Die Heimattreue Vereinigung setzt sich ein für die Schaffung eines Staatsschutzgesetzes


Gedächtnisprotokoll vom 18.3.1939, gez. Hans Gassner [1]

26.1.-17.2.1939, Triesenberg

Gedächtnisprotokoll

über die Sitzungen des zum Zwecke der Vorbereitung einer Gesetzesvorlage zum Schutze des Staates gewählten Ausschusses.

  1. Am 26. Jänner abends wurde die Kommission bestehend aus den Herren: Reg. Rat Alois Schädler, Gustav Biedermann, E. [Emanuel] Konrad, Meier in Nendeln, Gustav Ospelt, Abgeordneter Franz Hoop & Gassner Hans gewählt. [2]
  2. Am 28.1.39 nachmittags fand die erste Sitzung im Café Real in Vaduz statt. Anwesend waren alle Mitglieder. Hier wurde der erste Entwurf bereinigt. [3] Allgemein war man der Meinung, dass hiezu auch Juristen beigezogen werden sollten. Ein Versuch bei den Herren Rechtsanwälten Dr. L. [Ludwig] Marxer und Dr. Alois Ritter, sie zur Besprechung zu gewinnen, scheiterte. Über persönliche Vorsprache der Herren Reg. Rat A. Schädler und Gassner Hans bei Dr. Ritter legte dieser uns nahe, den ersten Entwurf noch [durch] passende Bestimmungen aus dem schweizerischen analogen Gesetze zu ergänzen. Nachdem aber der Text des schweiz. Gesetzes trotz verschiedener Bemühungen gleichen Tages nicht beigeschafft werden konnte, beschloss die Kommission, am 31.1. wieder im Adler in Vaduz zusammenzukommen und die erste Vorlage dann zu ergänzen durch passende Bestimmungen des Schweizerischen Gesetzes zum Schutze der Demokratie. [4]
  3. Am 31.1.39 vormittags traf die Kommission zur Ergänzung der Vorlage wieder im Adler zusammen. Es wurden dann noch einzelne passende Bestimmungen aus dem schweiz. Gesetze übernommen, um dem Gesetze auch in der Schweizer Presse Sympathie zu verschaffen. Nach Bereinigung der Vorlage wurde dieselbe mittags vor 12 Uhr bei der Regierung mit einem Begleitschreiben überreicht. [5] Unsere Anregung, dass solche Leute, die unter dem Deckmantel des wirtschaftlichen Anschlusses Liechtensteins ans Deutsche Reich gegen unsere Bestrebungen der Erhaltung der Heimat segeln, ebenfalls unter die Strafbestimmungen des Gesetzes fallen sollen, rief bei der Regierung insofern Bedenken auf, als dort die Meinung vertreten wurde, dass der bestehende Zollvertrag mit der Schweiz nicht gut unter Staatsschutz gestellt werden könne. Es würde dies dem Lande bei Verhandlungen mit der Schweiz nachteilig sein. Mehrheitlich wurde unsererseits diese Ansicht nicht geteilt. Immerhin versprach man uns dort, der Gesetzesvorlage eine aufrechte Behandlung angedeihen zu lassen.
  4. Am 12.2.39 sprach die Kommission in der Wohnung des Hw. [Hochwürdigen] Herrn Landtagspräsidenten [Anton] Frommelt vor, um ihm die Gründe unserer Bestrebungen mit der Vorlage auseinanderzulegen. Dort wurde unser Vorhaben vollauf gebilligt und uns seine wärmste Befürwortung zugesagt. Immerhin empfahl er uns noch, uns mit den bestehenden Parteien in Verbindung zu setzen, damit wir genau Kenntnis von der Stellung dieser zur Vorlage haben. Nach dessen Ansicht könnte das Gesetz nur dann der Volksabstimmung unterworfen werden, wenn beide Parteien vorbehaltlos sich für diese Sache stellen und hiefür sich hergeben. Zu diesem Zwecke riet er uns die Fühlungnahme in diesem Sinn mit den Parteien an.
    Nachdem jenen Tages die Leitung der Bürgerpartei im Engel in Vaduz zugegen war, beschlossen wir, dort vorzusprechen und um die Stellungnahme zur Vorlage zu bitten. Wir wurden denn auch zugelassen und Gassner Hans referierte einlässlich über die Gründe unseres Vorgehens und unsere bisan gepflogenen Beratungen über die Vorlage. Seiten der Leitung der Bürgerpartei wurde unsere Arbeit für die Erhaltung der Heimat bestens verdankt und vorbehaltloses Eintreten seitens der Partei und Presse zugesagt. Damit waren wir befriedigt.
  5. Auf schriftliches Ersuchen bei der Leitung der Vaterländischen Union hatten wir mit einer Kommission des Ausschusses, bestehend aus den Herren Dr. Alois Ritter, Dr. A. [Alois] Vogt & Gottfried Hilti am 17.2. im Hotel Adler abends eine Besprechung. [6] Eine Unterstützung wurde uns zugesagt. Dr. [Otto] Schädler war infolge beruflicher Beanspruchung zur Sitzung nicht erschienen. Die Bedenken, gegen die Leute vorzugehen, die den Wirtschaftsanschluss mit Deutschland wollen, tauchten wieder auf und Dr. Vogt vertrat die Meinung, dass, falls dies unter Strafe gestellt würde, der Landtag sich auch straffällig machen würde, wenn er einmal ernstlich über diese Neuorientierung eines Anschlusses an den westlichen Nachbarn diskutieren würde. Mit Gottfried Hilti entwickelte sich eine rege Diskussion über das ganze Problem. Seinerseits wurde besonders betont, dass jeder Artikel genau interpretiert werden müsste, um eine einseitige Anwendung des Gesetzes vermeiden zu können. Es wurde uns dann schliesslich erklärt, dass beide Parteileitungen noch gegenseit miteinander das Gesetz beraten und hiezu Stellung nehmen werden, damit im Landtage eine Klarheit geschaffen sei. Diese Stellungnahme aber und Aussprache ist, soweit wir Kenntnis haben, nicht erfolgt und auch kein bezüglicher Antrag an den Landtag ergangen. Hier ist die Gesetzesvorlage stecken geblieben.
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[1] LI LA RF 190/196/015-017.
[2] LI LA RF 190/196/011-012.
[3] Es sind zahlreiche undatierte Entwürfe erhalten, vgl. LI LA RF 190/196/019, 020-021, 024-025, 026-027; LI LA RF 190/095/016. Vgl. auch LI LA RF 190/196/023 (Entwurf eines "Initiativbegehrens betr. Schaffung eines Gesetzes zum Schutze des Staates").
[4] Gemeint ist der Bundesratsbeschluss vom 5. Dez. 1938 betr. Massnahmen gegen staatsgefährliche Umtriebe und zum Schutze der Demokratie (AS, 1938, Bd. 54, S. 856-858). Ein Exemplar dieses Beschlusses in LI LA RF 190/196/022.
[5] Das Begleitschreiben in LI LA RF 190/196/013.
[6] Vgl. LI LA RF 190/196/014 (Schreiben Gassners vom 2.2.1939 an Otto Schädler).