Landesverweser Prinz Karl entwirft eine Amtsinstruktion für die liechtensteinische Gesandtschaft in Wien


Maschinenschriftlicher Entwurf von Landesverweser Prinz Karl von Liechtenstein [1]

o.D. (vor dem 11.8.1919)

Fürstliche Verordnung

vom … betreffend Erlassung einer Amtsinstruktion für die fürstlich liechtensteinische Gesandtschaft in Wien [2]

Auf Grund des § 23 der Landesverfassung vom 26. September 1862 [3] finde Ich den Wirkungskreis der fürstlich liechtensteinischen Gesandtschaft in Wien festzusetzen wie folgt: [4]

§ 1

Der fürstlich liechtensteinischen Gesandtschaft in Wien obliegt die Vertretung der Interessen des Landesfürsten, des fürstlichen Hauses, des Fürstentumes und der in Deutschösterreich lebenden Angehörigen des letzteren.

§ 2

Die Gesandtschaft vermittelt den gesamten Verkehr der fürstlichen Regierung mit Seiner Durchlaucht dem regierenden Fürsten. [5]

§ 3

Sie vermittelt den Verkehr der fürstlichen Regierung mit den deutschösterreichischen Zentralbehörden in Wien sowie mit den höheren Staatsbehörden in Innsbruck.

§ 4

Der Gesandtschaft obliegt die Übermittlung der Vorlagen der fürstlichen Regierung an die fürstliche Rekursinstanz und jener des fürstlichen Landgerichtes an das fürstliche Appellationsgericht an diese Stellen. [6]

§ 5

Ferner obliegt der Gesandtschaft die Ausfertigung der für die Einreise nach Liechtenstein bis auf weiteres erforderlichen Pass-Sichtvermerke an Bewohner Deutschösterreichs. [7]

§ 6

Diese Verordnung tritt mit dem Tage ihrer Kundmachung in Wirksamkeit. [8]

______________

[1] LI LA SF 01/1919/060. Ebd. findet sich ein weiterer, gleichlautender, am 13.8.1919 reingeschriebener Entwurf. Mit Schreiben vom 11.8.1919 unterbreitete Landesverweser Prinz Karl die Entwürfe zweier fürstlicher Verordnungen betreffend die Erlassung von Amtsinstruktionen für die liechtensteinischen Gesandtschaften in Wien und Bern über die liechtensteinische Gesandtschaft an Fürst Johann II. und ersuchte um die Zeichnung derselben (ebd.). Vgl. in diesem Zusammenhang u.a. das Schreiben des Landesverwesers an die liechtensteinische Gesandtschaft in Wien vom 11.7.1919 mit verschiedenen Vorschlägen für die Amtsinstruktion der Wiener Gesandtschaft (LI LA SF 01/1919/048) sowie das Antwortschreiben der Gesandtschaft vom 21.7.1919 (LI LA SF 01/1919/060 (Aktenzeichen 22/4)).
[2] Vgl. dagegen die wesentlich kürzer gehaltene Fürstliche Verordnung vom 14.9.1919 betreffend die Erlassung einer Amtsinstruktion für die Fürstlich Liechtensteinische Gesandtschaft in Bern, LGBl. 1919 Nr. 12.
[3] Nach § 23 Abs. 1 der Verfassung vom 26.9.1862 vertrat der Landesfürst den Staat in allen seinen Verhältnissen gegen auswärtige Staaten. Für den Abschluss gewisser Staatsverträge war jedoch nach § 23 Abs. 2 der Verfassung die Zustimmung des Landtags erforderlich, beispielsweise für die Veräusserung von Staatseigentum, den Verzicht auf Staatshoheitsrechte oder Staatsregale oder die Aufnahme einer Last auf das Fürstentum.
[4] In der Amtsinstruktion für die liechtensteinische Gesandtschaft in Wien kam das Bestreben des Gesandten, Prinz Eduard von Liechtenstein, um möglichst grossen Einfluss zum Ausdruck. Es war der ausgesprochene Wunsch des Prinzen, die Aussenpolitik des Fürstentums in seiner Hand zu zentralisieren. Darüberhinaus strebte Prinz Eduard die Vermittlung zwischen Fürst und Regierung in allen innenpolitischen Angelegenheiten an. Vgl. hiezu etwa das Schreiben von Prinz Eduard an Fürst Johann II. vom 21.9.1919 (LI LA V 003/1167 (Aktenzeichen 237/2)).
[5] Dagegen hatte der Landesverweser nach § 5 der Amtsinstruktion von 1871 für die Landesbehörden des Fürstentums Liechtenstein das Recht, in wichtigen Angelegenheiten unmittelbar dem Landesfürsten zu berichten (Anhang zur Fürstlichen Verordnung vom 30.5.1871 über die Trennung der Justizpflege von der Administration, LGBl. 1871 Nr. 1). – Dieser Passus des Entwurfes wurde nicht in die definitive Fassung der Amtsinstruktion für die Gesandtschaft in Wien übernommen: Vgl. Fürstliche Verordnung vom 5.10.1919 betreffend Erlassung einer Amtsinstruktion für die Fürstlich Liechtensteinische Gesandtschaft in Wien, LGBl. 1919 Nr. 13.
[6] Abweichend in § 3 der definitiven Fassung.
[7] Abweichend in § 4 der definitiven Fassung.
[8] Mit Schreiben vom 4.10.1919 erkundigte sich Landesverweser Prinz Karl bei der liechtensteinischen Gesandtschaft in Wien nach dem Stand der Angelegenheit, da eine Erledigung der übersandten Entwürfe bisher noch nicht eingelangt war (LI LA SF 01/1919/060). – Die Landesgesetzblätter 1919 Nr. 12 und 13 wurden erst am 7.11.1919 ausgegeben.