz ausser Kraft zu setzen. Es ist aber nicht mehr zu früh, ein derartiges Gesetz zu schaffen. Vom Grossteil des Volkes wird es begrüsst. Durch gesetzliche Duldungen dieser Unkorrektheiten lässt man einen Zustand aufkommen, der unverantwortlich ist.

Risch Ferdi: Bei rechtschaffenen Leuten ist es schon lange der ersehnte Wunsch, ein solches Gesetz zu schaffen. Gegen diese unverschämte Schreibweise muss einmal vorgegangen werden können. Es ist höchste Zeit. Hauptsächlich erfolgt sie von solchen Leuten, die schon einmal das Land an den Rand des Abgrundes gebracht haben.

[Emil] Batliner: Wir kommen mit diesem Gesetz nur so hintennach. Alle umliegenden Staaten haben so etwas schon längst, wie die Schweiz, Italien, Österreich und Deutschland. Der Zweck ist ja auch nur die Aufrechterhaltung der Ruhe und Ordnung und Wahrung der vitalsten Interessen des Staates. Das kann nur begrüsst werden. Ich bin dafür, dass die Sache sofort in Kraft gesetzt wird.

Vogt: Ich bin auch für Ruhe und Ordnung, ich bin aber der Auffassung, dass diese Vollmachten doch zu weit gehen.

Präsident: Vorläufig ist es notwendig, der Regierung Unterlagen zu geben, erforderliche Verordnungen zu erlassen. Eine Umgrenzung der einzelnen Fälle lässt sich nicht gut machen. Mir ist die feierliche Erklärung der Regierung dem Landtage gegenüber Beruhigung genug. Ich mute doch den Herren Abgeordneten soviel Mut und Energie zu, dass sie ohne weiters da und dort im Bedarfsfalle zu bremsen vermögen. Ich befürchte überhaupt keinen Missgriff und besonders, da die Regierung ausdrücklich erklärt, dass sich zu ergreifende Massnahmen vorläufig nur gegen die Presse richten. Ein Hinausziehen dieses Gesetzes halte ich nur für nachteilig. Wenn es jetzt erlassen und man dann noch einige Freiwochen geben würde, dann würde noch ausgetobt werden. Ein zu weitgehen, wie Vogt meint, scheint mir nicht gegeben, vielleicht könnte er seine Auffassung noch klarlegen.

Vogt: Es heisst ausdrücklich „Vornahme aller Massnahmen". Vor einem Jahr hat das Volk das Pressegesetz verworfen und heute kommt etwas noch Schlimmeres. Das ist noch mehr als ein Maulkrattengesetz.

Risch Ferdi: Ich muss noch darauf hinweisen, dass in anderen Staaten die gleichen Gesetze geschaffen worden sind. Dort sind die Gegner die Kommunisten gewesen. Es ist auch bei uns notwendig, dass dieses Gesetz geschaffen wird und zwar möglichst rasch.

Risch B. [Bernhard]: Zur Befürchtung des Abg. Vogt möchte ich noch bemerken, dass mancher, der damals gegen das Pressegesetz gewesen ist, es nachher begrüsst hat, dass etwas geschaffen wird. In weiten Kreisen des Volkes ist man der Ansicht, dass man solchen Auswürfen entschieden entgegentreten muss. Ich wünsche und erwarte, dass sich alle Abgeordneten für die Annahme dieses Gesetzes einsetzen. Die Regierung muss etwas in der Hand haben, um all die Ausschreitungen wirksam zu bekämpfen.

[Franz Xaver] Hoop: Es ist nur zu bewundern, welche Geduld bisher die Behörden aufgebracht haben und wenn ein Tadel ausgesprochen werden könnte, so ist es nur der eine, dass man ein solches Gesetz nicht früher schon gemacht hat. Diese Vollmachten hätte man der Regierung schon lange geben sollen.

[Franz Josef] Marxer: weist auf die bösartige Schreibweise hin, so dass sogar Unternehmungen deshalb nicht in unser Land gekommen sind. Er begrüsst die Schaffung dieses Gesetzes sehr und empfiehlt die Dringlichkeitsklausel beizubehalten.

Reg.Chef: Ich kann dem Abg. Vogt sagen, dass sich der Text dieses Gesetzes neben die demokratischten Länder stellen darf. Er braucht keine Befürchtung zu haben, dass die Rechte des Bürgers zu sehr beschnitten werden. Was die Presse betrifft, kann ich ihm die Grundlinien nennen, welche das Eingreifen der Polizei rechtfertigen. Druckschriften sollen verboten werden können, wenn in ihnen zum Ungehorsam gegen Gesetze oder rechtsgiltige Verordnungen oder Anordnungen der verfassungsmässigen Regierung aufgefordert und angereizt wird, wenn in ihnen zu Gewalttätigkeiten aufgefordert oder angereizt wird und Gewalttätigkeiten gebilligt werden und wenn in ihnen offensichtlich unrichtige Nachrichten enthalten sind, deren Verbreitung geeignet ist, lebenswichtige Interessen des Staates zu gefährden. Wenn eine Presse solche Sachen macht, ist es nicht mehr als recht und billig, wenn sie gemassregelt wird.

Vogt: Wir haben doch heute schon ein Gericht für solche Sachen?

Präsident: Das Gericht ist bei der heutigen Arbeitsüberhäufung nicht in der Lage, sofort einzugreifen. Derartige Fälle erheischen aber ein sofortiges Eingreifen. Ein Klagen und langes Durchziehen durch verschiedene Gerichtsinstanzen ist nicht die wirksamste Abhilfe für solche Unfuge. Auch dem Gerichte müssten solche Befugnisse zum raschen Eingreifen etz. gegeben werden. Der Gerichtsvollzug bleibt jederzeit offen neben dieser Bestimmung. Gericht und Regierung werden dadurch nicht etwa vermischt. Das Gericht wird auch inskünftig gegebene Klagen erledigen. Gerade die langwierige Behandlung bei Gericht spricht für solche Massnahmen. Ich bin nicht gegen das Gericht, aber ich möchte eine derartige Vollmacht an die Regierung empfehlen.

Reg.Chef: Übrigens machen wir mit diesem Gesetz nichts anderes, als was auf der ganzen Welt schon ist. In der Schweiz werden Zeitungen verboten, beschlagnahmt und dergl. und bei uns schreit man Zettermordio, wenn man etwas ähnliches will.

Vogt: Dann ist meine Anfrage doch gerechtfertigt, wenn neben dem Landgericht noch ein Gericht besteht.

Reg. Chef: Die Zeitungen, die beschlagnahmt werden, können beim Landgerichte klagen und es wird entscheiden, ob sie zu Unrecht erfolgt ist.

Hoop: Ich möchte die Abstimmung beantragen, die Sache ist ziemlich erläutert.

Risch Ferd.: Meine Ansicht ist, dass dadurch auch die Vermittlerämter, das Gericht und auch die Advokaten weniger Arbeit bekommen, da vieles unterbleiben wird. Und die Advokaten müssen sich halt ein bisschen einschränken, wenn sie ohne dies nicht mehr leben können.

Präsident: Ich betone nochmals, dass unter Regierung immer das Regierungskollegium vermeint ist und dass es nicht etwa eine persönliche Machtbefugnis bedeutet.

Vogt: Ich möchte doch noch darin haben, dass die Regierung in aussenpolitischen Sachen nichts zu tun hat und dass sie nicht den Zollvertrag künden kann. Dass möchte ich festgelegt haben im Gesetze.

Reg. Chef: Ich hoffe, dass es dem Landtage genügt, wenn ich die feierliche Erklärung nochmals abgebe, dass wir auch nie nur daran denken, den Zollvertrag auf Grund dieses Gesetzes zu künden. Daran denkt überhaupt niemand. Ich kann feierlich namens des Kollegiums erklären, dass das niemals geschehen wird.

Vogt: Es ist die Äusserung gefallen, dass die Regierung den Zollvertrag kündigen könnte.

Präsident: Ich habe wie gesagt, bei äusserster Auslegung des Wortlautes diese Möglichkeit offen gelassen. Das Gesetz wird aber durch die notwendigen Verordnungen begrenzt und korrigiert und der Landtag wird Gelegenheit haben, zu jeder Verordnung Stellung zu nehmen. Die Ausführungen des Herrn Abg. Vogt sind nicht gerechtfertigt. Die Diskussion dürfte soviel Licht gebracht haben, eine solche Befürchtung zu zerstreuen.

Risch Ferd.: Ich möchte den Abg. Hoop unterstützen, das Gesetz mit diesem Wortlaut anzunehmen.

Vogt: Die Kündigung der Zollvertrages könnte mit der Klassenlotterie im Zusammenhang stehen. [10] Es könnte das eine oder andere auf die Wagschale gelegt werden.

Präsident: Es werden in der Zukunft noch schwerwiegende Fragen zu lösen sein, das möchte ich nicht abstreiten.

Hoop: Vielleicht könnte Herr Reg. Chef Auskunft geben, wie früher Herren Sachen auf die Wagschale gelegt haben und wie die Sache mit der Lotterie in die Zeitungen gekommen ist. Es hat geheissen, entweder den Zollvertrag kündigen oder die Lotterie müsse fort.

Vogt: Ich möchte die Sache sachlich behandelt haben, nicht persönlich.

Präsident: Es ist keinem Abgeordneten benommen, Stellung zu nehmen. Das freie Wort darf nicht unterbunden werden, selbst dann nicht, wenn es das eine oder andere Unangenehme in sich hätte.

[Philipp] Elkuch: Ich möchte ersuchen, dass man abstimmt.

Das Gesetz wird vom Landtage mit Ausnahme des Abg. Vogt einstimmig angenommen.

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[1] LI LA LTP 1933/069.
[2] LI LA LTP 1933/067 (a).
[3] Gesetz vom 30. Mai 1933 betreffend die Erteilung besonderer Vollmachten an die Regierung, LGBl. 1933 Nr. 8.
[4] Vgl. zum Folgenden auch den "Motivenbericht" der Regierung an den Landtag (LI LA RF 134/105/003, 004).
[5] Gemeint ist die "Arbeiterzeitung". Zu den Klagen der Regierung gegen die "Arbeiterzeitung" und deren Redaktor Hugo Kindle vgl. LI LA RF 130/200, LI LA J 007/S 065/272, LI LA J 007/S 066/007, LI LA J 007/S 066/075.
[6] Wilhelm Beck wurde der Vorwurf gemacht, dass er als Mitglied der Notstandskommission im Rahmen der Lebensmittelbeschaffung nach dem Ersten Weltkrieg den Ankauf von Kastanien zu einem überhöhten Preis veranlasst und dabei auch selbst noch Gewinne erzielt habe.
[7] Angesprochen ist die "Briefmarkenaffäre" von 1921/1922. Die Regierung schloss 1919 einen Vertrag mit einem liechtensteinisch-österreichischen Konsortium unter der Führung von Gustav von Flesch-Bruningen, in dem diesem der Briefmarkenverkauf überlassen wurde. Da sich die versprochenen Gewinne nicht einstellten, kam es zu heftigen politischen Auseinandersetzungen, der Einsetzung einer Untersuchungskommission und schliesslich zur Auflösung des Vertrags.
[8] Der 1932 verstorbene Neubürger Emilio Sternberg de Armella hinterliess angeblich ein enormes Vermögen. Seine Erben bezahlten jedoch aufgrund eines Abkommens nur einen geringen Pauschalbetrag an Erbschaftssteuer, was von der Opposition heftig kritisiert wurde (vgl. z.B. L.Na., Nr. 132, 17.11.1932, S. 2 ("'Eingesandt' aus Vaduz")).
[9] Gemeint sind L.Na., Nr. 57, 18.5.1933, S. 1 ("Die Flucht ins Nationale") und Nr. 60, 27.5.1933, S. 1 ("Feststellung der Redaktion"). Zur Klage der Regierung vgl. LI LA RF 134/008 und LI LA J 007/S 066/119.
[10] Die Schweiz verlangte die Übernahme der schweizerischen Lotteriegesetzgebung durch Liechtenstein per 1.1.1934. Dies war gleichbedeutend mit einem Verbot der Mutualclub-Lotterie, weshalb sich Regierung und Landtag zunächst gegen die Übernahme aussprachen (LI LA LTP 1933/067 (b), LI LA LTP 1933/110). Da die Schweiz mit der Kündigung des Zollvertrags drohte, gab Liechtenstein jedoch schliesslich nach und übernahm mit Landtagsbeschluss vom 28.12.1933 die schweizerische Lotteriegesetzgebung (LI LA LTP 1933/138).