Der Landtag nimmt den Rücktritt der Regierung Hoop zur Kenntnis


Protokoll der öffentlichen Landtagssitzung, gez. Landtagspräsident David Strub, Schriftführer Florian Kindle und Schriftführer Fidel Brunhart [1]

20.7.1945

Landtagspräsident [David] Strub. Wir schreiten nun zur Tagesordnung. Als Punkt 1) figuriert die Wahl der Regierungsräte und ihrer Stellvertreter. Ich halte es für gut, wenn diese Wahlen in zwei separaten Wahlgängen erfolgen. Im ersten Wahlgang sind also die Regierungsräte zu bezeichnen und im zweiten dann ihre Stellvertreter.

Zu Regierungsräten werden gewählt:

Pfarrer [Anton] Frommelt mit 15 Stimmen,

Joh. [Johann] Georg Hasler mit 15 Stimmen.

Als Stellvertreter der Regierungsräte werden gewählt:

Jakob Schurte, Triesen mit 15 Stimmen und

Konrad Wohlwend, Schellenberg mit 15 Stimmen.

Regierungschef Dr. [Josef] Hoop ersucht ihm das Wort zu erteilen und führt aus:

Die auf der Tagesordnung der heutigen Landtagssitzung stehenden Neuwahlen der Regierungsräte haben auch den Chef und den Stellvertreter des Chefs [Alois Vogt] der fürstlichen Regierung veranlasst, ihr Weiterverbleiben im Amte einer Prüfung zu unterziehen. Sie sind dabei zur Überzeugung gelangt, dass die Meisterung der schweren Nachkriegsprobleme durch die Regierung an Voraussetzungen geknüpft ist, die bei der gegenwärtigen Regierung nicht in vollem Unfange gegeben sind. Die einzelnen Regierungsmitglieder stossen vielfach auf Erschwernisse, die die nötige Ermessens- und Handlungsfreiheit bei Ausüben ihrer Regierungstätigkeit beeinträchtigen. Volle Freiheit der Entscheidung, selbstverständlich im Rahmen der Verfassung und der Gesetze, sind aber erste Voraussetzung für die Übernahme der auf den Schultern der Regierung lastenden Verantwortung. Bemühungen, die in den letzten Wochen von verschiedenen Seiten unternommen wurden, eine Basis für Erfolg versprechende Weiterarbeit zu finden, haben ihr Ziel nicht erreicht. [2]

Unter diesen Umständen sind die Mitglieder der Regierung zum Entschluss gekommen, von ihrem Amte zurückzutreten und den Landtag zu ersuchen, ehestens für die Neubestellung der Regierung besorgt zu sein.

Dem Wunsche des Landtages und des Fürsten [Franz Josef II.] entsprechend, erklärt sie sich jedoch bereit, bis zum Antritt der neuen Regierung die Geschäfte weiterzuführen, legt aber im Interesse einer reibungslosen Abwicklung derselben Wert darauf, dass die Übernahme der Regierungsgeschäfte durch die neue Regierung raschestens und zwar spätestens auf den 1. September 1945 erfolgen soll.

Wenn wir heute die Regierung in andere Hände legen, können wir es mit dem Bewusstsein tun, dass wir ein wohlgeordnetes Erbe übergeben.

Das Land ist finanziell sehr gesund und wirtschaftlich in Ordnung. Die politischen Verhältnisse im Inlande werden beherrscht vom Bewusstsein der Notwendigkeit der Zusammenarbeit.

Mit den Nachbarstaaten haben wir freundliche Beziehungen und leben in einer Atmosphäre, die eine befriedigende Lösung anfallender zwischenstaatlicher Fragen verspricht.

Wenn es uns gelungen ist, unserer Nachfolgerin eine solche Ausgangsposition für ihre Tätigkeit zu überlassen, so ist das Ergebnis nicht allein unserer Bemühungen, sondern auch aller in Betracht kommender Stellen.

Diesen allen zu danken, Seiner Durchlaucht dem Fürsten, dem Volk, den Landes- und Gemeindebehörden, Beamten und Arbeitern ist meine letzte Pflicht. Damit verbinde ich sodann wärmste Wünsche auf erfolgreiche Arbeit unserer Nachfolgerin.

Herr Landtagspräsident Strub nahm den Rücktritt der Gesamtregierung mit nachstehenden Ausführungen im Namen des Landtages zur Kenntnis:

Herr Regierungschef,

Meine Herren Abgeordneten,

Der Landtag vernimmt nur mit Bedauern die Mitteilung des Herrn Regierungschefs über den Rücktritt der gesamten Regierung. Auch die liechtensteinische Öffentlichkeit wird dieses Bedauern teilen, da die beiden politischen Parteien des Inlandes, die sich seit dem Jahre 1938 zu loyaler Zusammenarbeit gefunden haben, ihren Vertretern in der Regierung vollstes Vertrauen entgegenbringen. Nachdem jedoch die Herren der Regierung, wie den Abgeordneten bekannt ist, trotz Ersuchens der Parteien auf ihrer Demission beharren, bleibt dem Landtag nur der eine Weg offen, diese zur Kenntnis zu nehmen. Es ist mir jedoch ein Bedürfnis, der abtretenden Regierung den aufrichtigsten Dank des Landtages zum Ausdrucke zu bringen, für die Arbeit, die sie dem Lande geleistet und die Dienste, die sie ihm erwiesen haben. Wenn ich nur auf einige Punkte eingehen will, habe ich vor allem auf Folgendes hinzuweisen:

Erfolgreiche Abwendung der Gefahren der Kriegszeit, Konsolidierung der Innenpolitik seit 1938, Weiterausbau der liecht. Wirtschaft, Aufrechterhaltung eines freundschaftlichen Verhältnisses mit unseren Nachbarstaaten, besonders der Schweiz, aber auch mit allen anderen Staaten, mit denen Liechtenstein in Beziehung gestanden ist, sowie Anbahnung guter Beziehungen zur Besetzungsmacht im Vorarlberg und den dortigen neuen Zivilbehörden.

Gebührt hiefür der Dank den Vertretern beider Parteien in der seit 1938 bestehenden Koalitionsregierung, so muss ich bei diesem Anlasse doch weiter zurückgreifen und darüberhinaus jenen zurücktretenden Mitgliedern der Regierung wärmstens danken, die schon vorher ihre Kraft in den Dienst des Landes gestellt haben.

Herr Regierungschef Dr. Hoop, der im Jahre 1928, also vor bereits 17 Jahren, das Amt des Regierungschefs übernommen hat, amtierte bis zum Jahre 1933 allein, d.h. es war ihm kein ständig amtierender Stellvertreter und auch kein ständig amtierender Regierungsrat beigegeben. Sein Amtsantritt fiel zudem in eine für das Land nicht rosige Zeit, musste doch seinerzeit die Sanierung durchgeführt und mit dem Wiederaufbau begonnen werden. Mit grosser Energie und unermüdlichem Arbeitseifer machte sich Herr Regierungschef an diese Arbeiten heran und grosse Projekte, die Jahre zuvor noch fast für unausführbar gehalten wurden, hat er kühnen Mutes in Angriff genommen. Von all diesen Projekten möchte ich besonders eines erwähnen und zwar das grosse Entwässerungswerk unserer Talebene.

Uns allen ist zur Genüge bekannt, wie sich dieses Werk für unsere Volkswirtschaft bisher schon auswirkte. Ganz abgesehen von der Wertvermehrung grosser Bodenflächen, hat uns die Entwässerung einen Mehranbau in verhältnismässig grossem Umfange ermöglicht, der unserer Ernährung während der abgelaufenen Kriegsjahre sehr zustatten kam und voraussichtlich auch für die nächste Zukunft noch sehr wertvoll sein wird.

Herr Regierungschef war auch Aussenminister. Wenn unsere Aussenpolitik in normalen Zeiten vielleicht weniger kompliziert erscheint, haben wir dies während der Kriegszeit doch nicht sagen können. Die bekannten Methoden des nationalsozialistischen Reiches haben von unserer Regierung vielfach ein unpopuläres Dulden und Handeln verlangt, das aber im Interesse unserer Selbsterhaltung Gebot der Pflicht und - Gott sei Dank – aber auch von vollem Erfolg begleitet war.

Gleichzeitig mit Herrn Regierungschef Dr. Hoop ist auch Regierungsrat Herr Pfarrer Frommelt in den Dienst des Landes eingetreten. Er wurde im Jahre 1928 in den Landtag gewählt, dem er bis zum heutigen Jahre als Präsident vorstand. Gleich von Amtsbeginn an hatte Herr Regierungschef in Herrn Landtagspräsidenten Frommelt eine wertvolle Kraft der Mitarbeit und so wurde dann im Jahre 1933, als die umfangreichen Arbeiten des Wiederaufbaues, die Fortsetzung der Arbeiten des Entwässerungswerkes etc. die Schaffung eines weiteren Postens neben dem Amt des Herrn Regierungschefs notwendig machten, Herr Präsident Frommelt zum ständig amtierenden Regierungschefstellvertreter gewählt, welches Amt Herr Präsident Frommelt bis zum Jahre 1938, dem Beginn der Koalitionsregierung, bekleidete. In der Eigenschaft als Regierungschefstellvertreter und seit 1938 als Regierungsrat, waren Herrn Präsident Frommelt in der Regierung die Ressorts Schulwesen, Bauwesen und das Postwesen zugeteilt. Mit grosser Genugtuung können wir sagen, dass unsere Volksschulen unter Präsident Frommelt, dem geborenen Schulmanne, eine wirklich gehobene Stufe erreichten.

Aber auch dem Bauwesen widmete Herr Präsident Frommelt sein besonderes Augenmerk. Unter seinem Stabe wurde das grosse Projekt des Kanalbaues durchgeführt. Rüfeverbauungen wurden in einem Ausmasse durchgeführt, wie kaum zuvor. Herr Präsident Frommelt war ferner ein Förderer der neuen Schulhäuser in Vaduz und Ruggell, wie auch der neuen Landespostgebäude in Vaduz und Schaan. Bezüglich des Postwesens möchte ich noch besonders erwähnen, dass Herr Präsident Frommelt in der künstlerischen Gestaltung unserer Briefmarken wesentlichen Einfluss ausübte, der sich laut fachmännischen Urteilen sehr im Interesse des Landes auswirkte.

In den letzten sieben Jahren der Zusammenarbeit hat sich insbesondere die Mitwirkung des Herrn Regierungschefstellvertreters Dr. Vogt im Geiste loyaler Zusammenarbeit zu Gunsten des Landes ausgewirkt. Seine Ressorts waren Landwirtschaft und Gewerbe, welche beide Ressorts gerade während der Kriegszeit ihre besondere Bedeutung hatten.

Auch Regierungsrat J. G. Hasler möchte ich nicht unerwähnt lassen, hat derselbe doch ebenfalls im Geiste gemeinnütziger Zusammenarbeit stets loyal mitgearbeitet.

Meine Herren Abgeordnete, es tritt also heute eine Regierung zurück, die eine langjährige, arbeitsreiche Tätigkeit hinter sich hat und ich möchte daher meine Worte nicht schliessen, ohne den aufrichtigen Dank des Landtages an die Gesamtregierung nochmals zu wiederholen.

Regierungschef Dr. Hoop verlässt den Landtagssaal.

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[1] LI LA LTP 1945/026. Vgl. auch L.Vo., Nr. 83, 21.7.1945, S. 1f. ("Landtagssitzung").
[2] Bereits im Dezember 1944 war es wegen der Wiedererrichtung der Gesandtschaft in Bern zu Spannungen zwischen Regierungschef Hoop und dem Fürsten gekommen. Neuerliche Differenzen traten im Mai 1945 auf, als der Regierungschef der Weisung des Fürsten nicht nachkam, den nach Liechtenstein geflüchteten NS-Funktionär Hermann E. Sieger auszuweisen. Hierauf bot Hoop seinen Rücktritt an, welcher vom Fürsten angenommen wurde.