Julius Landmann berät Prinz Karl von Liechtenstein in Bezug auf die geplante Bankgründung


Maschinenschriftlicher Brief an Landesverweser Prinz Karl von Liechtenstein, gez. Julius Landmann[1]

20.8.1920

Basel, den 20. August 1920

Seiner Durchlaucht
Prinzen Karl von und zu Liechtenstein,
Landesverweser des Fürstentums Liechtenstein in Vaduz

Euer Durchlaucht

danke ich herzlich für das Zeichen freundlichen Gedenkens aus der Steiermark und bekenne mich zum Empfange der Zuschrift vom 11. d.M.[2] Letztere ist, weil nach Basel adressiert, hier liegen geblieben und da ich gestern erst aus Bad Nauheim zurückgekehrt bin, so komme ich leider erst heute dazu, Euer Durchlaucht in der Sache zu schreiben. Ich bitte vielmals um Entschuldigung dieser mir sehr peinlichen Verzögerung, muss aber leider an diese Bitte sogleich eine zweite knüpfen: am 30. d.M. tritt eine vom Vorsteher des eidg. Finanzdepartements einberufene Konferenz zur Besprechung der schweizerischen Finanzreform zusammen, und da ich in dieser Konferenz zu zwei Punkten, Couponstempelabgaben und Besteuerung des Luxusverbrauches, Referent bin, so muss ich die wenigen Tage, die noch verfügbar sind, für die Vorbereitung auf die Konferenz zusammenhalten. Ich wäre infolge dessen Euer Durchlaucht sehr dankbar, dürfte ich die Erstattung des neuerdings gewünschten Gutachtens bis nach Schluss der vorerwähnten Konferenz aufschieben. Sollte dies aber nicht angängig sein, so bitte ich Euer Durchlaucht um baldigste Mitteilung, dass die Erledigung dringlich gewünscht wird, und ich würde in diesem Falle sehen, das Gutachten doch noch vor dem 30. d.M. zu erstatten.

Prima vista möchte ich, nur zu Euer Durchlaucht persönlicher und vertraulicher Kenntnisnahme, bemerken:

  1. Das „Gutachten betr. die vorliegenden Entwürfe für die Errichtung einer Notenbank im Fürstentum Liechtenstein“ machte mir einen sehr schwächlichen Eindruck; es haftet an Kleinigkeiten, bringt keinen neuen Gesichtspunkt zur Diskussion und ist meines Erachtens ziemlich unerheblich. Immerhin werde ich auf einzelne, der darin berührten Fragen eintreten.
  2. Die zwei Gutachten, von welchen das eine bezeichnet ist als „Mitteilungen eines Schweizer Bankfachmannes,“ das zweite als „Mitteilungen eines Bankfachmannes in Wien“ dürften die gleiche Quelle haben. Was den angeblichen Schweizerbankfachmann angeht, so glaube ich nicht, dass dieser, wenn er überhaupt in der Schweiz sitzt, hier eine irgend beträchtliche Stellung einnimmt. Dafür scheinen mir seine Äusserungen zu naiv zu sein. Die in den beiden Gutachten zum Ausdruck kommende Auffassung, als könnte man die Schweizer Nationalbank, eventuell sogar mit ihrerseits zu bringenden Opfern, zur Durchführung der Liechtenstein'schen Währungsreform heranziehen, ist kindisch. Auch darüber werde ich mich im Gutachten ausführlicher äussern.
  3. Die Anfrage durch Herrn Leg.Rat [Emil] Beck in Bern, ob die Einführung der Frankenwährung in Liechtenstein nicht etwa übel in Bern aufgefasst werden könnte, war vielleicht nicht opportun. Denn was Liechtenstein plant, ist nichts Anderes, als was die Schweiz selbst 1849 getan hat. Damals hat die Schweiz, auf dem Wege der autonomen Landesgesetzgebung, ohne irgend welche vertraglichen Vereinbarungen mit Frankreich, die Frankenwährung eingeführt und Frankenmünzen französischen Gepräges zum gesetzlichen Zahlungsmittel in der Schweiz erklärt. Heute will Liechtenstein dasselbe tun. Es würde mich interessieren zu erfahren, welche Antwort Herr Beck in Bern erhalten hat. Für den Fall, dass in Bern irgend welche Bedenken geäussert worden wären, wäre es vielleicht zweckmässig, wollte sich Herr Dr. Beck mit mir in Beziehung setzten.
  4. Ich gehe mit Euer Durchlaucht ganz und gar darin einig, dass die wesentliche Schwierigkeit in dem Misstrauen besteht, welches Seine Durchlaucht der regierende Fürst [Johann II.] dem Gründerkonsortium gegenüber hegt, und stehe meinerseits nicht an zu erklären: soferne dieses Misstrauen gerechtfertigt sein sollte, dürfte die Bank unter keinen Umständen ins Lebens treten; denn die Interessen des Landes werden viel zu eng mit denjenigen der Bank verknüpft, als dass es angängig erschiene, die Bank dem Einflusse von Elementen auszuliefern, welchen von vorherein Misstrauen entgegengebracht werden muss. Persönlich bin ich in der Meinung, dass das Misstrauen, soweit es sich gegen [Alfred] Treichl und die Anglobank richtet, unbegründet ist. Ich habe mehrmals mit Dr. Treichl verkehrt, dabei stets den Eindruck erhalten, dass ich mit einem wohl auf den Vorteil seines Concerns bedachten, aber auch durchaus korrekten und loyalen, ja ich will direkt zusagen: grundanständigen Menschen spreche. Und ich glaube, dass auch seine Stellung als Direktor der Anglobank eine gewisse Gewähr dafür gibt, dass dieser persönliche Eindruck zutreffend sein dürfte. Soweit es angängig ist, in Entschliessungen von derart erheblicher Tragweite persönlichen Eindrücken zu folgen (Zwischenfrage: worauf soll man schliesslich die Urteilsbildung stützen, wollte und sollte man dem eigenen Eindruck nicht mehr trauen?), so würde ich keine Bedenken tragen, die Bank zu konzessionieren, wenn ich die Gewissheit hätte, dass Treichl mit seiner Person für die Geschäftsführung der Bank einsteht. Nun besteht aber das Gründerkonsortium nicht allein aus der Anglobank, neben dieser wird als Mitgründer genannt Herr Peter Westen. Euer Durchlaucht werden sich erinnern, dass ich in letzter Stunde, am Morgen des 1. April, vor der Unterzeichnung der Vereinbarung, Euer Durchlaucht gegenüber meine Bedenken hinsichtlich der Person Peter Westen zum Ausdruck gebracht habe. Wir wurden damals Beide beruhigt durch die Äusserungen des Herrn Treichl, der insbesondere darauf hingewiesen hat, dass Seine Durchlaucht der regierende Fürst auf die Mitwirkung des Herrn Peter Westen Wert legt. Auch ist zu berücksichtigen, dass die Anglobank nur einer ihr von Vaduz auferlegten Bedingung folgend sich mit Herrn Peter Westen verbunden hat. Ich teile die Auffassung Euer Durchlaucht, dass bei der gegebenen Situation nichts endgültig Bindendes geschehen darf, ehe zuverlässige Informationen über die Person des Herrn Westen vorliegen. Solche Informationen könnten z. T. auch bei Banken eingezogen werden. Ich zweifle nicht, dass wenn Se. Durchlaucht Prinz Eduard, persönlich und nicht an subalterner Stelle, unter Darlegung der Situation bei den Direktoren sage z.B. der Österreichischen Kreditanstalt für Handel und Gewerbe, der Niederösterreichischen Escomptegesellschaft und der Österreichischen Bodenkreditanstalt Auskünfte erbittet, diese Auskünfte ihm in zuverlässiger Weise erteilt werden dürften. Weitere Auskünfte wären wohl erhältlich bei den Präsidenten der Kriegsgesellschaften derjenigen Branchen, in welchen Herr Westen industriell tätig ist. Ich würde empfehlen, weitere Auskünfte, unter Hinweis auf die Bedeutung der Frage, einzuziehen: bei der Niederösterreichischen Handelskammer in Wien, beim Niederösterreichischen Gewerbeverein (Generalsekretär Dr. Kobatsch, und bei den bekannten grossen Wiener Privatbankiers Thorsch, Reizes, Rothschild), bei Letzterem persönlich durch Se. Durchlaucht den Prinzen Eduard, unter Hinweis auf die Bedeutung der Frage. Sollten Euer Durchlaucht dies wünschen, so wäre ich bereit, von hier aus, z.B. durch die Direktion der Schweizer. Kreditanstalt, Auskünfte einziehen zu lassen. Ich werde selbstverständlich in meinem Gutachten diese persönliche Seite der Frage stark in den Vordergrund rücken und in unzweideutiger Weise betonen, dass das Land sich mit keiner Bank verbinden darf, solange die absolute Integrität der hinter der Bank stehenden Personen und Interessen Anlass zu Zweifeln gibt.

Mit hochachtungsvollem Grusse bin ich Euer Durchlaucht sehr ergebener

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[1] LI LA SF 1/1920/115.
[2] Nicht bei den Akten.