Josef G. Rheinberger erzählt von seiner Komposition und Tätigkeit als Organist und Chorrepetitor.


Brief Josef G. Rheinberger an seine Eltern
29. November 1854, München


Theuerste Eltern!

Sie werden meinen letzten Brief gewiss erhalten haben, obschon ich keinen von Vaduz erhielt. Ich habe diesmal wenig Neues hinzuzufügen - als dass ich immer mit meiner Oper beschäftigt bin. Hr. Leonhard hat sie gegenwärtig in Korrektur und ist ausserordentlich damit zufrieden.

Hr. Prof. Schafhäutl lässt alle grüssen. Ich bin oft dort. Vorgestern (Montag) lud er mich ein, mit ihm zu essen - um mich Hr. Graf Salis zu präsentiren, welcher nach mir einigemale gefragt haben soll. Auch er lässt alle grüssen. Ferners war ich bei Lachner. Er war sehr freundlich, gibt mir nun Billette in alle Konzerte und Unterricht, so oft ich hinauf gehe. Ferners bei Hauser (Direktor), welcher sehr frappirt war, dass ich ihn besuchte. Übrigens war er freundlich, teilte mir seine Ansichten mit - die übrigens unsinnig genug waren. Maier selbst sagte mir, dass er mir schaden werde!
Hr. Prof. Maier hat mir schon einmal 13 fl 30+er eingehändigt - Wolfinger habe ich geschrieben, und er mir mit 10 beigefügten Gulden geantwortet.
Beim Oratorien-Verein bin ich nun angestellt als - 'Chorrepetitor', mit wieviel Douceur weiss ich noch nicht. Wir hatten schon einmal Versammlung; wöchentlich einmal. -
Mein Überrock ist sehr warm und kostete 10 fl. - Bei Perstenfeld, welche allen sich empfehlen lassen, musste ich 8 fl für Holz bezahlen - auch 2 Gulden Aufenthaltskarte. - Mit der Cholera ist's noch nicht rein - vom 15. bis 20ten Nov. starben noch 31 Personen, übrigens schone ich mich gut - die Münchner thun, wie wenn nichts gewesen wäre, reden nie davon. Hr. Herzog habe ich geschrieben und erwarte täglich einen Brief von ihm. Ich könnte ihn leicht besuchen, man braucht per Eisenbahn nur einen halben Tag - obschon es 60 Stunden weit ist. - Bisher hatten wir wenig Schnee - und ziemlich warm, jetzt aber schneit es.
Hoffentlich befinden Sie sich, Theuerste Eltern! sehr wohl, auch ich bin gesund und zufrieden und erwarte baldige Nachricht – verbleiben
inzwischen ihr dankbarster Sohn
Jos. Rheinberger

Chor-Repetitor des Oratoriums-Vereins.

München, 29.11.54.

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