Das Volksblatt berichtet über den Einsatz der Mitglieder des Fürstenhauses Liechtenstein im Ersten Weltkrieg


Zeitungsbericht  in zwei Folgen, nicht gez. [1]

13.2.1915 und 20.2.1915

Das fürstliche Haus Liechtenstein und der Krieg.

Der jetzt tobende Weltkrieg sah, wie dies seit frühesten Zeiten den Traditionen des fürstlichen Hauses Liechtenstein entspricht, die waffenfähigen Prinzen als Kämpfer für Heimat und Recht in seinen Reihen.

Die unzähligen Beweise besonderer Menschenfreundlichkeit und patriotischen Empfindens, die Seine Durchlaucht der regierende Fürst [Johann II. von Liechtenstein] im Verlaufe dieses Feldzuges gegeben hat, hier aufzuzählen — ginge weit über den Rahmen dieser Ausführungen, es darf aber wohl gesagt werden, dass all' die zahlreichen Hilfsaktionen, welche in Wien und dem Bereiche der hochfürstlichen Besitzungen für die Soldaten im Felde, für deren zurückgebliebene Witwen und Waisen und insbesondere zu Gunsten der Verwundeten eingeleitet wurden, in Seiner Durchlaucht einen generösen Förderer gesunden haben.

Gleich zu Anfang des Krieges stellte der regierende Fürst eine hohe Summe dem roten Kreuze und dem Kriegshilfsbüro zur Verfügung, widmete einen bedeutenden monatlichen Beitrag zur Beköstigung Arbeitsloser in Wien und der Provinz und schuf vor allem Unterkünfte für Verwundete, in welchen dieselben ganz auf Kosten des hohen Herrn aufgenommen und verpflegt werden.

Das grösste dieser geschaffenen Lazarete befindet sich in Feldsberg in Niederösterreich an der Bahn Lundenburg — Znaim. Hier steht das von Seiner Durchlaucht dem regierenden Fürsten den grössten Teil des Jahres über bewohnte Schloss Feldsberg. Durch zweckmässige Adaptierungen und mit grösstem Eifer betriebene sonstige Einrichtungen wurden drei räumlich nur wenige Minuten von einander getrennte Heilanstalten geschaffen, welche von der Nordbahnstation „Kinderasyl" leicht zu erreichen sind.

Das grösste der drei Objekte, das im Jahre 1605 von dem ersten Fürsten von Liechtenstein, Fürst Karl, gegründete Spital der Barmherzigen Brüder, enthält zirka 60 Betten, das vom jetzt regierenden Fürsten erbaute, ganz modern eingerichtete Frauenspital ist auf die Unterbringung von 40 Verwundeten eingerichtet worden und entspricht ebenso wie das erstgenannte allen neuzeitlichen Anforderungen. Ausserdem wurde für rekonvaleszente Soldaten, welche nicht mehr an das Bett gefesselt sind, ein fürstliches Haus eingeräumt.

Opferwillige Frauen und Mädchen der Feldsberger Bevölkerung übernahmen nach vorheriger Absolvierung eines kurzen medizinischen Kurses bei dem Primär-und Leibarzt Seiner Durchlaucht des regierenden Fürsten, Dr. Lauschmann, die Pflege der Verwundeten im Vereine mit den Barmherzigen Brüdern und Schwestern der beiden Anstalten, andere widmeten sich wieder den vermehrten Küchenarbeiten und dienten auf diese Weise den Verwundeten und damit dem Vaterlande.

Sechs Kilometer von Feldsberg und von diesem auf schnurgerader Strasse erreichbar, liegt Eisgrub mit der Sommerresidenz des regierenden Fürstenhauses, einem herrlichen Schlosse in gotischem Stiel. [!]

Mit Ausbruch des Krieges beauftragte der Fürst Seine Hofkanzlei, Vorschläge behufs Unterbringung verwundeter Soldaten im Schlosse selbst zu unterbreiten, aus verkehrstechnischen und sanitären Rücksichten musste man jedoch von dieser grosszügigen und menschenfreundlichen Idee absehen. Dafür wurde das dort bestehende und von dem jetzt regierenden Fürsten erbaute Spital der Barmherzigen Schwestern sowie der dazu gehörige Kindergarten für die Aufnahme von Verwundeten eingerichtet. Das mit Operationssaal, Badezimmer, Isolierzimmer etc. ausgestattete Krankenhaus wurde in seinen Einrichtungen vervollständigt und dient heute zur Unterbringung und Verpflegung von zirka 40 Hilfsbedürftigen. Als sich in letzter Zeit die Notwendigkeit ergab, rekonvalescente Soldaten, welche eine direkte Spitalsbehandlung nicht bedürfen, anderwärts unterzubringen, wurde das reizende, für diesen Zweck wie geschaffene Mendelinstitut für Pflanzenzüchtung in Eisgrub, gleichfalls eine Schöpfung des jetzt regierenden Fürsten, hiezu bestimmt, in welchem 10 Soldaten beste Pflege finden.

Eisgrub ist durch eine Zweigbahn mit dem Hauptbahnhofe in Lundenburg verbunden, die Transporte gehen mit derselben bis an Ort und Stelle. Den ärztlichen Dienst versieht der Herrschaftsarzt Dr. Poisl, welcher nach dreimonatlichem Kriegsdienst als Oberarzt krankheitshalber beurlaubt werden musste und jetzt die Leitung des Reservespitales übernommen hat. Vorher wurde das Spital von Feldsberg aus administriert.

Die Spitalkost in Feldsberg wie auch in Eisgrub wird durch die Erträgnisse des Gutes Feldsberg wie Wild, Wein etc. erheblich aufgebessert.

In sämtlichen Spitälern von Feldsberg und Eisgrub wurden bis zum 31. Dezember auf Kosten des regierenden Fürsten verpflegt: 15 Offiziere durch 186 Tage und 366 Mann durch 3292 Tage.

Das in Böhmen gelegene, 15 km von Prag entfernte Schloss Kolodej, welches im Jahre 1911 niederbrannte, seither jedoch wieder vollständig aufgebaut wurde, sollte gleichfalls zur Unterbringung von Verwundeten verwendet werden. Leider konnte das mit ziemlichen Opfern bereits fertig gestellte Lazaret mangels einer ärztlichen Leitung nicht in Benützung genommen werden. Die Spitaleinrichtung fand später in Eisgrub und Butschowitz gute Verwendung. Besonderes Interesse bringt der regierende Fürst der Ausgestaltung eines neuen Sanitätszuges entgegen, welcher abweichend von den bisher bestehenden, einen vollständig eingerichteten Operationssaal sowie zwei Kraftwagen für Krankentransporte mitführt, mit welchen die Verwundeten unmittelbar aus der Front geholt und in den Zug gebracht werden, der sie sodann in ein Spital des Hinterlandes befördert.

Auch das Spital in Mödling, welches in einer Schule untergebracht ist, wurde vom Fürsten in besonders munifizenter Weise unterstützt, aller täglich einlaufenden Gesuche um Beiträge nicht zu gedenken.

Die jetzt in Wien von Hofrat Professor [Julius] von Hochenegg ins Leben gerufene „Schule der Einarmigen", eine Anstalt, welche es den Amputierten ermöglichen soll, ein ihren Vorkenntnissen oder Professionen entsprechendes Gewerbe zu erlernen und zu betreiben, findet in der Person des regierenden Fürsten einen besonderen Gönner. (Fortsetzung folgt.) [2]

Der Bruder des regierenden Fürsten, Prinz Franz sen. übernahm bei Ausbruch der Feindseligleiten das Kommando des von dem souveränen Malteserorden beigestellten und ausgerüsteten Verwundetentransportzuges A mit welchem er, in Gemeinschaft mit dem Subkommandanten des Zuges, Herzog Miguel von Braganza und den beiden Ärzten Hofarzt Dr. Arthur Ritter von Bielka von Karltreu und Dr. Erich Ritter von Schrötter-Kristelli in der Zeit vom 21. August 1914 bis Ende Dezember unter Zurücklegung einer Strecke von über 14'500 km in 13 Verwundetentransporten 218 Offiziere und 1810 Mann, zumeist schwerverwundete, abtransportierte.

Von diesen 13 Transporten entfielen 2 auf den südlichen und die übrigen auf den nördlichen Kriegsschauplatz. Die Verwundeten wurden teils nach Agram, teils nach Budapest, Wien, Feldsberg, Innsbruck und Berlin gebracht.

Um den Wert der Sanitätszüge richtig beurteilen zu können, muss man bedenken, dass dieselben zeitweilig, wenn es die Lage erlaubt, bis an die Front heranfahren, die Verwundeten direkt aus der Schwarmlinie aufnehmen und so denselben das mit Recht so gefürchtete Herumliegen auf den Verwundetenplätzen ersparen. So traf beispielsweise der vierte Transportzug A am 12. September um 1 Uhr nachts in Kamienobrod ein und kam bis zur Schwarmlinie. Die Verwundeten konnten so direkt vom Schlachtfelde in den Zug gebracht werden. Um 4 Uhr früh war der Zug mit Verwundeten gefüllt und fuhr noch in der Dämmerung entlang einer viele Kilometer langen Reihe in Schwarmlinie liegenden Soldaten. Die Russen waren kaum 3 km entfernt und deutlich war das Maschinen- und Einzelgewehrfeuer, überdröhnt von dem Donner der Geschütze, zu vernehmen.

Der fünfte Transport aus Radom hatte zumeist deutsches Militär geladen und ging nach Berlin, wo seiner ein enthusiastischer Empfang wartete. Von Berlin wurde nach dreitägigem Aufenthalte wieder nach Radom gefahren, das bereits von den Russen stark bedrängt wurde. In der Nacht wurde die Verladung der Verwundeten vorgenommen und am nächsten Vormittag beendet. Damals war der ganze Bahnhof von den österreichischen Truppen bereits unterminiert und wurde bald nach Verlassen des Sanitätszuges, um dem Feinde den Bahnverkehr zu unterbinden, in die Lust gesprengt.

Der Kommandant Prinz Franz von und zu Liechtenstein wurde von Seiner Majestät dem deutschen Kaiser mit dem eisernen Kreuze ausgezeichnet.

Prinz Alois, der Gemahl Ihrer kaiserlichen Hoheit Frau Prinzessin Elisabeth, Erzherzogin von Österreich, wurde zu Beginn des Krieges zum Major im …ten Uhlanen-Regiment befördert und hat als Kommandant sämtliche Übergänge über die Drina und Save sowie Vormärsche nach Serbien mitgemacht.

Seine Brüder, die Prinzen Franz jun. und Alfred, beide jetzt Rittmeister in demselben Regimente, waren damals als Oberleutnants bei der Nordarmee eingeteilt. Prinz Franz wurde nach zweimonatlicher Kriegsdienstleistung und Absolvierung unglaublicher Strapazen krankheitshalber beurlaubt und ist derzeit noch nicht völlig hergestellt.

Prinz Alfred erlitt ungefähr zur selben Zeit bei einem Sturze mit seinem Pferde einen Splitterbruch des Unterschenkels und musste sich in einem Wiener Sanatorium einer Operation unterziehen. Nunmehr befindet er sich auf dem Wege der vollständigen Heilung.

In den letzten Novembertagen wurde Prinz Heinrich, welcher als aktiver Rittmeister im …ten Dragonerregiment diente und der Armee Hindenburg zugeteilt war, durch einen Schuss in den Kopf, welcher unterhalb des rechten Auges eindrang, verwundet. Mit dieser schweren Verletzung war der Prinz gezwungen, tagelang in grösster Kälte auf einem Leiterwagen sich weiter befördern zu lassen, bis er in Rosenberg glücklicherweise ein Militärauto benützen konnte, welches ihn nach Breslau in die Augenklinik überführte. Von dort wurde er nach Wien und später nach Schloss Liechtenstein bei Mödling gebracht, wo er nunmehr seiner teilweisen Wiederherstellung entgegegensieht. Die Sehkraft seines rechten Auges ist stark beeinträchtigt.

Ein weiterer Bruder, Prinz Karl, stand als Oberleutnant bei den berittenen dalmatinischen Landesschützen als Ordonanzoffizier bei der 8. Gebirgsbrigade in Serbien oftmals im Gefechte, bis auch ihn vor Kurzem sein Kriegs glück verliess und er durch einen Schuss durch Brust und Schulter, welcher aber glücklicherweise edle Organe nicht verletzte, verwundet wurde. Er befindet sich derzeit gleichfalls auf Schloss Liechtenstein und auf dem Wege der Besserung.

Prinz Johannes ist Marineattaché in Rom.

Somit sind von fünf in das Feld gerückten Prinzen der steirischen Linie des Hauses Liechtenstein bereits vier teils verwundet, teils krank zurückgekehrt und die Prüfung, die der Mutter derselben, Frau Prinzessin Henriette von und zu Liechtenstein, einer Schwester des regierenden Fürsten, auferlegt ward, ist wohl keine leichte zu nennen.

Wie allenthalben bekannt, ist Dr. Prinz Eduard Liechtenstein, Chef des Kriegshilfsbüros des Ministeriums des Innern, in welcher Stellung er durch mannigfache Anregungen zu humanitär-patriotischen Spenden, unter anderem auch durch die Herausgabe eines „Patriotischen Bilderbuches", zu welchem er selbst das Vorwort verfasste, immer neue Mittel für die Zurückgebliebenen der Soldaten und die Arbeitslosen zu beschaffen weiss.

Die Gemahlin des Prinzen leitete den Verkauf der Allerheiligenblumen und beteiligt sich weiterhin bei allen ähnlichen Aktionen zu Gunsten der verwundeten Krieger.

Der Bruder desselben, Prinz Friedrich, befindet sich gegenwärtig noch am nördlichen Kriegsschauplatze und ist Oberstleutnant und Regiments-Kommandant des 4. Uhlanenregimentes. -

______________

[1] L.Vo. 13.2. und 20.2.1915, jeweils S. 1.
[2] Es folgt der zweite Teil des Berichts vom 20.2.1915.