Der Arbeiter Anton Walser ersucht Fürst Johann II. vor dem Hintergrund des Wohnungsmangels in Schaan um ein Darlehen für einen Hausbau


Maschinenschriftliches Schreiben von Anton Walser, gez. ders., an Fürst Johann II. [1]

o.D. (Mai 1921), o.O.

Eure hochfürstliche Durchlaucht!

Ich endesgefertigter Anton Walser von Schaan wage es im Vertrauen auf die allbekannte grosse Güte und Freigebigkeit Euerer fürstlichen Durchlaucht, mich heute ebenfalls an Euere fürstliche Durchlaucht zu wenden.

Ich bin ein Arbeiter ohne Vermögen, habe eine Frau im Alter von 27 Jahren und vier Kinder im Alter von 1 bis 4 Jahren.

Seit längerer Zeit muss ich mit meiner Familie in einer so feuchten Wohnung leben, dass meine Frau bereits mehrmals erkrankt ist und die Kinder ebenfalls in Gefahr sind zu erkranken und hiedurch vielleicht für ihr ganzes Leben den Keim des Siechtums in sich aufzunehmen. Dabei muss ich für die Wohnung einen Mietzins von monatlich Fr. 35.- bezahlen. Es ist mir wegen des grossen Wohnungsmangels [2] in der Gemeinde Schaan bis heute nicht gelungen, eine Wohnung, die für mich passend wäre, aufzutreiben.

In dem Bestreben, aus dieser für die Gesundheit meiner Frau und meiner Kinder so gefährlichen Wohnung hinauszukommen und mich selbständig zu machen, habe ich mir in der Parzelle Besch, Gemeinde Schaan, zwei Grundstücke im Ausmasse von ca. 250 Klafter um den hohen Preis von Fr. 10.- pro Klafter angekauft, in der festen Hoffnung, mir zu einem Hausbau ein Darlehen verschaffen zu können, wodurch meinem Wohnungselende für immer Abhilfe geschaffen worden wäre.

Meine wiederholten Versuche, ein Darlehen zu erhalten, sind bis heute gescheitert, obwohl ich in der ganzen Gemeinde Schaan und auch auswärts als ein sehr fleissiger, tüchtiger und redlicher Arbeiter bekannt bin. Die Anglobank in Vaduz gibt Darlehen nur auf drei Monate hinaus, bei der Sparkassa in Vaduz sind Frankendarlehen überhaupt nicht zu bekommen.

Von kundigen Männern wird die Ansicht vertreten, dass ein Häuserbau heute sich billiger stellt, als dies in einiger Zeit der Fall sein wird. Die Materialpreise und die Löhne sind heute noch niedriger, als dies für eine spätere Zeit zu erwarten steht.

Da mir keine andere Möglichkeit offen steht, wage ich es, mich an die fürsorgliche landesväterliche Güte Eurer Durchlaucht zu wenden und die ergebene

Bitte

zu stellen, mir gegen Sicherstellung auf meinen Liegenschaften und über Verlangen auch gegen Stellung eines tauglichen Bürgen ein Darlehen von 8-10'000 Fr. auf die Dauer von etwa 8 bis 10 Jahren zu gewähren.

Allenfalls wäre ich gerne bereit, jeden gewünschten Vorschlag anzunehmen.

In der zuversichtlichen Hoffnung, dass Euere Durchlaucht meine Bitte nicht abschlagen werden [3] und mit der Versicherung meinerseits, Euerer Durchlaucht immer und bei jeder Gelegenheit dankbar zu sein, zeichne ich

Euerer Durchlaucht

ergebenster

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[1] LI LA RE 1921/2382.
[2] Zur Thematik der Wohnungsnot in Liechtenstein vgl. auch die Kundmachung von Landesverweser Karl von Liechtenstein vom 20.4.1920, mit welcher gegenüber Vermietern ein vorläufiges Kündigungsverbot für Mietwohnungen verfügt wurde (L.Vo., Nr. 33, 24.4.1920, S. 4 ("Kundmachung"); O.N., Nr. 34 (tatsächlich Nr. 33), 23.4.1920, S. 4 ("Kundmachung")).
[3] Die fürstliche Kabinettskanzlei bzw. der fürstliche Kabinettsdirektor Josef Martin beauftragte die Regierung mit Schreiben vom 29.5.1921 aus Feldsberg, Walser eine ablehnende Antwort zu erteilen (LI LA RE 1921/2382 revers). Regierungschef Josef Ospelt teilte Walser am 8.6.1921 mit, dass es Fürst Johann II. zu seinem lebhaften Bedauern wegen der ganz ungewöhnlichen anderweitigen Inanspruchnahme für öffentliche und private Zwecke und wegen der sonst zu gewärtigenden Folgen im Augenblick nicht möglich sei, der Bitte zu entsprechen (ebd.).