Ein Arbeitsloser aus Eschen beschwert sich bei Regierungschef Josef Hoop, dass ihm das Arbeitsamt keine Stelle verschafft


Handschriftliches Schreiben eines Eschner Bürgers an Regierungsschef Josef Hoop [1]

o.D. (Anfang März 1938), Eschen

Geehrter Herr Regierungsschef!

Bitte vorerst um Verzeihung, wenn ich mit diesen Zeilen an unsere höchste Instanz gelange, denn die Not zwingt mich dazu. Ich bin nun schon seit Ende September arbeitslos und haben uns schlecht und recht durchgerungen, aber jetzt bei diesem Wetter und an der Haustür man zusehen muss, wie die Besitzenden jeden Tag zu ihrer Arbeit gehen können, so muss man sich nicht mehr wundern, wenn der Mensch mal anderst denkt. Ich bin nun schon 2mal im Arbeitsamt gewesen und Arbeit gebettelt, keine Antwort, der Herr Pfarrer [Anton] Frommelt hat mir noch nachgerufen, sich für mich zu verwenden, aber keine Antwort, nur einen Zettel für Nahrungsmittel, für welches ich herzlich Vergeltsgott sage. Sehen Sie, Herr Doktor, ich möchte mal Arbeit, ich muss jetzt arbeiten können, nicht erst im Herbst, damit ich wenigstens den Hauszins zusammen bringe. Wenn ich so zum Fenster hinaus schaue und sehe, wie die jungen Bauernsöhne, welche zu Hause genug Arbeit hätten, uns armen Proletarierern das Brot wegnehmen, so kommt man unwillkürlich zu dem Punkt, also du musst einfach zu grunde gehen, nur ein Mensch weiss, was Not ist, welcher kein eigenes Heim, kein ererbtes Vermögen, nur von der Hand in den Mund leben kann, was das heutige Leben bedeutet und kostet. Geehrter Herr Regierungsschef, ich möchte Sie nur darauf hinweisen, wie wir hier in Eschen ein System haben, es ist einfach unglaublich, ein gewisser Ausländer, der hat immer Arbeit, wenn was los ist. Die reichen Emilians [2] in Schönbühl, einer ist Hilfspolizei, hat ein Einkommen, hat dazwischen Arbeit in der Rüfe, sein Bruder kann Kies führen, einer ist Lehrer, einer Zimmermann, einer studiert, können so hohen Hauszins von Juden einsacken und so glaube ich, dass man den Ärmsten im Volke wenigstens das bisschen Leben nicht vergönnt. Dem alten Vorsteher [Franz Josef] Marxer können die zwei Buben immer gehen, ein Mädchen dienen, eins Zahnfabrik [Ramco AG] und eins geht in die Hühnersuppenfabrik [Bouifix AG]. So könnte ich noch viele Beispiele angeben, aber ich bin nicht da, um andere Leute zu verdroschen [3] wie ein gewisser Öhri, ich bin zufrieden, wenn ich Arbeit habe, welche ich leisten kann und es giebt solche, wenn der betreffende Meister will. Ich war am letzten mal vom Arbeitsamt bei Herrn Staatsanwalt Marxer [4] und er hat mir wirklich was geschenkt, dann fragte Er mir, N.N., hast du keine Arbeit, musste leider verneinen, dann sagte Er zu mir, ob er eine Arbeit verschaffen solle, in Liechtenstein gebe es keine Arbeitslose und ich musste Ihm sagen, ich komme soeben vom Arbeitsamt, wo mir schon vor bald 3 Wochen etwas vorgemalt werde, dann sagte Er, ich solle mich dann Ihn wenden, wenns nichts gebe, aber ich habe gedacht, ich appellier nochmals an Sie, Herr Doktor, denn Sie wissen am besten, was arm heisst. [5]

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[1] LI LA RF 179/085/001.
[2] Die Familie von Emilian Marxer.
[3] Unsichere Lesart. Wohl im Sinne von verdreschen = jmd. durchhecheln, schwatzen, klatschen (Schweizerisches Idiotikon. Wörterbuch der schweizerdeutschen Sprache, Bd. 14, Frauenfeld 1987, Sp. 1355).
[4] Wohl Rechtsanwalt Ludwig Marxer.
[5] Die Regierung leitete das Schreiben an das Arbeitsamt weiter, das dem Arbeitslosen am 11.3.1938 eine Stelle bei den Notstandsarbeiten in Bendern zuwies (LI LA RF 179/085/002).