Algernon Ashton bedankt sich bei Rheinberger für die Anerkennung, die er seiner Komposition gezollt hat, berichtet über die Aufführung des Trios op. 34 und über seine Meinung zur zeitgenössischen Musik


London, den 17. Juni 1897

44, Hamilton Gardens

St. John's Wood Hochverehrter, geliebter Meister!

Mit Ihrem äusserst liebenswürdigen Schreiben vom 11. d. M. haben Sie mir eine selten grosse Freude gemacht, und ich kann Ihnen wirklich nicht genug Dank sagen für all die herrlichen Worte des Lobes, welches Sie meinem Klavierquintett op. 100 gespendet haben. Ihre hohe Anerkennung kam mir ganz unerwartet, da ich weiss, wie streng Sie, geehrter Meister, in der Regel in Ihrem Urtheil sind. Umso werthvoller ist es mir deshalb, dass mein op. 100 Ihren warmen Beifall gefunden hat.

In Ihrem theueren Briefe betonen Sie die bedauerliche Thatsache, dass heutzutage sich eine Richtung unter der jüngeren Generation von Komponisten breit macht, die allen Gesetzen des Schönen und Natürlichen Hohn spricht. Ich glaube nicht fehl zu gehen, wenn ich vermuthe, dass Sie hier vor Allem an Richard Strauss gedacht haben, der in jüngster Zeit mit seinen extravaganten, ja halbverrückten Orchesterwerken so viel von sich reden gemacht hat. Sollte dieser von Haus aus hochbegabte, aber jetzt vom rechten Wege abgekommene Componist wirklich Schule machen, dann stände es allerdings schlimm für die Tonsetzer der Zukunft.

Hoffentlich bin ich mit dieser Meinungsäusserung nicht zu indiscret gewesen, da es ja höchst wahrscheinlich ist, dass Sie mit dem in Ihrer Stadt München lebenden Richard Strauss persönlich befreundet sind.

Ihr herrliches Trio op. 34 hat am vergangenen Freitag bei Gelegenheit der ersten hiesigen Aufführung ausgezeichneten Erfolg gehabt. Alle vier Prachtsätze wurden enthusiastisch aufgenommen, und mehrere Concertbesucher versicherten mir nachher, dass ihnen Ihr Werk viel besser gefallen hätte, als das Brahms'sche Klavierquartett op. 26, welches auf demselben Programm stand. Ich kann es nicht begreifen, weshalb Ihr op. 34 nicht die gleiche Popularitat errungen hat, wie z.B. Ihr Klavierquartett op.38, welches hier häufig gespielt wird, so wieder am vergangenen Samstag in der hiesigen Queen's Hall. -

Welche Fülle herrlicher Compositionen Sie doch bereits geschaffen haben, und wie glücklich Sie sich fühlen müssen, wenn Sie bedenken, was für eine unvergleichliche Reihe prächtiger Kunstschöpfungen Sie dereinst der Nachwelt hinterlassen werden!

Mit den schönsten Grüssen und tausend Dank für Ihre grosse Güte,

verbleibe ich Ihr stets hochachtungsvsoll

und treu ergebenster
Algernon Ashton.

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