Die Wiener Sonn- Montagszeitung berichtet über die Bodenreform in der Tschechoslowakei und sieht dadurch das Kulturjuwel Eisgrub bedroht


Zeitungsbericht, gez. X.A. [1]

Fürst Liechtensteins Kampf um Eisgrub

Die Bodenenteignungen in der Tschechoslowakei. - Ein gefährdetes Paradies. - Steuersadismus.

Die in der tschechoslowakischen Republik eingeführte „Liquidierung der Latifundien“ ist bekanntlich die Enteignung von Grund und Boden in grösstmöglichem Ausmass. Nahezu achthundert Grossgrundbesitzer wurden ihr bisher unterworfen, man nahm ihnen bereits eine Million Hektar Bodens und weit mehr als hunderttausend Hektar Wald weg. Am schwersten von dieser Massregel, die von einer Konfiskation nicht weit entfernt ist, wurde bisher Fürst Johann Schwarzenberg betroffen, dessen früherer Besitz – man nannte ihn das „Königreich Schwarzenberg“ – von 50‘000 auf 20‘000 Hektar, also beinahe um 60 Prozent, reduziert wurde. Für den ihm verbleibenden Rest schrieb die tschechoslowakische Steuerbehörde dem Fürsten eine Vermögensteuer von 200 Millionen tschech. Kronen vor. Ähnlich erging es dem souveränen und regierenden Fürsten Johann Liechtenstein, dessen Besitz von 36‘000 Hektar auf 20‘000 vermindert wurde, der also mehr als 55 Prozent [2] desselben verlor und überdies eine Vermögenssteuer von mehr als 100 Millionen tschech. Kronen zu entrichten hat.

Der regierende [Johann II. von] Fürst Liechtenstein darf es sich erlauben, diesen Aderlass mit einer noblen Geste abzutun, denn es bleibt ihm trotzdem noch genug übrig. Aber was dem Fürsten viel näher geht, ihn viel tiefer berührt als der Verlust von Geld und Gut, ist die Bedrohung des künstlerischen Juwels unter seinen Besitzungen und Schlössern, des Schlosses Eisgrub, das gleichzeitig sein Geburtsort ist – er kam dort am 5. Oktober 1840 zur Welt – und wo er seine Jugendjahre verbrachte.

Von Lundenburg, diesem reizlosen, das Sinnbild der Nüchternheit darstellenden mährischen Städtchen, gelangt man in kurzer Fahrt auf einer Zweigbahn nach Eisgrub und wähnt sich plötzlich, wie mit einem Zauberschlage, in ein Paradies versetzt. Das im gotischen Stile erbaute Schloss mit den krenelierten Mauern, Türmen und mit Hirschköpfen geschmückten Bogengängen, liegt wie ein überraschendes Stück Romantik und Märchen, hingezaubert in einer Parklandschaft, die von Eichen und rötlichvioletten Föhren bestanden ist. Blanche Kübeck hat im Vorjahr eine Schilderung Eisgrubs verfasst, in der alle Reize dieses Schlosses und des ihn umgebenden Parkes vor uns aufleben. Eine Allee von zartbefiederten, echten Akazien und lichtgrünem altem Ailanthus führt zu dem vom Fürsten [Alois II. von] Liechtenstein im Jahre 1846 errichteten Schlosse, dessen Zinken und Giebel und der in schweren Kaskaden an Vorsprünge und Risalite sich schmiegende Epheu an einen vornehmen englischen Edelsitz erinnern. Die gotischen Räume des Schlosses sind Interieurs von wundervoll geschlossener Wirkung, in denen man erlesene Stücke deutscher Goldschmiedekunst bewundern kann. Die Einzelheiten des Baues sprechen ihre eigene Sprache, die von den Nimrodneigungen ihrer Schöpfer künden, und von den Wandflächen des eichengeschnitzten Stiegenhauses blickt die Ahnengalerie derer von Liechtenstein nieder. Eine wahre Sehenswürdigkeit, als solche auch in allen Reisehandbüchern erwähnt, ist der Park von Eisgrub und sein weltberühmtes Palmenhaus, dessen smaragdene Herrlichkeit, voll der stolzesten Gewächse Amerikas und Indiens, den Eintretenden blendet und jedem einen Ausruf der Bewunderung entlockt. Ein Kranz weissschimmernder Marmorbauten schlingt sich durch die Eichen und Föhren zwischen Eisgrub und Feldsberg hin: Säulentempel, halbkreisartige Arkaden, ein römischer Triumphbogen, aus sattem Waldgrün die Hubertuskappelle blickend, ein Nympheum und auf dem Reistenberg eine glorietteähnliche Kolonnade, die Fürst Johann I. den Manen seines Vaters errichtete.

Es ist wahrhaft ein Paradies,
dessen Bestand jetzt gefährdet
scheint. Das tschechoslowakische Bodenamt will nämlich den zur Erhaltung und Pflege des Parkes und seiner Umgebung nötigen Grund und Boden von Eisgrub abtrennen, ebenso die dazugehörigen Meierhöfe enteignen und das Schloss gleichsam isolieren. Die Folge wäre ein Verdorren der kostbaren Kulturen und Gewächse, ein allmählicher Verfall des Parkes und weiterhin auch des Schlosses.

Ein von feinsinnigen fürstlichen Mäzenen mit dem Aufwand grosser Mittel geschaffenes und während fast hundert Jahren immer sorgsamer ausgestaltetes Werk, in dem Kunst und Natur sich in seltener Harmonie vereinigen, soll dem Untergang geweiht werden. Es lässt sich denken, dass Fürst Liechtenstein kein Mittel unversucht lässt, um diesen Plan zu vereiteln, der in der Tat nur dem sadistisch veranlagten Gehirn eines Steuerorgans entsprungen sei kann. Man darf mit Spannung abwarten, welches Ende der Kampf um die Erhaltung von Eisgrub nehmen wird!

X. A.

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[1] Sonn- u. Montagszeitung, Wien 1.2.1926 (LI LA SgZs 1926).
[2] Bei diesen Angaben muss mindestens eine Zahl falsch sein.