Der Landtag debattiert die Sicherheits- und Verpflegungsprobleme bei Kriegsende mit italienischen Soldaten und Kriegsgefangenen wegen der gesperrten Schweizer Grenze und beschliesst in Innsbruck 100 Gewehre zu kaufen


Protokoll der öffentlichen Landtagssitzung [1]

12.11.1918

IX. Die Verpflegung der fremden Soldaten und Kriegsgefangenen

[Friedrich] Walser: Seit einer Woche kommen grosse Massen Soldaten von der Front zurück. Die Leute wollen meistens nach der Schweiz. Bis sie nun die Einreise-Erlaubnis der Schweiz haben, bleiben sie in unserem Lande. Unter den Soldaten seien viele italienische und auch französische Kriegsgefangene, die nach ihrer Heimat möchten. In Schaan seien etwa 200 davon. Letzter Tage sei ein Transport nach Italien abgegangen. Wegen der Italiener und der Franzosen habe man sich an das Rote Kreuz in Buchs gewendet. Sie werden nun von dort verpflegt. Die Gemeinde Schaan gewähre ihnen nur Unterkunft in Massenquartieren. Wegen der ansteckenden Krankheiten sei Vorsicht geboten. Walser stehe auf dem Standpunkte, dass für die Leute gesorgt werde. Auch für Unbemittelte müsse man sorgen, sonst könnte es um die öffentliche Sicherheit schlecht stehen. Man müsse etwas tun. In Betracht komme nur die Gemeinde Schaan, da die Leute mit dem Zug nur bis zur Grenze reisen können. Bisher seien nur Leute vom Hinterland gekommen. Die Kosten für die Verpflegung trage bisher die Gemeinde Schaan. Fleisch sei leicht zu liefern. Die Soldaten erhalten zweimal täglich Essen, am Morgen Kaffee und wenn möglich Milch. Mit den Kartoffeln sei die Gemeinde infolge der durch die Fröste stark geschädigten Ernte schlecht bestellt. Täglich brauche die Gemeinde für die Soldaten einige Säcke Kartoffeln. Das Land soll die Sache in die Hand nehmen, Schaan soll entschädigt werden durch Kartoffellieferungen aus anderen Gemeinden.

[Josef] Marxer: Es sei selbstverständlich, dass nicht nur eine Gemeinde die Last trage. Die anderen Gemeinden sollen nach Schaan Kartoffeln liefern. Für die Kosten soll das Land aufkommen.

[Johann] Wanger: Eine Sicherheitspolizei soll bestellt werden. Auf allen Strassen in Schaan seien Soldaten. Für dieselben soll tägliche Meldepflicht eingeführt werden, damit Ruhe und Ordnung herrsche.

Walser: Am Freitag sei ein Transport Italiener nach der Schweiz abgegangen. Nunmehr sei aber in der Schweiz der Landesstreik ausgebrochen, weshalb die Schweiz niemanden mehr einlasse. Alle Soldaten bleiben nunmehr hier. Man soll eine Verfügung treffen, dass jene Österreicher, welche lange nicht in die Schweiz einreisen können, nach Österreich zurück sollen.

Marxer: unterstützt Wanger. Die Polizei soll verstärkt werden. Im Unterland sei auch fremdes Militär. Man müsse dringend handeln, vor ein paar Hundert Mann da seien.

Dr. [Martin] Ritter: Schliesst sich Marxer’s Ausführungen an. Die Regierung trage den Verhältnissen Rechnung. Er habe bereits bewirkt, dass vier Finanzwachleute für Polizeidienste hieher gesendet werden. Dies genüge teilweise. Die Frage sei schwierig; wenn einige Hundert Mann ins Land kommen, müsse die Polizei vermehrt werden. Uns fehlen aber die Waffen. Die Gemeinden sollten Leute ausheben und instruieren. Die Soldaten gehen voraussichtlich bald nach der Schweiz weiter. Die Schweiz werde ihre Grenzen bald wieder öffnen. Man soll bei Vorarlberg darauf hinweisen, dass wir wegen der Soldatenverpflegung vom Zuschlag bei den Viehpreisen nicht absehen können. Dr. Ritter regt an, dass man von Innsbruck Waffen und Munition beschaffe. Der Kostenpunkt sei kein grosser. Sonst seien wir wehrlos.

Walser: stellt die Anregung zur Debatte.

Dr. [Wilhelm] Beck: Von Bern bekommen wir Waffen und Munition genug. Die Gewehre seien aber sehr teuer (108 Franken). Es seien Magazinsgewehre mit 13 Schüssen. In jeder Gemeinde sollen Gewehre verteilt werden. Die Sache sei zwar noch nicht spruchreif. Man solle die Feuerwehren ausbilden, die man dann immer aufrufen könne. Die Polizei müsse verstärkt werden. Eine Einladung sei bereits ergangen. Es seien blos 3 Anmeldungen erfolgt, von denen 2 von vorneherein wegfallen. Die Regierung müsse schlüssig werden. Waffen bekommen wir.

Ritter: Man soll sich nach Österreich wenden wegen Waffen. Die sehr guten Mannlichergewehre kosten vielleicht 20 K, während die Schweizergewehre 108 Franken, also annähernd 300 K. kosten. 100 Gewehre seien genug. Man soll nicht zu viel kaufen.

Walser: formuliert den Antrag dahin: Der Landtag ist einverstanden, dass die Kosten der Verpflegung der Soldaten und Gefangenen, soweit nicht das schweizerische Rote Kreuz dafür aufkomme, Sache des Landes ist. Wegen der Lieferung von Naturalien aus anderen Gemeinden soll die Regierung Weisung hinausgeben.

Wegen Waffen- und Munitionslieferung soll die Regierung sich an die Militärbehörde in Innsbruck wenden.

Wanger: Man soll 300 Gewehre kaufen.

Walser: 100 Gewehre genügen vorläufig.

Marxer: ist auch für Anschaffung von mehr Gewehren.

Dr. Beck: unterstützt Marxer.

[Karl] Kaiser: Man könne die Gewehre später ja verkaufen.

Walser: erhöht seinen Antrag auf 300 Gewehre von Innsbruck.

Dr. Beck: sagt noch, dass es sich um vollständige Ausrüstungen handeln müsse.

Der Antrag wird einstimmig angenommen. [2]

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[1] LI LA LTP 1918, Sitzung vom 12.11.1918, Traktandum 9.
[2] Auf den Ankauf der Gewehre wurde schliesslich verzichtet.