Pfr. Georg Marxer informiert die Öffentlichkeit über die Tätigkeit des Jünglingsvereins in Schaan


 

Bericht von Pfr. Georg Marxer im Liechtensteiner Volksblatt[1]

24.2.1905

Jünglingsverein Schaan. Von Hochw. Herrn Pfarrer [Johann Georg Marxer] in Schaan erhielten wir folgendes „Eingesandt": In-Schaan besteht seit gut einem halben Jahre ein Jünglingsverein, welcher zur Zeit 43 Mitglieder zählt. Wiewohl man in Schaan allgemein weiss, dass diese Jünglinge äusserst verschwiegen sind und nichts von dem, was im Schosse des Vereins vorgeht, dritterorts anbringen, wollen wir heute doch etwas ausplaudern und den geheimnisvollen Schleier lüften, denn das Gute hat auch ein Recht auf die Zeitung, nicht nur Schlachten und Moritaten. Zufolge freundlichen Entgegenkommen der Hrn. Agent [Jakob] Wanger, Dr. [Alfons] Brunhart und Posthalter [Fritz] Wachter, wurde den Jünglingen der Saal der Kleinkinderschule für die Sonntagnachmittage zur Verfügung gestellt. Die Jünglinge stellen sich daselbst sehr fleissig ein, obwohl nur einmal des Monats obligatorische Versammlung stattfindet. Im Lokale liegen Zeitschriften auf: Alte und Neue Welt, Deutscher Hausschatz, Die Welt (Berlin), Die Zukunft und das Münchner Tagblatt, um dem Lesebedürfnisse der Jugend entgegenzukommen. Wer seine Lachmuskeln reizen will, greift zu einem Album, sei es das humoristische oder das Album mit Phantasiekarten, andere Albums werden bald aufgelegt werden. Dort sitzen vier an einem Spieltisch und treiben „Halma", andere spicken Steine, wieder zwei haben sich ins „Nünemol" [2] verbohrt und dort hinten die lautesten 4 spielen Andre's Nordpolfahrt. Nach einigen Tagen wird auch der grosse 3 Meter lange Spieltisch eintreffen für Steinstossen. [3] So herrscht in diesem Raume jeweilen ein munteres Treiben, die Jünglinge kommen gerne und sie meinen selbst, das sei doch schöner hier als durch die Strassen bummeln oder herumlungern oder Geld und Gesundheit hinter dem Glase vertun. Schlägt die Uhr 4 Uhr und kündet der Magen auch diese Zeit an, stellt sich zu weilen ein „Lotto" ein, aber ohne dass jemand ein Heller beisteuern muss. Der Bäcker oder der Metzger sorgen für Proviant und dieser wird dann unter begeisterter Teilnahme „verlottert".

Monatlich- einmal ist eine Monatsversammlung. E s wird ein Vortrag gehalten über ein nützliches Thema, sei es aus Geschichte oder Apologetik etc., einige Mitglieder führen ein kurzes Lustspiel auf, sodann wird die geschäftliche Beratung gehalten. Der Verein ist nämlich ganz demokratisch angelegt, dass jeder seine Meinung sagen darf und dazwischen hinein wird gesungen, dass es eine Freude ist. Herr Oberlehrer [Rudolf] Quaderer bereitwillig wie immer, erteilt Gesangsunterricht.

Da man ein Augenmerk darauf richten muss, die schulentlassene Jungmannschaft weiter geistig fortzubilden, sind Unterrichtskurse in Aussicht genommen, ferner werden Preisaufgäben gestellt und nach und nach sollen die Jünglinge zu kurzen Vorträgen herangezogen werden. Sehr instruktiv war hinsichtlich dessen ein Besuch des Naturalienkabinettes in der Stella matutina. Damit insbesondere das religiöse Leben in dieser wichtigen Lebensperiode nicht verkümmere, findet monatlich einmal eine Kongregationsversammlung in dem bei uns so gern besuchten St. Peterkirchlein statt und sechs Mal des Jahres verpflichten die Statuten zur Generalkommunion.

Der Verein kann sich schmeicheln, die ungeteilte Sympathie der Bevölkerung zu geniessen. Wir hörten Stimmen, wie: „Das sei der vernünftigste Verein etc." Auch die h. Regierung erteilte den Bestrebungen des Vereins ihre volle Billigung. [4]Gewiss wird auf diesem Wege mehr geleistet werden für die Veredlung und Heranbildung unserer Jungmannschaft, als durch andere rohe Befriedigung ungemessener Vergnügungssucht, welche für viele zum körperlichen und geistigen Ruine werden kann.

 


[1] L.Vo. 24.2.1905, S. 2.

[2] „Nünemol“ = Mühle.

[3] Vermutlich ist Billard gemeint.

[4] In den Akten des Landesarchivs gibt es keine Unterlagen betr. Statuten des Jünglingsvereins Schaan.

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