Johann Franz Paur [Bauer] berichtet dem Fürsten Johann Adam Andreas von Liechtenstein über die Verkaufsverhandlungen der Grafschaft Vaduz und die alternative Kreisbeschickung durch das Haus Hohenems.


Durchleuchtigister fürst.

Gnedigister fürst und herr, herr, etc., etc.[1]

Von Kempten[2] werde dieser tagen verstendiget, das super coalienatione[3] Vaduz[4] der 6. Septembris negstkhünfftig ad tractandum[5] von kayserlicher commissions wegen angesezet, und ein dises ewer hochfürstlich durchlaucht von dorten notificiert[6] worden seye. Nun solle neben anderen meinen hiebevorigen vorstellungen aus antrib meiner threw gehorsambsten schuldigkheit ferner undertheinigst zue repræsentieren[7] nit unnderlassen, das bei sollichen tractaten gleich bey denen hochgräflichen reichserbtruchsässischen häußeren Zeyl und Wurzach[8], Wolffegg und Waldtsee[9], etc., item[10] dennen Fuggerischen[11] häußeren zue geschechen pflegt, neben all annderen prærogativen[12], auch die alternativ crayßbeschickhung beobachtet, und eine solliche dem hauß Embs qua Embs[13] zue evitierung[14] einer exinde[15] scheinenden superiorität[16] und subiection[17] alleinig nit concerdiert[18], sonnder man respectu paris oneris[19] bey sothaner abenderung des hauses, nammens und herrschaffts, auch in gleiche prærogativ kheufflich immittiert[20] zue werden sich bedingen und referieren möchte, und zwar umb so mehrer, als das hauß Embs ante hac[21] wegen Vaduz, neben dem Embs qua[22] embßischen ein / absonderliches votum prætendiert[23] hat, consequenter[24] Vaduz ut pars non solum integrans, sed totum pro parte dimidia constituens[25], auch bey gesambten fürsten und ständen ein unfehlbahres williges gehör finden würdet. Ewer hochfürstlichen durchlaucht euffrigest erlassen in allertieffestem respect gehorsambest verbleibende.

Ewr hochfürstlich durchlaucht.

Veldtkhirch[26], den 13. Augusti anno[27] 1700.

Underthänigster, threw gehorsamster diener.

Johann Franz Paur[28]./

[Rubrum]

Præstentatum[29], den 25. Augusti 1700.

Schellenbergischer verwalter die alienation Vaduz und die beobachtung der alternativ craißbeschikung mit Hohenembs betreffend.

[Adresse]

Dem durchleuchtigisten fürsten und herren, herren Johann Adam Andreas, des Heyligen Römischen Reichs[30] fürsten und regiereren des hauß Liechtenstein von Nickholspurg[31], in Schleßien[32] herzogen zue Troppaw[33] und Jägerndorff[34], rütteren des Guldenen Flüss[35], der römisch kayserlichen mayestät[36] etc. etc. würkhlichen gehaimben rath und cammereren, etc. Ihro durchlaucht, meinem genedigisten herren.

Wien[37] per[38] Feldtsperg[39][a]

Franco ½.

 


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[1] Johann Adam I. Fürst von Liechtenstein (30. November 1656–18. Juni 1712). Vgl. Constant von Wurzbach, Biographisches Lexikon des Kaiserthums Österreich, Bd. 15, Leon – Lomeni, L. C. Zamarski, Wien 1866, S. 127.

[2]Fürstabtei Kempten in Kempten (D).

[3]über den Verkauf.

[4]Vaduz (FL).

[5]zur Verhandlung.

[6]mitgeteilt.

[7]darzulegen.

[8] Die Adelsfamilie Waldburg-Zeil-Wurzach ist ein Zweig des ursprünglich welfisch-staufischen Ministerialengeschlechts Waldburg, der 1674 entstand.

[9] Die Adelsfamilie Waldburg-Wolfegg ist ein Zweig des ursprünglich welfisch-staufischen Ministerialengeschlechts Waldburg, der 1595 entstand.

[10]auch.

[11]Die Grafen von Fugger sind ein schwäbisches Kaufmannsgeschlecht.

[12]Vorrechten.

[13]Hohenems in der Eigenschaft als Hohenems.

[14]Vermeidung.

[15]hierauf.

[16]Vorrang; höheren Stellung; Überlegenheit.

[17]Abhängigkeit; Unterwerfung.

[18]argumentiert; kämpft.

[19]respectu paris oneris“: wegen gleichen Lasten. 

[20]hineingelassen.

[21]davor.

[22]in der Eigenschaft als. Vgl. Karl E. Demandt, Laterculus Notarum. Lateinisch-deutsche Interpretationshilfe für spätmittelalterliche und frühneuzeitliche Archivalien (Veröffentlichungen der Archivschule Marburg 7, 1998), S. 209.

[23]Stimmrecht zum Vorwand genommen.

[24]infolge.

[25]utpars non solum integrans, sed totum pro parte dimidia constituens“: als Teil nicht nur eingebunden, sondern [Vaduz] als Ganzes für seinen Teil nur zur Hälfte festgesetzt ist. 

[26]Feldkirch (A).

[27]im Jahr.

[28]Johann Franz Bauer [Paur] (gest. 1715/16) studierte ab 1670/71 Rechtswissenschaften in Freiburg im Breisgau. Als Dr. beider Rechte machte er Karriere als Oberamtmann des Reichsstifts Rottenmünster und ab 1688 in hohenemsischen Diensten. Von 1699 bis 1715 war er fürstlich liechtensteinischer Amtmann und Verwalter der Herrschaft Schellenberg. Ab 1700 veranlasste er den Kauf zweier Brandstätten in Feldkirch und ließ auf diesen das fürstlich liechtensteinische Haus errichten, in welchem er bis zu seinem Tod wohnte. Vgl. Brief an den fürst-liechtensteinischen Buchhalter Nowak betreffend den Nachlass von Johann Franz Paur und das Haus in Feldkirch, Konz., Schloss Judenau 1716 August 3, SL-HA, unfol.; sowie die gesamte Verwaltungskorrespondenz Paurs mit Fürst Johann Adam Andreas von Liechtenstein von 1699 bis 1712, SL-HA, H 2609, 2010, 2611; Karlheinz Burmeister, Johann Franz Bauer, in: Historisches Lexikon des Fürstentums Liechtenstein, Projektleiter: Arthur Brunhart; Red.: Fabian Frommelt ...[ et al.], Zürich 2013, Bd. 1, S. 72.

[29]Vorgelegt.

[30] Heiliges Römisches Reich war die offizielle Bezeichnung für den kaiserlichen Herrschaftsbereich vom Mittelalter bis zum Jahre 1806. Der Name des Reiches leitet sich vom Anspruch der mittelalterlichen Herrscher ab, die Tradition des antiken Römischen Reiches fortzusetzen und die Herrschaft als Gottes Heiligen Willen im christlichen Sinne zu legitimieren. Zur Unterscheidung vom 1871 gegründeten Deutschen Reich wird es auch als das Alte Reich bezeichnet. Vgl. Klaus Herbers, Helmut Neuhaus, Das Heilige Römische Reich – Schauplätze einer tausendjährigen Geschichte (843–1806). Böhlau-Verlag, Köln-Weimar 2005.

[31]Nikolsburg (Mikulov), Stadt (CZ).

[32]Schlesien ist eine Region in Mitteleuropa.

[33]Troppau (Opava) war die Residenzstadt des ehemaligen Herzogtums Troppau (CZ).

[34] Jägerndorf (Krnov) war die Residenzstadt des ehemaligen Herzogtums Jägerndorf (CZ).

[35] Der Orden vom Goldenen Vlies (Flüss) ist ein burgundischer Ritterorden.

[36]Leopold I. (9. Juni 16405. Mai 1705) aus dem Hause Habsburg, war von 1658 bis 1705 Kaiser des Heiligen Römischen Reiches sowie König von Ungarn (ab 1655), Böhmen (ab 1656), Kroatien und Slawonien (ab 1657). Vgl. Kerry R. J. Tattersall, Leopold I., Wien 2003.

[37]Wien.

[38]über.

[39] Feldsberg (Valtice), Stadt (CZ).

 


[a]Darüber ist ein rotes Lacksiegel aufgedrückt.