Landesverweser Karl von Liechtenstein stellt bei Fürst Johann II. den Antrag, das gegen Andreas Vogt eingeleiteten Strafverfahren wegen dessen Ausruf im Landtag "Nieder mit der Regierung, hoch die Republik" niederzuschlagen


Maschinenschriftlicher Bericht und Antrag, gez. Landesverweser Karl von Liechtenstein[1]

5.3.1920

E. D. [2]

Bericht betr. Abolition für  Andreas Vogt, in Balzers [3]

Aus mehreren mündlichen Vorträgen Seiner Durchlaucht des Herrn Gesandten [Eduard von Liechtenstein] in Wien dürften Euere Durchlaucht [Johann II. von Liechtenstein] Kenntnis haben von einem Strafverfahren, das gegen den Balzner Bürger Andreas Vogt wegen Verbrechens der Störung der öffentlichen Ruhe nach § 65 a St. G. beim fürstlichen Landgerichte gegenwärtig anhängig ist.

Der Sachverhalt ist kurz folgender: Bei der Landtagssitzung vom 25. November 1919 rief der im Zuhörerraume des Landtagssaales anwesende Vogt laut in den Saal hinaus, „Nieder mit der Regierung, hoch die Republik“. Diese Tatsache wurde vom Landtagspräsidenten [Fritz Walser] dem fürstl. Landgerichte angezeigt und hierauf das Strafverfahren eingeleitet. Andreas Vogt hat sich im Laufe der Untersuchung dahin verantwortet, er habe sich sehr geärgert, dass der Landtagspräsident mehrere Bravorufe, die der Opposition gegolten haben, rügte, während dies bei Bravorufen zur Rede Seiner Durchlaucht des Herrn Landesverwesers nicht geschehen sei. Vogt habe die Rede des Herrn Landesverwesers als Schmährede gegen [Wilhelm] Beck aufgefasst usw. usw. Die inkriminierten Äusserungen seien ihm nur in der Erregung entschlüpft und haben keineswegs Euerer Durchlaucht gegolten. Die Voruntersuchung in diesem Strafverfahren ist bereits abgeschlossen, der Staatsanwalt hat schon die Anklage erhoben und die Schlussverhandlung wird jedenfalls in Bälde stattfinden.

In Verfolgung der bei Euerer Durchlaucht bereits mündlich unternommenen Schritte des Herrn Wiener Gesandten gestatte ich mir aber zu beantragen Euere Durchlaucht wollen gnädigst verfügen, dass das Strafverfahren gegen Andreas Vogt niedergeschlagen und eine weitere Verfolgung Vogts wegen der inkriminierten Äusserungen nicht stattfinden werde.

Zu diesem Antrage bestimmen mich weniger Befürchtungen, es könne anlässlich der Verurteilung Vogts zu Demonstrationen kommen, als vielmehr die Sorge, die Verurteilung könnte den Vogt zum politischen Märtyrer stempeln und einen Glorienschein um sein Haupt weben. Schliesslich leiten mich bei diesem Antrage auch Gründe rein menschlicher Art. Vogt ist lange Jahre in der Schweiz in Arbeit gestanden, die sozialdemokratischen Ideen haben sehr auf ihn eingewirkt, umsomehr, als er ein geistig nicht gerade hoch stehender Mann ist, und schliesslich ist er Witwer und Vater einiger Kinder, die während einer gefänglichen Anhaltung ihres Vaters und Ernährers in Not geraten könnten.

All diese Gründe lassen es mir geraten erscheinen, Euerer Durchlaucht ehrerbietigst zu empfehlen, meinem Antrage stattzugeben.

Vaduz, am 5. März 1920

Euerer Durchlaucht

K. v. L. [4]

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[1] LI LA SF 1/1920/035. Registraturvermerk: „35 / Präs.“ Zur Sache: Mit diesem Antrag kam Karl von Liechtenstein einem Wunsch von Eduard von Liechtenstein nach, der in Wien bereits entsprechende Gespräche geführt hatte. Vgl. Schreiben von Eduard von Liechtenstein an die Regierung vom 282.2.1920.
[2] Handschriftlich eingefügt.
[3] Handschriftliche eingefügt.
[4]Handschriftliche Initialen.  Randvermerk: „Reingeschr., 5 III. 1920“.