Gesetz zur Einengung des Jauner- und andern herrenlosen Gesindels.


[Gesetz zur Einengung des Jauner- und andern herrenlosen Gesindels] [1]

Da die seit einiger Zeit, besonders nach dem nun geendigten Reichs=Krieg in den Schwäbischen Kreises=Ländern überhand nehmende Verbreitung des Jauner= und andern Herenlosen Gesindels jeder Art, die nachtheiligsten Folgen für die innere Landes=Sicherheit mit Grunde befürchten lässt; so haben die- bey gegenwärtigem Allgemeinen Kreis=Convent versammelten Räthe, Bottschafter und Gesandte der Fürsten und Stände des Schäbischen Kreises, diesen Gegenstand in reife Berathung gezogen, und für nöthig gefunden, zu Erhaltung der öffentlichen Sicherheit, wie auch zur Abhaltung der oben gedachten so schädlichen Menschen=Klasse von den Terretorien und Gebieten der Schwäbischen Kreis=Stände, besondere zweckdienliche Anordnungen zu treffen.

Zu diesem Ende sind von Allgemeinen Kreises wegen folgende-sämmtliche Hoch= und Löblichen Kreis=Ständen zur Norm dienende Beschlüsse gefasst worden:

1. Ist vor allen Dingen auf die Abstellung des öffentlichen Bettels, als der ersten Quelle des Uebels, der sorgfältigste Bedacht zu nehmen, weswegen die – in Absicht dieses Gegenstands längst bestehenden Kreis=Verordnungen vom Junii und Novbr. 1795., desgleichen vom Mai 1796. hier erneuert werden.

Insbesondere wird zu Erreichung des hier genannten Zweckes verordnet, dass

A. In Ansehen der Hier einheimischen Armen

a) solche von jeder Stadt= und Dorf=Gemeinde so versorget werden, dass selbige den Nachbarn nicht zur Last fallen.

b) Diejenige Einheimische, welche dessen ohngeachtet dem Betteln nachziehen würden, sind mit einer körperlichen Züchtigung zu belegen, und, falls sie auswärts betroffen würden, nach ihrer Heimath unter sicherer Begleitung von Gemeinde zu Gemeinde zurückzuliefern.

c) Auf den Wiederbetrettungs=Fall sind solche mit Zuchthaus=Strafe zu bedrohen, und

d) Diese Strafe auch wirklich an ihnen zum erstenmal auf 3=4 Wochen, zum zweytenmal auf 4=6 Wochen zu vollziehen.

B. Auswärtige= jedoch mit einer Heimath versehene Bettler sind

a) Auf gleiche Weise mit wie die Einheimische mit einer körperlichen Züchtigung zu belegen, sodann mit einer Weg=Zöhrung unter sicherer Begleitung auf oberwähnte Art weiter bis an die Gränze des Kreises zu bringen, und dorten, unter Bedrohung mit ohnfehlbarer- auf den Wiederbetrettungs=Fall an ihnen zu vollziehenden Zuchthaus=Strafe, an ihrer Heimath zu weisen.

b) Mit dieser Strafe sind sie dann auch auf solchen Fall wirklich 4-6. Wochen lang, und nach Gestalt der Umstände (unter einer zu Anfang und etwa auch zu Ende der Straf=Zeit zu applicirenden- der Leibesbeschaffenheit des Züchtlings angemessenen Anzahl Schläge) zu belegen, und sodann nach erstandener Straf=Zeit, so wie das erste Mal über die Gränze des Kreises mit der Verwarnung zu transportieren, dass sie bey nochmaligem Betretten der Vaganten und Jaunern gleich gehalten werden würden.

2. Sämtliche Amts=und Orts=Vorsteher sind für die genaue Vollziehung dieser Vorschrift verantwortlich, und für jeden Fall der Uebertrettung und Vernachlässigung mit einer unnachsichtlichen Strafe von wenigstens 10. Reichsthaler zu belegen.

3. Den durchwandernden Handwerks=Purschen wird das sogenannte Fechten oder Betteln bey gleichen Strafen wie anderen Bettlern untersagt.

Besonders wird zu Verhütung aller mit den Kundschaften der Handwerks=Pursche möglichen Missbräuche verfügt, dass

a) jede Kundschaft mit deutlicher persönlicher Beschreibung desjenigen, dem sie ertheilt wird, und mit denen Vorschriften versehen sey, welche unter bey den Pässen vorkommen.

b) Dass Alle Kundschaften von den Zukunft=Vorstehern unterschriben und besigelt, von der Orts=Obrigkeit aber contrasignirt werden,

c) Dass nur jenen Handwerks=Purschen, welche an einem Ort wirklich gearbeitet haben, Kundschaften abgegeben, den blos durchwandernden aber weder neue ertheilt noch die alten erneuert werden sollen.

d) Dass den passirenden Handwerks=Purschen auf ihrer Kundschaft, unter Beidruckung eines obrigkeitlichen Zeichens, bemerkt werden, ob sie Arbeit gesucht= und keine erhalten, oder keine begehrt haben?

e) Dass keine Kundschaft länger als ein halbes Jahr von dem Tag des Austritts aus der Arbeit an, zu der Legitimation des Handerks=Purschen gültig seye,

f) Das nach Verlauf dieser Zeit von Obrigkeits wegen einem solchen Handwerks=Purschen ein Pass zu ertheilen sey, mit der Bemerkung, ob der Arbeit gesucht und keine gefunden oder nicht,  unter dem gemessenen Bedeuten, dass er nunmehr ernstlich Arbeit zu suchen oder nach Haus zu wandern habe,

g) Dass nach Verfluss eines anderweiten halben Jahres ohne Arbeit und ohne  Kundschaft ein solcher Handwerks=Pursch gleich andern Vaganten behandelt werden solle,

h) Dass übrigens in jedem fall die ältern Kundschaften, wenn solche nicht falsch erfunden worden, dam Handerks=Purschen zur Legitimation bey seiner Obrigkeit und bey dem Handwerk zu belassen seyen.

4. Alle sogenannte qualificirte Bettler, als Convertiten, Siechen, Waldbrüder, Italänische angebliche Geistliche, abgedankte angebliche Officiers, Officiers=Frauen und Töchtern, abgedankte Dienstleute, desgleichen reisende vacirende Jäger, Spielleute u.s.w. haben sich gleichfalls des Bettlens gänzlich zu enthalten, widringenfalls die angemessenne Bestrafung, gleich andern Bettlern zu befahren, und sind solche sodann auf gleiche Weise zu transportiren.

5. Uebrigens behält es in Ansehung der ehmals üblichen Landes=Verweisungs=Strafe, welche das Land nur mit Bettlern und Vaganten anfüllt, sein Bewenden, bey der auf ältere Verabredungen beruhenden Abschaffung derselben, mit Ausnahme der auswärtigen mit Heimath versehenen Bettler, welche nach Inhalt der oben angeführten Verfügungen, nach dieser ihrer Heimath zu transportieren sind.

6. In Absicht auf die Abhaltung der Vaganten und Jaunern von den Kreises=Landen, sind insbesondere folgende Anstalten zu treffen:

a) Wird sämtlichen Kreisländischen Dienern und Beamten die strengste Befolgung der wegen Abtreibung und Beyfahung der Vagantgen und Jaunern bestehenden Verordnung und die sorgfältigste Aufmerksamkeit auf das zu besorgende Eindringen liederlichen Gesindels eingeschärft.

b) Die zur Hand gebrachten Jauner und Vaganten sind nach der bisherigen Vorschrift zu behandeln, die eigentliche Heimathlose unter ihnen auf den ersten Betrettungs=Fall in öffent=liche Zucht= und Arbeits=Häuser auf 4=6 Wochen, mit einer angemessenen Anzahl Schläge zu bringen, sodann aber unter sicherer Begleitung über die Kreises=Gränze an den Ort, wo sie hergekommen, zu transportieren, im zweyten Betrettungs=Fall mit der doppelten Strafe zu belegen, im dritten aber auf immer im Zucht= und Arbeits=Haus zu belassen, aus welchem sie nur dann entlassen werden können, wenn sie ein anderwärtige sichere Unterkunft oder Aufnahme in eine Gemeinde erweisslicher massen erhalten können.

7. Zu Habhaftwerdung dergleichen Gesindels sind

a) nicht allein die angemessene Policey=Anstalt durch Nacht= und Dorfwachen, auch öftere Visitationen in den Wirtshäusern zu treffen, sodann insbesondere

b) moatlich mehrmal zu unbestimmten Zeiten wiederholte Partikular=Streifen, mit Zuziehung des Militairs, der Jäger und der Gemeinde vorzunehmen, sonder auch

c) bey wirklich erfolgenden Einbrüchen, zur Nachricht und Mitwirkung der Benachbarten auf eine von den Feuer=Stürmen wohl zu unterscheidende Art, Sturm zu läuten.

8. Die längst bestehende Verordnung wegen der Nachteile in fremden Terretorien, werden andurch erinnert, und sämtliche Hoch= und Löbliche Stände aufgefordert, einander bey dergleichen Gelgegenheit wechselweise hilfreiche Hand zu leisten.

9. Zur Beförderung all dieser gemeinnützlichen Anstalten hat man insbesondere eine Gleichförmigkeit in Ertheilung der Pässe für eben so zweckdienlich als nothwendig angesehen, und daher von Kreises wegen verordnet, dass

a) in allen Schwäbischen Kris=Landen keine andere Pässe, als nach dem sieben gehenden Formular ausgestellt werden sollen.

b) Diese Formulare werden mit dem deutlichen Signalement dessen, welchem der Pass ertheilt wird, ausgefüllt, auch die Pässe von dem, der sie empfängt, unterzeichnet.

c) So wie sich übrigens von selbst versteht, dass nur Obrigkeiten und diejenige öffentliche Beamte, welche solches von den Landes=Herrenschaften übtertragen wird, ermächtigt sind, Pässe auszustellen und mithin jeder von irgend einer anderen Stelle oder Behörde ertheilte Pass oder Certificat u. ungültig ist; so werden sämtliche Stadt= und Land=Behörden anmit ernstlich und bey eigener Verantwortlichkeit angewiesen, solche Pässe nur einheimischen ihnen bekannten Personen, oder von Auswärtigen nur jene zu ertheilen, welche sich gehörig zu legitimiren in Stande sind.

d) Jeder Pass=Innhaber hat bey den Haupt=Orten seiner Route, seinen Pass vorzulegen, und seine wirkliche Passage auf demselben bemercken zu lassen.

e) Alle Passanten, welche diese Erfordernisse mangeln, und sich die ausserdem nicht gehörig zu legitiimiren vermögen, sind anzuhalten, genau zu examiniren, und nach Befund der Umstände als Vaganten zu behandeln.

So wie nun eine dermalen hier anwesende Allgemeine Kreis=Versammlung sich beglaubigt, dass die strenge Einhaltung der hier bestimmten Vorschriften zu Erreichung des beabsichtigten Zwecks der Erhaltung der öffentlichen Sicherheit im Kreis vollkommen zureichend sey; also zweifelt Dieselbe um so weniger an der tätigen Mitwirkung der Hoch= und Löblichen Kreis=Stände, als sonst die Nothwendigkeit eintretten würde, anderwärtige kostbare Verfügungen und Anordnungen von Militair=Postirungen zu veranstalten.

Datum, Ulm den 18. Decbr. 1801

Der Fürsten und Stände des Löbl, Schwäbischen Kreises bey gegenwärtiger Allgemeinen Versammlung anwesende Räthe, Botschafter und Gesandte.

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[1] LI LA SgRV 1801/01, ohne Originaltitel, Handschrift