Hans von Bülow schreibt an Rheinberger über ihre Schüler


Hans von Bülow schreibt an Rheinberger:


Verehrter Herr Professor!

Der junge Stich, Ihr Schüler, hat sich gestern mit der Bitte an mich gewandt, doch wenn irgend möglich einen seiner Kompositionsversuche bei den Prüfungsconzerten zur Vorführung zu bringen. Meine Antwort darauf war natürlich, dass die Entscheidung hierüber zunächst von Ihnen, als seinem Compositionslehrer, ausgehen müsse und dass ich meinerseits Ihrer Ansicht beitreten werde. Ich möchte Sie nun ergebenst fragen, ob Sie eine Arbeit von Stich, in welcher Gattung immer, für genügend reif erklären können, um auf dem Programm eines der kleineren (halböffentlichen) Prüfungsconzerte zu figuriren. Soweit es mir zustehen kann, möchte ich die Erfüllung des Wunsches Ihres Schülers befürworten; er scheint mir für seinen überaus löblichen Eifer und Ernst in seinen Studien, der ja bereits eine totale Umgestaltung seines musikalischen Denkens hervorgebracht hat, eine derartige Ermuthigung zu verdienen. Wenn nichts Besseres von seinen Arbeiten vorzuschlagen wäre, so würde ich z.B. mit der Vorführung seiner 4-stimm. Fuge für 2 Clarinetten und 2 Fagotte ganz einverstanden sein.

Hiebers Psalm habe ich flüchtig durchgesehen - das ist ein recht erfreuliches Document für das Talent Ihres Schülers und ich kann Ihnen, dem Erwecker und Unterrichter desselben, dazu nur im höchsten Grade gratulieren.

Mit der Bestimmung der Orgelvorträge pressirt es nicht. Dieselben werden vermuthlich besser in den kleineren Conzerten placiert sein?

Mit der Bitte, mir bezüglich Stich's wenn möglich bald eine Antwort zukommen zu lassen, habe ich die Ehre zu sein in vorzüglichster Hochachtung


Ihr ergebener

Hans von Bülow

München, 4. Juli 1869

Würde Ihre Zeit wohl erlauben, einer kleinen Privatprüfung von Klavier-Solovorträgen Mittwoch (7.Juli 1869) zwischen 5 und 6 Uhr im Zimmer No. 9 beizuwohnen? Frl. Decker soll uns Jagdstück und Fughetta [1] von Ihnen, Hr. Töpfer Ihre Toccatina [2] vorspielen - es wird freilich noch etwas ängstlich und unbeholfen hergehen.

Aber es ist eben ein erster Versuch.

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[1] "Die Jagd" (Impromptu), op. 5 Nr. 1 und "Fuge", op. 5 Nr. 3.
[2] Op. 5 Nr. 2.