Schulkommissär Anton Frommelt kritisiert nach einem Schulbesuch den Unterricht am Mädchenrealgymnasium St. Elisabeth


Schreiben der Regierung, gez. Regierungsrat Anton Frommelt, an das Institut St. Elisabeth in Schaan [1]

12.7.1943

Zurückkommend auf unseren kurzen Schulbesuch in Schaan erlaube ich mir, Ihrer Schulleitung folgende Bemerkung zu unterbreiten:

Wie in wiederholten mündlichen Konferenzen betont, muss ich leider auf Grund der gemachten Beobachtung wiederum mit aller Entschiedenheit darauf aufmerksam machen, dass zur gedeihlichen Entwicklung Ihrer Schule das vorhandene Lehrpersonal unmöglich ausreichen kann. Es macht sich dies im Unterrichtserfolg sehr nachteilig geltend. Im Einzelnen möchte ich erwähnen, dass der Eindruck beim Unterricht wohl von äusserster Anstrengung und Fleiss Zeugnis ablegen, aber durch den Mangel an Lehrpersonal auch das Fehlen an der notwendigen Systemathik dartut. Im Deutsch-Unterricht fiel uns auf, dass die schriftlichen Arbeiten verhältnismässig sehr knapp bemessen sind und wir finden, dass die schriftliche Übung in der Muttersprache einen wesentlichen Bestandteil des Unterrichtes im Untergymnasium bedeuten muss. Der Unterricht in der lateinischen Sprache kann unter den gegebenen Voraussetzungen (nur eine Lehrperson, stundenplanmässig zusammengezogene Stunden und Zusammenzug mehrerer Kurse zur Einheitsschule) unmöglich zu einem auch nur befriedigenden Resultat führen, und würde unseres Erachtens der Prüfungserfolg der Klasse II u. III kaum den Anforderungen eines normalen ersten Kurses entsprechen. Ich möchte im Besonderen auf diesen Umstand aufmerksam machen, weil ich weiss, wie sehr Ihnen daran liegt, das Gymnasium gerade sprachlich auf eine wünschbare Höhe zu bringen, was unter den gegebenen Voraussetzungen durchaus unmöglich ist. Es erscheint uns auch unerlässlich, dass dem Kind ein Lehrmittel in die Hand gegeben werde, womit es mit Fleiss und eigener Initiative sein Gelerntes vertiefen oder fortsetzen kann. Ich erachte gerade diesen Mangel als einen der Hauptgründe für das Fehlen des wünschbaren Erfolges für die Anstrengung und Arbeit. Im Deutsch-Unterricht des 4. Kurses, den bei unserem Dortsein Frl. Pirol erteilte, müsste man wohl erstaunt sein, wie weitgehend die alte Literatur behandelt ist. Es frägt sich jedoch, ob bei Mädchen mit dieser Vorbildung auch das nötige Sprachverständnis für die Bedeutung dieser Dinge vorhanden ist. Die Einsicht in die vorliegenden Zeichnungen ergeben das Bild eines ziemlich systemlosen freien Versuches und doch dürfte gerade dieses Fach für Mädchen im Sinne der Beziehung zu Formsinn und Reinlichkeit der Darstellung besondere Pflege erfahren. Das Turnen ist, wie uns mitgeteilt, etwas mangelhaft und zwar sowohl der Zeit nach als der Art u. Weise, wie es betrieben werden muss. Nachdem wir in besonderer Weise gerade für die Mädchen den Turnunterricht zu heben bestrebt sind, bitten wir, diesem Punkte besondere Aufmerksamkeit zu schenken in Rücksicht auf die Bedeutung für Mädchen.

Es sollen die angeführten Punkte nicht den Sinn abschlägiger Kritik, sondern den Hinweis bedeuten, dass die Schule, soferne sie auf den wünschbaren Stand kommen will, notwendigerweise sowohl in Bezug auf den Stundenplan, als besonders in Bezug auf das nötige Lehrpersonal alle nur mögliche Rücksicht nehmen muss.

Mit vorzüglicher Hochachtung 

 

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[1] LI LA RF 210/062/032. Auf der Rückseite des Schreibens stenographischer Vermerk von Anton Frommelt: "Mündliche Vorsprache am 12.7. Vorschlag des Instituts: 1. Teilung der Klasse, 2. Anstellung geeigneter Lehrkräfte Lat. Math. mit Naturgeschichte".