Regierungschef Josef Ospelt schlägt vor, die neue Verfassung am Geburtstag von Fürst Johann II. am 5. Oktober zu unterzeichnen


Maschinenschriftliches Schreiben von Regierungschef Josef Ospelt an Kabinettsdirektor Josef Martin [1]

10.9.1921

Sehr geehrter Herr Kabinettsdirektor!

Ich danke bestens für das geschätzte Schreiben vom 6. d.M. Präs. Nr. 181/1 [2] und erlaube mir beiliegend die neue Verfassung [3] samt einem ergänzenden Berichte [4] mit der Bitte um Vorlage an Seine Durchlaucht [Johann II.] zu übermitteln.

Wohl der geeignetste Tag zur Sanktion der neuen Verfassung wäre der 5. Oktober, [5] wenn dann Seine Durchlaucht im Lande weilen würden.

Sollten Seine Durchlaucht der regierende Herr wider Erwarten nicht schon etwa anfangs Oktober nach Vaduz kommen können, so wäre zu erwägen, ob nicht Seine Durchlaucht Prinz Karl die Sanktion namens Seiner Durchlaucht hier in Vaduz am Höchsten Geburtsfeste vollziehen sollten und zu diesem Zwecke den Aufenthalt hier entsprechend verlängern sollte. [6]

Wenn die in meinem heutigen Schreiben Z. 4018 auf der vierten Seite oberhalb gemachte Anregung die Höchste Zustimmung finden sollte, so bitte ich um baldige Mitteilung, worüber ich dann den Entwurf eines bezüglichen Höchsten Handschreibens verfassen würde. [7]

Wenn auch praktisch es keine besondere Bedeutung hat, ob die Verfassung einige Wochen früher oder später sanktioniert wird, so würde es doch einen besseren Eindruck machen, wenn die Höchste Sanktion nun in einiger Bälde erfolgen könnte, damit man sich nicht etwa wieder dem Vorwurfe der Verschleppung aussetzt und die bei verschiedenen Persönlichkeiten immer noch vorhandene Befürchtung, dass der Bischof von Chur [Georg Schmid von Grüneck] die Sanktion hintertreiben werde, aus der Welt geschafft wird.

Immerhin liegt es mir selbstverständlich ferne, Seiner Durchlaucht dem regierenden Herrn eine Reise nach Vaduz in einem Zeitpunkte zuzumuten, der Höchstdessen Gesundheit abträglich sein könnte.

Doch gebe ich mich der frohen Hoffnung hin, dass seine Durchlaucht der regierende Herr recht bald in unserer Mitte weilen und hier das Verfassungswerk durch Höchstdessen Unterschrift zum vollen Abschlusse bringen werde.

Genehmigen Sie, sehr geehrter Kabinettsdirektor, die besten Grüssen

Ihres ergebenen

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[1] LI LA RE 1921/4017 ad 963.
[2] LI LA RE 1921/4017 ad 963, Martin an Ospelt, 6.9.1921. In diesem Schreiben teilte Martin mit, dass "die landesherrliche Sanktion der Verfassung […] spätestens in den letzten Monaten des heurigen Jahres in Vaduz erfolgen wird."
[3] LGBl. 1921 Nr. 15.
[4] LI LA RE 1921/4017 ad 963, Aktenvermerk Ospelt, 10.9.1921.
[5] Der 5.10.1921 war der 81. Geburtstag des Fürsten.
[6] Prinz Karl weilte seit dem 7.9.1921 mit seiner Frau Elisabeth in Vaduz, vgl. L.Vo., Nr. 71, 7.9.1921, S. 1 ("Hoher Besuch").
[7] Ospelt schlug in diesem Schreiben (LI LA RE 1921/4018 ad 963) vor, dem Churer Bischof, der wiederholt Änderungswünsche am Verfassungsentwurf vorgebracht hatte, bei der Sanktion der Verfassung entgegenzukommen, indem in einem fürstlichen Handschreiben darauf hingewiesen wird, dass bei der "Ausführung der Verfassung sowie im öffentlichen Leben des Landes nach wie vor die Religion Wegleiterin sein werde." Vgl. dazu LI LA RE 1921/4348 ad 963, Martin an Ospelt, 25.9.1921.