Johann Franz Paur [Bauer] berichtet dem Fürsten Johann Adam Andreas von Liechtenstein über die Sorgen, dass der frühe Wintereinbruch die Weinernte gefährden könnte.


Durchleuchtigster fürst.

Gnädigster fürst und herr, herr.[1] 

Auß mangel der bis dato noch unerfolgten gnedigisten resolution[2] über die Rennische Hoff[3] und fässer-khäuffe, kan ich principaliter[4] nichts und anbey alleinig undertheinigst berichten, das gleichwie die bezahlung der fassen annoch zue Wienn[5] könde beschechen, also auch, wann nahmens des fürstlichen gotteshauß Einsidlen[6] dem herren von Heinisch[7] respectu[8] des hoffs 1800 fl.[9] geschossen würden gegen original bescheinung, sothaner lifferung ich die 1800 fl. von gedachtem Einsidlen gleich balden hieoben widerumben [...] zu empfangen alberaith nach genuegen versichert seye, und den yberschuss des khauffschillings aus dennen verhoffenden ambtsmittlen beytragen müeste. Mir werden dem tausendt nach capitalia anzuelößen offeriert, ich wais aber unnderthenigist berichteter massen absque parato nummero[10] nichts zue effectuieren[11], sonnder habe letst verwichenen jahrsmarckht die anloßung von juden und christen zue vollbringen, zeithin aus yblen ärgeres zue werden, zuesechen müessen. Hier im landt seindt die angelegene berg völlig mit schnee bedeckht. Dise trohen gefährliche reiffen[12] und sorget menigelich[13] die hoffnung / zue guetem mosst verschwinden und der reebmann die trauben noch vor der zeitigung werde abnehmen muessen, welliches Gott gnedig verhüeten, und nach sovilen fähljahren seine grundgüetigkheit spühren lassen wolle, deren dann ewer hochfürstlich durchlaucht gehorsambst threw eyffrigst ergeben seyn, mit underthenigster meiner empfehlung verbleibende.

Eur hochfürstlich durchlaucht.

Veldtkhirch[14], den 9. Octobris anno[15] 1699.

Underthänigst, threw, gehorsamster diener.

Johann Franz Paur[16], manu propria[17]. /

[Rubrum]

Præsentatum[18], den 20. Octobris 1699.

Schellenbergischer verwalter des veß, hofkäuffe und capitalien anlösung betreffend.

 

[Adresse]

Dem durchleuchtigisten fürsten und herren, herren Johann Adam Andreas, des Heiligen Römischen Reichs[19] fürsten und regiereren des hauß Liechtenstain von Nickolspurg[20], in Schleßien[21] herzog zu Troppaw[22] und Jägerndorff[23], ritteren des Guldinen Flüßes[24], der römisch kayserlichen mayestät[25] würkhlichen gehaimen rath und cammeren, etc. Ihro durchleicht, meinem gnedigisten herren.

Wienn[26] per Feldsperg[27].

Franco ½.[a]

 


______________

[1] Johann Adam I. Fürst von Liechtenstein (30. November 1656–18. Juni 1712). Vgl. Constant von Wurzbach, Biographisches Lexikon des Kaiserthums Österreich, Bd. 15, Leon – Lomeni, L. C. Zamarski, Wien 1866, S. 127.

[2]Beschluss.

[3]Rennhof, Mauren. Vgl. Hans Stricker (Leitung), Toni Banzer Herbert Hilbe (Bearbeiter), Liechtensteiner Namenbuch (LNB). Die Orts- und Flurnamen des Fürstentums Liechtenstein, Bd. 3, Vaduz 1999, S. 474.

[4]hauptsächlich.

[5]Wien (A).

[6]Das Kloster Einsiedeln ist eine Benediktinerabtei in der Gemeinde Einsiedeln (CH). 

[7] Adam Ignaz Edler von Heünisch war als Reichshofratsagent 1698 im Hofkalender erwähnt. Vgl. Österreichische Nationalbibliothek (ÖNB), Sig. 544.720-A.Alt-1698. 

[8]bezüglich.

[9]fl. = Gulden (Florin).

[10]absque parato nummero“: ohne verfügbare Zahl [an Geldern].

[11]bewirken.

[12]Raureif.

[13]bei jedermann.

[14]Feldkirch (A).

[15]im Jahr.

[16]Johann Franz Bauer [Paur] (gest. 1715/16) studierte ab 1670/71 Rechtswissenschaften in Freiburg im Breisgau. Als Dr. beider Rechte machte er Karriere als Oberamtmann des Reichsstifts Rottenmünster und ab 1688 in hohenemsischen Diensten. Von 1699 bis 1715 war er fürstlich liechtensteinischer Amtmann und Verwalter der Herrschaft Schellenberg. Ab 1700 veranlasste er den Kauf zweier Brandstätten in Feldkirch und ließ auf diesen das fürstlich liechtensteinische Haus errichten, in welchem er bis zu seinem Tod wohnte. Vgl. Brief an den fürst-liechtensteinischen Buchhalter Nowak betreffend den Nachlass von Johann Franz Paur und das Haus in Feldkirch, Konz., Schloss Judenau 1716 August 3, SL-HA, unfol.; sowie die gesamte Verwaltungskorrespondenz Paurs mit Fürst Johann Adam Andreas von Liechtenstein von 1699 bis 1712, SL-HA, H 2609, 2010, 2611; Karlheinz Burmeister, Johann Franz Bauer, in: Historisches Lexikon des Fürstentums Liechtenstein, Projektleiter: Arthur Brunhart; Red.: Fabian Frommelt ...[ et al.], Zürich 2013, Bd. 1, S. 72.

[17]eigenhändig.

[18]Vorgelegt.

[19] Heiliges Römisches Reich war die offizielle Bezeichnung für den kaiserlichen Herrschaftsbereich vom Mittelalter bis zum Jahre 1806. Der Name des Reiches leitet sich vom Anspruch der mittelalterlichen Herrscher ab, die Tradition des antiken Römischen Reiches fortzusetzen und die Herrschaft als Gottes Heiligen Willen im christlichen Sinne zu legitimieren. Zur Unterscheidung vom 1871 gegründeten Deutschen Reich wird es auch als das Alte Reich bezeichnet. Vgl. Klaus Herbers, Helmut Neuhaus, Das Heilige Römische Reich – Schauplätze einer tausendjährigen Geschichte (843–1806). Böhlau-Verlag, Köln-Weimar 2005.

[20]Nikolsburg (Mikulov), Stadt (CZ).

[21]Schlesien ist eine Region in Mitteleuropa.

[22]Troppau (Opava) war die Residenzstadt des ehemaligen Herzogtums Troppau (CZ).

[23] Jägerndorf (Krnov) war die Residenzstadt des ehemaligen Herzogtums Jägerndorf (CZ).

[24] Der Orden vom Goldenen Vlies (Flüss) ist ein burgundischer Ritterorden.

[25]Leopold I. (9. Juni 16405. Mai 1705) aus dem Hause Habsburg, war von 1658 bis 1705 Kaiser des Heiligen Römischen Reiches sowie König von Ungarn (ab 1655), Böhmen (ab 1656), Kroatien und Slawonien (ab 1657). Vgl. Kerry R. J. Tattersall, Leopold I., Wien 2003.

[26]Wien (A).

[27] Feldsberg (Valtice), Stadt (CZ).

 


[a] Über der Adresse ist ein rotes Lacksiegel aufgedrückt.