Martin Greif bietet Jos. Rheinberger um eine Melodie zu seinem Text für eine Nationalhymne


Brief von Martin Greif an Jos. Rheinberger:



Wien, den 24ten Januar 1871.

 

Sehr geehrter Herr!

In der Anlage erlaube ich mir, den Entwurf zu einer 'Deutschen Nationalhymne' mit der Bitte zu übersenden, denselben Ihrer Beachtung zu unterziehen und im Falle er Ihren Beifall findet eine zutreffende Melodie dazu zu ersinnen. Bezüglich des Druckes und der Herausgabe überlasse ich Ihnen jede Entscheidung und bemerke ich nur, dass ich gleichzeitig auch an andere hervorragende Liederkomponisten mich ich gleicher Angelegenheit gewendet, indem ich auf eine Disposition zu dieser Arbeit bei einem Einzelnen nicht sicher rechnen konnte.

Genehmigen Sie, sehr geehrter Herr, den Ausdruck meiner vollkommenen Hochachtung, womit die Ehre hat zu zeichnen

Ihr ganz ergebener

Martin Greif,

Mitarbeiter der 'Presse'.

Adresse: Martin Greif, Redaktion der 'Presse' in Wien."

Die Anlage enthält das nachfolgend wiedergegebene Gedicht.

Entwurf zu einer deutschen Nationalhymne von Martin Greif

Sei gegrüsst, Du Heldenwiege,
Land der Milde, Land der Kraft!
Stets erringe neue Siege,
So im Frieden wie im Kriege,
Durch den Geist, der in Dir schafft!

 Ehre dem erles'nen Helden,
Den des Reiches Wille kürt,
Der, gestärkt vom Herrn der Welten
Treu' mit Treue zu vergelten
Hohen Sinn's das Scepter führt!

Alle Fürsten, wohl berathen,
Folgen ihm mit Herz und Hand,
Und sie segnen seine Thaten,
Wenn sie über reiche Saaten
Schauen in ihr glücklich Land.

Wohl ergeh' es Deinen Stämmen,
Die ihr freies Feld bebau'n
Von der Alpen wilden Kämmen
Zu der Marschen letzten Dämmen:
Gott mit allen deutschen Gauen!

Er behüte Deine Masten,
Die auf schwanker Woge geh'n,
Wo die fernsten Schiffe rasten
Einzutauschen fremde Lasten
Lass' auch Deine Wimpel seh'n!

Ruhm bedecke Deine Heere,
Deiner Marken trutz'gen Wall!
Hort des Friedens, Hort der Ehre,
Durch die Länder, durch die Meere,
Gehe Deines Namens Schall!

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