J.G. Rheinberger empfehlt seinem Bruder Anton die "Janke’sche Bücheranzeige" nicht zu kaufen, weil die Buchhandlugen nicht sehr zuverlässig sind. Er grüsste alle in Vaduz.


Brief an seinen Bruder Anton
12. April 1866, [München]


Lieber Bruder Antonius! Leider komme ich ein bischen spät dazu, Deinen Brief zu beantworten. Aber meine Zeit war im verflossenen Monat ungemein in Anspruch genommen durch Kirche, Theater und Conzerte, Privatschüler, Oratorienverein und wie die Dinger alle heissen, so dass mir für meine Privatarbeiten so gut wie nichts übrig blieb. - Was speziell Deinen Wunsch nach meinem Rath über die Janke'sche Bücheranzeige betrifft, so muss ich allerdings gestehen, dass der Preis für die gesammte Masse ein geringer ist - dafür aber auch viel literarischer Schund sich darunter befindet; letzteres in Verbindung gebracht mit Ankaufspreis, Transport (von Berlin, also von Vaduz noch bedeutend weiter als sogar Paris), Zoll etc. dürfte die Sache denn doch als weit ungünstiger darstellen, als man oberflächlich glauben möchte. Darum möchte ich Dir nicht dazu rathen. Was anderes wäre es, wenn Du von näher gelegenen Orten, wie Zürich, Stuttgart, München, Chur etc. Offerte bekämst - von Berliner, Frankfurter und Hamburger Offerten würde ich immer abrathen, da in diesen Städten eine Masse von Buchhandlungen nur vom Schwlndel leben; stets schmutzige, schlechte und unvollständige Exemplare senden und sich doch gegen alle Reklamationen sicher zu stellen wissen - denn 'solchen Juden sind wir nicht gewachsen'. Ich meine, dass ein Inserat in gelesenen Schweizerblättern Dir doch annehmbare Offerte verschaffen könnte.
Eigentliche Neuigkeiten, die Euch in Vaduz eben interessiren könnten, weiss ich keine. Bisher hatte ich sehr viel zu thun - gegen den Sommer hin wird es immer etwas leichter; die Zeit meines Theaterurlaubs ist noch unbestimmt, jedenfalls noch in Ferne; doch habe ich mir kontraktlich 4 Wochen Urlaub ausbedungen.
Wie geht es zu Hause? Sind alle lieben Angehörigen, besonders die lieben Eltern wohl? Peter hat wohl viel mit der Landesvermessung zu thun, da sein Collega, der 'Herr Vettär' zu seinem andern Herrn 'Vettärn' nach Böhmakien gegangen ist. Gedeihen seine Schlossprinzessinnen Hermine und Olga recht wohl? Doch so etwas muss man nicht Dich fragen, da Du gewiss selten genug von Schloss Malepartus nach Schloss Hohenliechtenstein hinaufreitest. -
Dass ihr die letzten schweizerischen Beleidigungen gegen Liechtenstein, welche in der Gartenlaube [1] waren, so ruhig hingenommen habt, hat mich sehr gewundert. Der erste Gartenlaub-Artikel wurde auch hier in den gelesensten Zeitungen abgedruckt, so dass ich oft darüber Rede stehen musste. -
So, jetz'b'hüat'mi' [2] wie man zu Hause sagt. Den lieben Eltern, Peter, David, Lisi und der Frau Schwägerin meine herzlichsten Grüsse, vor allem aber dem biederen Besitzer von Malepartus
einen deutschen Handschlag vom
Pepi.
Biersuffia [3] den 12/4 66.

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[1] Gartenlaube = berühmte deutsche Familienzeitschrift des 19. Jahrhunderts
[2] ... jetz'b'hüat'mi" = mundartlich: nun behüte mich (Gott).
[3] eventuell humoristische Bezeichung für München?