Der Landtag ersucht die Regierung, ein generelles Autofahrverbot für Liechtenstein zu erlassen


Im Liechtensteiner Volksblatt publiziertes Landtagsprotokoll [1]

21.12.1908

Antrag betreffend Verbot des Automobilverkehrs in Liechtenstein.

Der Antrag lautet: „Die jährlich wachsende Zunahme des Automobilverkehres in unserem Lande wird immer mehr und allgemeiner als ein Missstand empfunden. Unser Land wird fast ausschliesslich nur zur Durchfahrt benutzt. Unsere Strassen, welche für einen solchen Verkehr an sich schon zu schmal sind, werden davon schwer mitgenommen, was die Erhaltung derselben wesentlich verteuert. Ferner ist die Belästigung durch den massenhaft aufgewirbelten Strassenstaub, der gerade bei unserem Schottermaterial reichlich entwickelt wird, für den Strassenverkehr und für die Häuser an der Landstrasse eine sehr grosse und den der Strasse entlang liegenden Heugütern auch nachteilig. Endlich ist bei der Schwierigkeit einer wirksamen Kontrolle dem allzu schnellen Fahren und den damit verbundenen Unfällen schwer zu steuern.

Dem Lande erwächst somit aus der Duldung des Automobilverkehres keinerlei volkswirtschaftlicher Nutzen, sondern nur eine Reihe von Schädigungen und von Gefahren für Leben und Eigentum.

Der Landtag hält daher ein Verbot dieses Verkehres für sehr angezeigt und stellt an die hohe fstl. Regierung das Ersuchen, eine Verfügung zu erlassen, welche den Automobilverkehr in ähnlicher Weise, wie das im benachbarten Kanton Graubünden der Fall ist, verbietet, und nur in besonders berücksichtigungswürdigen Fällen eine Ausnahme hievon macht.“

Der Referent der Kommission, Abg. [Franz] Schlegel, bemerkt dazu in seinem Berichte:

„In der Kommissionssitzung vom 9. d. Mts. wurde ein von 3 Abgeordneten unterzeichneter Antrag eingebracht, worin nach zutreffender Begründung die fstl. Regierung ersucht wird, ähnlich wie im benachbarten Kanton Graubünden den Automobilverkehr in unserem Lande zu verbieten und nur in besonders berücksichtigungswürdigen Fällen eine Ausnahme zu gestatten.

Die Antragsteller wurden durch den stetig wachsenden Automobilverkehr zur Einbringung dieses Antrages bewogen. Unser Land wird fast ausschliesslich nur zur Durchfahrt benützt. Volkswirtschaftliche Vorteile erwachsen deshalb aus diesem Verkehr in keiner Weise, im Gegenteil erfordert die Erhaltung unserer Strassen immer grössere Summen, denn es ist erwiesen, dass der Automobilverkehr die Strassen in viel stärkerer Weise abnützt als der Verkehr mit Fuhrwerk. Ferner leiden die an der Strasse liegenden Häuser, sowie auch die nächsten Wiesen durch den massenhaft aufgewirbelten Staub."

Der Regierungskommissär [Karl von In der Maur] führt bei der Besprechung des Antrages im Landtage aus, dass die Verhältnisse in Graubünden, die vergleichsweise angezogen seien, doch einigermassen anders liegen als hier. Dort seien viele stark frequentierte und von der Post vielbefahrene Gebirgsstrassen vorhanden, die bei uns in solcher Beschaffenheit fehlen; in den Nachbarländern Vorarlberg und St . Gallen bestünde auch kein Automobilverbot. Es liesse sich bei uns den nicht abzuleugnenden durch den Automobilverkehr erwachsenden Missständen möglicherweise begegnen durch Einführung von Durchfahrtstaxen und durch Einschränkung dieses Verkehrs auf die Hauptstrasse.

Abg. Schlegel spricht für das Verbot und bemerkt, dass gegenwärtig die Einführung eines Verbotes durch den Umstand wesentlich erleichert würde, dass im Lande zurzeit von Niemanden ein Automobil gehalten werde.

Der Präsident [Albert Schädler] befürwortet den Antrag, der nach seiner Ansicht dem gesamten Volksempfinden bei uns vollständig entspreche. Von der Einführung von Taxen und der Einschränkung auf die Hauptstrasse verspreche er sich keinen genügenden Erfolg, weil dazu eine recht umständliche Kontrolle gehöre, die häufig versage. Vielleicht werden mit der Zeit derartige technische Fortschritte im Automobilwesen gemacht, dass die Sache weniger gefährlich und nachteilig werde, dann könne man ja das Verbot ändern. Gegenwärtig und bei der notorisch von Jahr zu Jahr steigenden Zunahme des Automobilverkehrs sei der Antrag begründet.

Der Antrag findet nach Schluss der Debatte die einstimmige Annahme des Landtages. [2]

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[1] L.Vo. 2.1.1909, S. 8. Traktandum 12 der Landtagssitzung vom 21.12.1908. Handschriftliches Protokoll LI LA LTP 21.12.1908.
[2] Landesverweser Karl von In der Maur liess sich von der Notwendigkeit eines generellen Autoverbots nicht überzeugen und handelte mit der Finanzkommission eine Kompromisslösung aus, die im Landtag vom 16.12.1909 angenommen wurde.