Lehrer Julius Maier möchte Rheinbergers Vater von der Fortsetzung der Ausbildung in München überzeugen.


Brief Julius Maier an Vater Johann Peter Rheinberger
21. April 1854, München


Verehrtester Herr!
Als Sie mich im August 1852 mit einem Besuche beehrten, und mich um ein Zeugniss für Ihren Sohn angingen, sprachen wir von den Möglichkeiten, für Ihren Josef ein Stipendium oder eine Unterstützung irgend einer Art zu erlangen, weil es Ihnen, wie Sie mir sagten, zu schwer fiele, auf dieses Ihr Kind gegenüber den andern mehr zu verwenden. Schon seit Beginn dieses Jahres äusserte mir Josef, dass er mit dem Ende des laufenden Schuljahres unsere Anstalt verlassen müsse.
Josef ist 15 Jahre alt und (ich sage Ihnen diess offen und mit herzlichster Theilnahme) mit einem so ausgesprochenen Talente und einer für seine Jugend so überraschenden Fertigkeit, Kühnheit, ja fast männlichen Besonnenheit ausgestattet, dass von ihm Glänzendes zu erwarten ist, wenn seine Studien und Fortschritte nicht unterbrochen werden, wenn er nicht, bis er mindestens das 18. Jahr erreicht hat, bloss der Kunst leben kann. Müsste aber Josef vom nächsten Herbst an die schreckliche Laufbahn betreten, zu seiner Erhaltung irgendwo Privatunterricht zu ertheilen u. zwar, wie jeder Neuling, um einen Spottzins, somit von Morgens bis Abends, so wäre nicht nur der Erfolg seines schönen Talentes in Frage gestellt, sondern auch sehr unwahrscheinlich, ob und wann er sich eine seinem Talente, seinen Kenntnissen entsprechende Stellung erringen könnte. Diese Erwägungen veranlassten mir manches Nachdenken darüber, wie man an Ihren Landesherrn gelangen könnte, um für Joseph eine Unterstützung zu erzielen. So Gott will habe ich den Weg gefunden.
Herr von Schwind (Professor an der Maleracademie hier) [1] ist ein Jugendfreund eines Herrn Alexander Baumann in Wien und dieser steht in sehr vertrauten Verhältnissen zu dem künftigen Fürsten von Lichtenstein, Fürst August [2]. Herr von Schwind hat an Baumann geschrieben und ihn im Allgemeinen gefragt, ob für Josef etwas zu erwarten sei. Baumann erwiderte: er werde mit Vergnügen thun, was in seinen Kräften stehe u. hoffe zum Ziele zu gelangen. Damit aber der (unmusicalische) Fürst von der Zweckmässigkeit der Verwendung überzeugt werde, bedürfe es glänzender Zeugnisse, namentlich auch eines von dem hiesigen weithin berühmten Generalmusikdirektor Lachner und überdiess ein Nachweiss über das Nationale, die Vermögensverhältnisse etc. von Vater und Sohn.
Ich brachte den Josef zu Hr. Lachner; dieser sah Compositionen desselben durch u. äusserte sich mir sehr erfreut u. erstaunt über Talent u. Kenntnisse des jungen Menschen u. wird Josef ein glänzendes Zeugniss ausstellen. Ebensolche Zeugnisse besitze ich schon von den Conservator. Professoren.
Während ich schreibe, habe ich nun auch das Lachnersche Zeugniss erhalten und schicke Ihnen sämtliche. Wie mir aus der Antwort des Herrn Baumann hervorgegangen scheint (entschieden spricht er sich darüber nicht aus) wird er durch Vermittlung des Fürsten August bei dem regierenden Fürsten um die Unterstützung nachsuchen. Ich würde Ihnen daher rathen, eine Ihre u. Josefs Personal= resp. Unterthanen= und Vermögensverhältnisse nachweissende Eingabe an den Fürsten zu machen, solche mit den hier beiliegenden 4 Zeugnissen an Herrn Alexander Baumann (Wien, Passauerhof No. 365, 4 Stock) zu schicken, mit einigen Zeilen, worin Sie sagen Hr. von Schwind hätte Sie durch mich wissen lassen, dass er (Herr Baumann) die betreffenden Schritte beim Fürsten zu thun sich gütigst erboten hätte. Sollten Sie aber Ihre Eingabe direct an den Fürsten abschicken wollen, so rnuss ich das ganz Ihrem Ermessen anheimstellen.

Wundern Sie sich ja nicht, dass ich Ihnen die ganze Sache in fast aufdringlicher Art gleichsam ins Haus werfe. Nachdem ich aus Ihrem eigenen Munde weiss, dass Sie jede Gelegenheit ergreifen wollten, um für Josef's Ausbildung einen Zuschuss zu erlangen, so hielt ich es bei meiner grossen Vorliebe für Ihren Sohn für Pflicht, die oben dargestellte Gelegenheit zu ergreifen u. habe Ihnen von der ganzen Sachlage erst jetzt bloss darum geschrieben, um nicht Zeit zu vergeuden, da ja schon am 15. Juli unser Schuljahr zu Ende ist.
Sollten Sie in irgend einer Beziehung einen Anstand haben, so bin ich zu jeder Auskunftsertheilung bereit.
Mit dem aufrichtigen, herzlichen Wunsche, es möchte gelingen, die beabsichtigte Unterstützung für Ihren Josef zu erlangen,
grüsst Sie hochachtungsvoll
Julius Maier
Professor am Kgl. Conservator.
Schwanthalerstr. No 23

München 21. April 54

NB. Herr Baumann will dahin wirken, dass der Fürst Ihrem Sohn für 3 Jahre eine Unterstützung reicht; dahin würde sich also auch Ihre Eingabe zu äussern haben. Ob Sie eine bestimmte Summe angeben, oder solche der Gnade des Fürsten überlassen wollen, muss ich Ihrem besten Ermessen anheimstellen.

 



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[1] Herr von Schwind = Moritz von Schwind (1804 -1871)
[2] Fürst August = Prinz August Ignaz von Liechtenstein (1810-1884). J.J.Maier irrte sich, die Nachfolge ging an Johann II.