Josef G. Rheinberger erklärt den Eltern, dass er für die Bewerbung ein Leumundszeugnis von der hiessigen Polizei beilegen musste.


Brief von Josef G. Rheinberger an seine Eltern
13. November 1855, München


Theuerste Eltern!
Da Peter heute geschrieben, so dachte ich auch noch ein paar Zeilen hinzuzufügen. Ich weiss aber nicht viel. Zu meinen vielen Zeugnissen zur Eingabe brauchte ich noch ein Leumundszeugniss von der hiessigen Polizei. Zuerst wurde es mir verweigert; ich aber ging zum Oberkommissär und erhielt es dann. Maier machte, ich schrieb die Eingabe, und nun ist Alles in Frankfurt. -
Ende dieses Monats ist wieder Oratorienvereinskonzert; auch von meiner Wenigkeit wird dabei etwas zur Aufführung kommen. -
Peter geht fleissig in die Schule, ist ein braves Büblein und bekommt keine Tatzen [1]. -
Von den Trauben habe ich einige Hr. Schafhäutl präsentirt. -
Meine Garderobe ist zwar noch gut; allein da ich doch hie und da in ein angesehenes Haus komme, so brauche ich freilich wieder eine neue Auflage (vermehrt und verbessert). Hr. Prof. Maier wird auf Ostern heirathen. Seine Braut ist aus Carlsruhe. Der erste Act meiner grossen Oper ist bei Lachner. Die kleine Oper ist auch beinahe fertig. -
Der Herbst ist hier schön, obschon wir schon einmal Schnee hatten. -
Wie geht es Ihnen, Theuerste Eltern! so Gott will, hoffe ich gut!
Was -macht die liebe Mutter?
Haben Mali und Lisi meine Briefe erhalten? Dem Toni muss ich auch einmal schreiben. (Der Peter erhielt gerade einen Brief vom Feldwebel vom Schloss [2]). -
Nun lebet wohl, Theuerste Eltern! Euer dankbarer Sohn

Jos. Rheinberger.
München, 13ten 11/55

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[1] Tatzen = Schläge mit einern Stock auf die offene Hand, Strafe für unfolgsame Schüler in den unteren Klassen.
[2]vom Schloss = Schloss Vaduz