Das "Liechtensteiner Volksblatt" berichtet über die Demonstration der Unterländer gegen den provisorischen Vollzugsausschuss


"Eingesandt" im "Liechtensteiner Volksblatt" [1]

6.12.1918

Unterland. (Einges.) Volkswille – Gotteswille. Dies wäre so eine vorgeschützte Devise der Oberrh. Nachrichten. Das Volk wolle auf den 2. Dezember in Massen erscheinen, dies war der Ruf jenes Blattes oder vielmehr seines Redaktors [Wilhelm Beck]. [2] Der Ruf wirkte, der Volkeswille kam zum imposanten Ausdruck.

Es gärte schon tagelang im fürstentreuen Unterlande, wusste das Volk wohl den Ernst der Lage und die Gefahr, in die wir durch das Spiel von zwei Advokaten, die nichts weniger als unser Wohl im Auge zu haben scheinen, gestürzt wurden.

Der 7. November hat uns belehrt, mit wem wir es zu tun haben. So raffte sich das Unterland am 2. Dezember auf, ruhig, überlegend, zielbewusst und entschlossen.

Abends vorher einige Verständigungen, am 2. Dezember früh Alarm und staunen musste man, wie bald 3-400 Mann dastunden mit hunderten von Entschuldigungen anderer, die krank oder wirklich verhindert waren.

So sammelte sich das Volk in Bendern, unten am Deutschen Rhein, wählte ernste, ruhige Männer als Führer und gab denselben ihre Gesinnung und ihre Wünsche kund.

Dieselben lauten wie folgt:

  1. Treue und Dankbarkeit unserm allgeliebten Fürsten [Johann II.] und zwar aufrichtige Treue, ausgedrückt vom Liechtensteiner Unterlande.
  2. Wunsch nach demokratischem Ausbau unserer Verfassung in dem Sinne, dass die Landräte (Regierungsräte) nicht mehr vom Fürsten ernannt, sondern direkt vom Volke gewählt werden sollen; ferner, dass der Fürst den Landesverweser ernennt, derselbe vom Landtage allenfalls genehmigt und dann abberufen wird, wenn er das Vertrauen nicht mehr besitzt.
  3. Der Fürst ernennt wie bisher 3 Abgeordnete in den Landtag.
  4. Der gegenwärtigen, sich selbst aufgeworfenen Regierung, wir meinen die Herren Dr. Beck und Dr. [Martin] Ritter, wird das Misstrauen als Funktionäre ausgesprochen, sie haben dieses Amt ehestens niederzulegen, denn sie besassen im Vorhinein nie ein Volksvertrauen und nur hiedurch wird die Ruhe im Lande hergestellt.
  5. Alle Genehmigung für den bestimmten Ausschuss der Unterländer zu weiteren Verhandlungen und Beschlussfassungen, auch über Bestand oder Auflösung des Landtages etc.

Nun wurden die Ausschüsse nach Vaduz vorausgeführt und das Volk setzte sich in Bewegung, beruhigt durch die Ausschussmitglieder zur musterhaften Ordnung und zum unbedingten Gehorsam gemahnt, aber aufmerksam gemacht zur Entschlossenheit, aber nur für den Fall von Angriffen.

Der Volksausschuss kam an, ein Mitglied wurde tatsächlich angegriffen; [3] es war wegen der anwesenden Jungmannschaft von Balzers und Triesen und eines Teils von Triesenberg nicht mehr möglich, sich mit den Ausschüssen von den Oberländern in ruhige Verhandlung einzulassen. Dem Eingreifen von zwei Herren unserer politischen Gegner, denen wir für ihre Ruhe alle Hochachtung ausdrücken und wir schützen auch ruhige Gegner, es sind dies die Herren Anton Walser und Stefan Ritter, ist es zu danken, dass ein Blutvergiessen verhindert wurde, denn schrecklich wäre die Rache der Unterländer gegenüber den Schreiern gewesen, wenn einem ihrer Genossen ein Haar gekrümmt worden wäre.

Es war Vorbesprechung im kleinen Sitzungssaal; unser Abgeordneter Peter Büchel vertrat unseren Volkswillen; [4] nicht Instinkt haben wir, wie Herr Dr. Ritter im Sitzungssaale uns erklärte, wir haben Verstand, vielleicht nicht so viel Bildung als er, aber Verstand, soviel als er, nicht Instinkt, nein, als Vieher lassen wir uns nicht hinstellen.

Sprühend und brüllend sahen unsere Gegner unsern geordneten Aufzug, ihre Niederlage lag ihnen schwer auf dem Herzen, aus einigen sprach der Alkohol wie rasend, es nutzte nichts, ruhig steht das Unterland.

Wir verurteilen nicht eine Gemeinde des Oberlandes, Schaan und Vaduz machten guten Eindruck, guten Eindruck vielleicht auch alle andern Ortschaften, aber von Balzers und Triesen und zum Teil vom Berge waren nicht ruhige Männer, sondern nur ein kleiner Teil einer total verhetzten Jungmannschaft hier, ziel- und planlos, vermischt mit manchen Bürgern der Gesinnung des Unterlandes.

Welcher Kontrast beim Unterlande: Vier Minderjährige, die nicht abzuhalten waren, das andere Männer, ergraute Männer, Vettern, Geschwisterkinder und Verwandte Dr. Ritters in grosser Zahl, verbrüdert, gleicher Gesinnung Mann für Mann, eine Freude den geordneten, geschlossenen Zug zu betrachten. Dann der Abzug auf Anraten unseres lieben Abgeordneten Büchel und auf den Ruf des Führers [Emil] Batliner, imposant, voll Begeisterung, einstimmig zum Fürstenhoch, nicht wie die Gegner, dann die Hymne mit "Hoch leb' der Fürst vom Land" immer wiederholend durch Vaduz und Schaan bis Bendern, wo nach 7 Stunden das erstemal ein Imbiss gestattet war.

Also die Herren des Vollzugsausschusses, die kennen nun unsere einstimmige Gesinnung gut genug, unsere Brüder im Oberlande auch; auch wir sind demokratisch gesinnt, aber unserm lieben Fürsten wollen wir nicht alle Rechte räubermässig entziehen, sondern vorerst auf gesetzlichem Wege unsere Wünsche durchzusetzen versuchen.

Jeder vernünftige Oberländer wird uns Recht geben, und alte Leute in Schaan und Vaduz, aber nicht unerfahrene Spritzköpfe, hatten Tränen in den Augen und gaben reichen Beifall. Wir ersehnen den Frieden und wünschen, dass derselbe nicht wieder so bald von einigen Herren, die den Schauplatz räumen sollen, wenn sie irgend eine Einsicht haben, gestört werde.

Für was balgt sich das Volk? Wer liebt nicht unsern Fürsten? Ergo, der Streit ist um einige Herren! Ist dies nicht Unsinn, sonst hat ja das Volk gleiche oder ähnliche Wünsche, die sich gewiss von ruhigen Männern, die Volksvertrauen haben, ausgleichen lassen!

Es sieht heute jedermann ein, nicht aus Hass, nicht gehetzt kam das Volk vom Unterland zum Landtagssaal, dies beweist seine Ruhe. Der Grund liegt tiefer: Untertanen unseres lieben Fürsten wollen wir bleiben und nicht die Folgen tragen für uns und unsere Kinder, mit dem Vorwurf, uns in heiliger Pflicht gegen andere Einflüsse nicht verwahrt zu haben.

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[1] L.Vo., Nr. 49, 6.12.1918, S. 2f.
[2] O.N., Nr. 49, 30.11.1918, S. 2 ("Landtag").
[3] Vgl. LI LA J 007/S 046/047/16, Zeugeneinvernahme David Bühler, 4.6.1919.
[4] L.Vo., Nr. 49, 6.12.1918, S. 2 ("Eingesandt").