Fanny Rheinberger berichtet ihrem Schwiegervater Johann Peter Rheinberger von der Aufführung der "Sieben Raben"


Fanny berichtet ihrem Schwiegervater Johann Peter Rheinberger:


Samstag 22. May 1869

Theurer Vater!

So eben kommen wir von der Hauptprobe der 7 Raben nach Hause, zu welcher nur wenige, aber auserlesene Gäste geladen waren. Es ist Alles vorzüglich gegangen und das Urtheil dieser Wenigen ist einstimmig das, dass die Musik ausgezeichnet ist und der Text der Oper höchst poetisch. -

Kurt dirigirt morgen selbst, so wie er selbst die ganze Probe einstudirte. Als wir zusammen nach Hause fuhren, sagte ich ihm, dass ich mich unendlich glücklich fühle seine Frau zu sein und dass wir Gott auf den Knien für das Talent danken dürfen, das Er ihm verliehen. -

Meine Mutter war auch in der Probe und weinte sich vor Rührung die Augen roth - so wie auch die Sängerinnen selbst sehr ergriffen waren. Meine Mutter und ich sind morgen Abend in der Loge des Intendanten. Meinen Brief werde ich morgen erst losschicken. -

Sonntag 6 Uhr. Lieber Vater! So eben ist Kurt in das Theater gegangen. (Ich folge in einer halben Stunde.) Ich machte ihm mit Weihwasser das Kreuz auf die Stirne und sagte ihm, wir wollten Gott die Ehre geben, wie es auch käme. Ich denke viel an Sie und die liebe Mutter!!! -

Wenn er nach Hause kommt, soll er durch mich mit einer schönen, goldenen Uhrkette überrascht werden. -

Franz Bonn und seine Frau, Baron Perfall und seine Frau werden nach dem Theater bei uns zu Nacht essen. -

Maly würde ein schweres Herz haben, wenn sie wüsste, dass in einer halben Stunde die Oper angeht. -

Gott gebe seinen Segen! ........

Montag früh.  Gloria in excelsis Deo!  Ausgezeichneter, einzig schöner, herrlicher Erfolg!  Vater, lieber Vater und liebes Mütterlein und alle Geschwister freuet Euch mit uns! Kurt ist ein grosser Künstler - glaubt es mir!

Das Theater-Haus war dicht gedrängt, Kopf an Kopf hörte mit grösster Spannung zu. Schon die Ouverture wurde beklatscht und nun, nach jeder Nummer steigerte sich der Beifall bis zum Schlusse. So ist auch die Musik. Immer schöner und ergreifender wird sie und dabei diese Einfalt und Unschuld neben aller Gelehrsamkeit. Glaubt mir - ich übertreibe nicht.

Am Schlusse nun ruhten die Leute nicht, bis Kurt selbst auf der Bühne erschien, obgleich er sich schon vom Orchester aus wiederholt bedankt hatte. Zweimal kam er mit den Sängern heraus - dann aber musste er noch ein drittes Mal allein kommen.

Die fremdesten Leute liefen nach der Oper auf ihn zu und drückten ihm die Hand - sogar vom Parquet aus riefen sie ihm zu.

Bei dem Schlusschor "o selig, wer auf Gott vertraut, auf Ihn allein sein Hoffen baut" da fühlte ich deutlich, dass diese herrliche Musik von Gott käme und mit gefalteten Händen betete ich mit.

Lieber Vater! Ich habe, als wir heiratheten über Kurt's Schreibtisch die Madonna von Rafael [1] gehängt - sie hat ihn oft während der Arbeit begeistert.

Das ist eben mein hohes Glück (nach so vielem schweren Leid) dass ich fühle, dass Gott unsre Liebe, unsern Bund segnet. - Doch - ich muss aufhören. - Seien Sie Alle tausendmal von Ihren Kindern gegrüsst!

Kurt und Fanny.

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[1] Über dem Schreibtisch Rh's hing die Reporduktion einer Madonna von Raffael Santi (nicht die Sixtinische Madonna wie bei Johannes Brahms!) Vgl. die Fotografie von Rh's Arbeitszimmer in "Josef Rheinberger - Briefe an Henriette Hecker" (Vaduz 1970) gegenüber S. 144.