Die Oberrheinischen Nachrichten fordern bessere Strassen


Zeitungsartikel, nicht gez. [1]

2.8.1924

Unsere Strassen.

Ein witziger Appenzeller Journalist, der schon wiederholt sein warmes Interesse für unser Land bekundet und auch kürzlich wieder eine warme Kritik über unsere Freilichtspiele geschrieben hat, endete die Kritik in seiner Zeitung mit folgenden Worten: „Das herrliche Bild aber werden wir nicht los: Das Freilichtspiel auf Schloss Vaduz, aber auch den Eindruck nicht, dass wir im Appenzellerländchen denn doch die besser unterhaltenen Strassen haben, als die Liechtensteiner. Es muss einer schon ein gutes Gewissen haben, bis er sich ihnen anvertraut. Die fortschreitende gesunde Entwicklung des Liliputstaates Liechtenstein wird sicher auch hier Unmöglichscheinendes möglich machen können. Regierung, Landtag und die Wirtschaftskammer in Vaduz werden sicher auch das zustande bringen, dass man auf den liechtensteinischen Strassen fahren kann, ohne den Eindruck zu haben, man sässe in einem Karussell auf der Berg- und Talfahrt. Mit diesem etwas boshaft scheinenden Schluss wollten wir natürlich niemanden vertäuben ….. „Ich meine nur!" — und darum keine Feindschaft nicht."

Was unser Besucher geschrieben hat, ist bittere Wahrheit und es hat keinen Zweck mehr, wenn wir bezüglich unserer Strassen weiterhin die Augen zuhalten. Bereits wissen wir aus verschiedenen Quellen auch, dass die Regierung einen Kurs für die Strassenmeister in die Wege geleitet hat. Das ist aber nur etwas auf dem Wege zur Wiederherstellung unseres Strassennetzes. Und dieses Strassennetz ist tatsächlich ziemlich verlottert bezüglich seiner Instandhaltung. Früher konnte man noch einen kleinen Stolz auf unsere Strassen haben, aber auch hier machen sich die Kriegsfolgen erst jetzt fühlbar. Man hat damals zuviel gespart mit der Pflege der Strassen und das war falsch. Wir tragen heute die Folgen dieser Vogel Strauss-Politik. die sich umso fühlbarer bemerkbar machen, als seit einem Jahre und besonders Heuer ein ausserordentlich lebhafter Fremdenverkehr ins Land eingesetzt hat. Das Gleichnis von der Tal- und Bergfahrt auf unsern Strassen ist trefflich gewählt, wenn wir auch nicht vergessen dürfen, dass der Vergleich mit den Appenzeller Strassen für unser Strassennetz noch lange ein frommer Wunsch bleiben wird. Denn Appenzell ist mit seinen gut gepflegten Strassen auch in der Schweiz berühmt. Aber darum bleibt uns doch noch die traurige Tatsache, dass wir direkt rückständig sind und nun mutig ans Werk gehen müssen, um schon recht bald wieder einigermassen eine öffentliche Kritik unserer Verkehrswege aushalten zu können. Der Landtag muss hier dringend die nötigen Mittel zur Verfügung stellen und unsere Strassenverwaltung muss dafür besorgt sein, dass diese Mittel recht angewendet werden. Wenn ich schreibe „recht angewendet", so verstehe ich darunter nicht, dass noch weiterhin der weiche Rüfeschotter, vermengt mit Rüfeschlamm auf unsere Strassen gebracht werde. Denn so werden wir nie gute Wege bekommen. Wir müssen einen andern Weg beschreiten und wieder zum Maschinenschotter zurückkehren, wie wir ihn schon vor einigen Jahren benutzt haben. Wenn sich niemand findet, der eine Maschinenanlage schaffen will, müssen wir mit einem benachbarten Schotterwerk eben einen Vertrag für die Schotterlieferung schliessen. Für die nächsten Jahre werden wir unbedingt mit erhöhter Energie einsetzen müssen und wenn wir alles daran setzen, unsere Strassen wieder in guten Zustand zu versetzen, dann werden auch wir Freude haben und vor dem Auslande wieder bestehen können! Das können wir derzeit nicht. Gehen wir also an die Arbeit zum Nutzen des Landes, zum Vorteile jedes Einzelnen sowohl als auch der Allgemeinheit.

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[1] O.N. 2.8.1924, S. 1.