Der Landtag bewilligt einen Kredit von 3000 Kronen zur Anstellung eines Wanderlehrers für die Sticker


 

Landtasgprotokoll[1]

5.12.1912

Regierungsvorlage betreffend Gesuch der Stickersektion der liechtenst. Gewerbe-Genossenschaft um Unterstützung aus Landesmitteln.

Die Gesuchsteller führen aus, dass fast alle liechtenst. Sticker weiterer Ausbildung in der Feinstickerei bedürfen, um bei der jetzigen wirtschaftlichen Lage auf dem Gebiete der Stickerei ihr Auskommen finden zu können. Durch Abhaltung von Fachkursen durch einen geeigneten Wanderlehrer wäre dieses Ziel zu erreichen. Bei der gegenwärtigen drückenden Lage seien die Sticker nicht imstande, die Kosten für den in Aussicht genommenen Wanderlehrer zu tragen, weshalb sie die Hülfe des Landes anrufen.

Ferner wird vorgebracht, dass die liechtenst. Sticker zur Regulierung ihrer älteren Stickmaschinen ca. 450 K pr. Maschine bedürfen, um sie zur Erzeugung von feineren Stickwaren wieder verwenden zu können. Daran knüpft sich nun das Ersuchen, dass dem Sticker das erforderliche Kapital zu einem Zinsfuss von 2 % gegen ratenmässige, halbjährige Rückzahlung für die Dauer von 5 Jahren und gegen mässige Sicherheit vom Lande geliehen werde.

Die fstl. Regierung sprach sich in ihrer Zuschrift an den Landtag prinzipiell für die Förderung des Stickereigewerbes aus, da dieses Gewerbe hierlands einerseits in einer bedrängten Lage sei und andererseits von 137 Personen selbständig betrieben werde.

Vom Obmanne der Gewerbe-Genossenschaft wird das Gesuch der Sticker befürwortet und auf Grund von bei der k. k. Fachschulleitung in Dornbirn gepflogenen Erhebungen geäussert, dass die Handstickerei durchaus nicht dem Untergange bestimmt sei, sondern dass mit einer fachgemässen Ausbildung der Sticker noch recht Gutes erreicht werden könne. Die Anstellung eines Fachlehrers dürfte ca. 2500—3000 K kosten.

Die Kommission glaubt, nachdem das Land für andere Bildungszwecke eine Reihe von Unterstützungen gewährt, nun auch aus Billigkeitsgründen dem ersten Ansuchen entsprechen zu sollen und stellte den Antrag, zum Zwecke der Ausbildung der Sticker durch einen geeigneten Wanderlehrer der fürstl. Regierung einen Kredit bis zu 3000 K zu bewilligen.

Hingegen wurde aus prinzipiellen Gründen das zweite Ansuchen um 2 prozentige Darlehen nicht befürwortet. Was dem einen recht ist, ist dem andern billig, d. h. das Gleiche müsste auch billigerweise dem notleidenden Kleingewerbe gewährt werden. Dass das aber nicht durchführbar ist und nachteilige Folgen für die Allgemeinheit hervorrufen müsste, bedarf wohl keiner weiteren Begründung. Gestützt auf diese Motive wurde beantragt, das zweite Ansuchen abzulehnen.

Der Regierungs-Kommissär [Karl von In derMaur] führt aus, dem Sticker könne nur dadurch geholfen werden, dass ihm Mittel zu seiner Ausbildung geboten werden, und das könne geschehen durch Anstellung eines Wanderlehrers. Die Schweizer Sticker erreichten ihren hohen Stand durch ihre Ausbildung. Das Ansuchen um Einzelnunterstützung sei nicht diskutabel.

Der Präsident [Albert Schädler] sagt: Bezüglich besserer Ausbildung hätten sich die Sticker schon vor 10 Jahren aufmachen sollen, dann hätten sie zur Zeit der Krisen auch besser bestehen können. Nachdem das Land für Studienstipendien jährlich ca. 4000 K ausgebe, sei es auch billig, etwas für die Ausbildung der Sticker zu tun. Das zweite Ansuchen um 2 %-ige Darlehen müsse prinzipiell abgewiesen werden, indem sonst auch das Kleingewerbe u.s.w. solche Hilfe beanspruchen könnten. Übrigens seien die Kreditverhältnisse in unserem Lande so gut und entgegenkommend eingerichtet, dass weiter gehende Erleichterungen nicht angezeigt seien.

Es wird alsdann vom Landtage im Sinne des Kommissionsantrages beschlossen.

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[1] Zitiert nach dem Abdruck in L.Vo. 13.12.1912, S. 6; Original LI LA LTP 1912