Josef G. Rheinberger schreibt seinen Schwestern ironisch und in Gedichtform von einem Besuch von Adjunkt Markus Kessler und dessen Frau Netti.


Brief Josef G. Rheinberger an seine Schwestern [1]
Pfingstsonntag [31. Mai] 1857 , München


Liebe Schwestern Lisi und Mali!

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Hm ! Hm ! Ha-----tschi ! Gsundheit.

Es ist schon lang her,
drum freut's mich umsomehr
Euch zu schreiben heut
Ihr faulen, lieben Leut!

Besuch hab ich bekommen,
Von zwei jungen Frommen
Vaduzer Eheleuten,
Und zwar von sehr Gescheidten.

Sankt Markus hiess der eine
Und Netti Kessler seine
Liebe, theure Frau !
Schau, schau, schau !

"S'müsst s'enk fein benemma,
Wenn mer zsamma kemma,"
Sang schon Lehrer Pöly
Mit heiterem Gejöhle [2].

Ich hab mich fein benommen
Als man zusammengekommen,
Netti war sehr schüchtern
Kessler war sehr nüchtern.

Netti hat mir gesagt, Du, Mali! seiest eine sehr flei8ige Clavierspielerin und habest viele Tänze zur Carnevalszeit bei Landesverwesers gespielt. Von Dir, Lisi! hat sie mir nichts erzählt, immer nur von den Bällen, welche in Feldkirch gewesen und welche (von mir aus) der Teufel holen darf.

(Was interessieren mich auch Feldkircher Bälle?)

Jetzt weiss ich nichts mehr. Grüsst mir vor Allen die liebe Mutter! Ich denke alle Tage oft an sie.

Wenn die Mutter a Prisle nimmt, so söll sie am Mali od: Lisi vör mi o ahs ge [3].
Jetzt Adieu, ich muss in die Vesper in die Ludwigskirche. Lebt wohl und schreibt bald Eurem Bruder

Jos. Rheinberger

München am Pfingstsonntag 1857.

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[1] Der Brief war dem Brief an die Eltern vom gleichen Tag beigelegt.
[2] "S' müsst s 'enk fein benemma..." = Ihr müsst euch fein benehmen, wenn wir zusammenkommen..." Rh. parodiert bier den Tiroler Dialekt seines Lehrers Sebastian Pöhly.
[3] Wenn die Mutter... = Wenn die Mutter eine kleine Prise nimmt, soll sie dem Mali oder dem Lisi für mich auch eine geben.