Alfons Goop berichtet über die Tätigkeit der Volksdeutschen Bewegung


Bericht von Alfons Goop, stellvertretender Landesleiter der Volksdeutschen Bewegung, zuhanden des Volksbunds für das Deutschtum im Ausland (VDA) [1]

23.8.1940, Eschen

Kurzer Bericht über die Tätigkeit der Volksdeutschen Bewegung in Liechtenstein

Am 13. Juni 1940 wurde die Landesleitung von Dr. Alfons Goop, Reallehrer in Eschen als Stellvertreter des in Ravensburg weilenden früheren Landesleiters Ing. Theo Schädler übernommen.

Der stellvertretende Landesleiter hat volle Kompetenz in allen Fragen der Bewegung, erstattet aber dem in Ravensburg wohnenden Landesleiter von Zeit zu Zeit Bericht und nimmt seine Vorschläge entgegen, muss sich aber, da er im Lande die volle Verantwortung trägt, die letzte Entscheidung vorbehalten. Sofort mit der Übernahme wurde ein provisorisches Statut ausgearbeitet, das über die Ziele und den Aufbau der Bewegung im allgemeinen Aufschluss gibt. [2] Da es notwendig war, der Behörde gegenüber ein einwandfreies Statut zu besitzen und es gleichzeitig notwendig erschien, sich auch aussenpolitisch irgendwie zu äussern, wurde die Forderung nach einem Wirtschaftsvertrag mit dem Reiche aufgestellt. In der Praxis wird die Frage der Aussenpolitik dahin beantwortet, dass wir die Forderung aufstellen, dass der Fürst [Franz Josef II.] als Staatsoberhaupt die Frage des Wieanschlusses zu lösen hat.

Als propagandistisches und erzieherisches Bewegungsziel gelten folgende zwei Hauptforderungen: Offene und freie Betätigung für das deutsche Volkstum, Ablehnung des sogenannten "Liechtensteinischen Menschen" und Gestaltung unseres Raumes nach nationalsozialistischer Lebens- und Wirtschaftsauffassung und der Schaffung der dazu notwendigen Voraussetzung, eben einer engsten Zusammenarbeit mit dem übrigen deutschen Volke.

Um eine gründliche Arbeit in der Propaganda und auch in den anderen Belangen der Bewegung zu gewährleisten, hat der Landesleiter i. V. mehrere persönliche Mitarbeiter, die in ihrer Arbeit selbständig sind und nur dem Landesleiter i. V. verantwortlich sind.

Propaganda

Als Propagandamittel werden verwendet wöchentlich erscheinende Mitteilungsblätter [3] an die Mitglieder, die aber an gleichgesinnte oder zu gewinnende Leute weiter gegeben werden sollen. Ihr Inhalt beschäftigt sich mit aktuellen Fragen und ist meist kritischer und kritisierender Natur.

Weil es vor allem notwendig ist, die schon vorhandenen Mitglieder zu schulen, werden ebenfalls jede Woche Schulungsblätter [4] herausgegeben, die die Mitglieder mit den Zielen der Bewegung und des Nat. Sozialismus bekannt machen. Die Schulung erfolgt in kleinen Zirkeln, weil bis 31. Oktober dieses Jahres Versammlungsverbot besteht. [5] Der Landesleiter hält jede Woche mit seinen Mitarbeitern einen Arbeitsabend, die Kreisleiter (2) mit ihren Ortsgruppenleitern, diese mit den Blockleitern, diese mit den Mitgliedern.

Organisation

Für die gesamte Organisation ist ein Organisationsfachrat bestimmt, der für die Zeit der Arbeitsabende, der Nachrichtenbestellung etz zuständig ist.

Sozial und Gesundheitswesen

Der Fachrat für dieses Gebiet [Hermann Walser] (ein Arzt) hat vor allem die Zustände in Liechtenstein und im Reich zu studieren, um den Stoff dann in Schulungsblättern verwerten zu können. Ebenso ist er der Betreuer der N.S.V. [Nationalsozialistische Volkswohlfahrt] in Liechtenstein, die nach dem Muster der deutschen N.S.V. aufgebaut ist. Dieselbe hat ihre Arbeitstätigkeit bisher noch nicht begonnen. [6]

Andere Fachgebiete

Weitere Mitarbeiter des Landesleiters sind Fachräte für Landwirtschaft, für Gewerbefragen, Bauwesen, Judenfragen, Jugendfragen. Auch dieser Fachräte Aufgabe ist es, die Verhältnisse im Reich und in Liechtenstein genauestens zu studieren, soweit möglich Statistiken aufzustellen, und in Schulungsblättern die Ergebnisse zu verwerten.

Sicherheitsdienst

Da es sich herausgestellt hat, dass unsere Mitglieder vielfach Misshandlungen von seiten der Gegner ausgesetzt sind, ist es dringende Aufgabe geworden, einen Sicherheitsdienst in Form einer Sportabteilung ins Leben zu rufen. Vorderhand scheint es aber unzweckmässig zu sein, in der Öffentlichkeit mit dieser Organisation hervorzutreten, sondern viel wichtiger, sie für eventuell eintretende Notwendigkeit zur Verfügung zu haben. Es ist aus praktischen Erfahrungen heraus auch eine gewisse Ausrüstung notwendig.

Allgemeiner Stand und Verhältnis zu den anderen Gruppen

Der Stand der Mitgliederzahl hat sich seit Mitte Juni verdoppelt. Er beträgt mit Mitgliedsanwärtern am 22. August 280 Mitglieder, wobei die obere Landschaft rund zwei Drittel der Mitglieder stellt, dank der unermüdlichen Arbeit des dortigen Kreisleiters Ing. Martin Hilti.

Von einer anderen nationalen Gruppe kann heute im Ernste nicht mehr gesprochen werden. Die "Vaterländische Union", die sog. Opposition, kann sich auch heute zu keiner endgültigen Stellung durchringen. Die Partei als solche ist nicht einheitlich, und interessant ist nur die Stellung einzelner Personen. Das massgebende Wort führt dort entschieden Regierungsstellvertreter Dr. [Alois] Vogt. Seine Stellung zu der Volksdeutschen Bewegung ist weder positiv noch negativ, wie er sich in einer Unterredung mit dem Landesleiter i.V. und dem Organisationsfachrat am 20. August ausdrückte. Seine endgültige Stellungnahme zu dem eigentlichen Problem hängt von Besprechungen, die er in Berlin zu führen gedenkt, ab. Die beste Lösung scheint ihm zu sein, wenn sich der Fürst aufraffen könnte, die Sache zu bereinigen. Inzwischen werden von seiner Seite von dieser Instanz keine grossen Dinge erwartet. Das Hauptproblem scheint für Dr. Vogt darin zu bestehen zu wissen, ob das deutsche Reich auf einen Wirtschaftsvertrag mit Liechtenstein eingeht oder nicht. [7]

Deutsche Rot-Kreuzaktion

Gemäss unseres Prinzipes immer dann zu sammeln, wenn im Reiche gesammelt wird, wurde am letzten Sonntag eine Haussammlung unter der Volksdeutschen Bewegung durchgeführt mit dem Ergebnis von 553,45 Franken. Dieser Betrag wird in Feldkirch der zuständigen Stelle übergeben.

Finanzielles

Die Bewegung besitzt derzeit an Aktiven 226,24 Franken nebst einigen Bürowerten in kleinerem Umfange.

Lesebücherei

Die Bewegung besitzt auch eine kleine Bücherei, die selbstredend noch erweitert werden sollte.

Sonstige Pläne und Anliegen

Da es immer wieder vorkommt, dass Mitglieder der Bewegung im Reiche arbeiten wollen, vielfach aber andere weniger vertrauenswürdige Elemente hineinkommen, wäre eine Zusammenarbeit mit den betreffenden Arbeitsstellen erwünscht.

Ein Hauptproblem wäre natürlich, bes. für Familienväter, die Bewilligung von Devisen nach Liechtenstein.

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[1] LI LA J 007/S 078/358/001/D. Goop versteckte den Bericht zusammen mit anderen Schriften in seiner Wohnung, wo sie, nachdem er sich im März 1943 zur Waffen-SS gemeldet hatte, vom Nachmieter entdeckt wurden. Dieser stellte die Dokumente den schweizerischen Behörden zur Verfügung, die Photokopien davon anfertigten. Im Oktober 1945 vernichtete er einige ihm unwichtige scheinende Dokumente, die übrigen übergab er im Dezember 1945 der liechtensteinischen Polizei (LI LA J 007/S 078/358/003).
[2] LI LA J 007/S 078/358/Beilage zu 033.
[3] Insgesamt sind 14 Mitteilungsblätter aus dem Zeitraum Anfang Juli – 23.9.1940 erhalten, vgl. LI LA V 005/1945/1010 (Originale, unvollst.), LI LA SgK 667 (Kopien, vollst.), LI LA J 007/S 078/358/zu 022a (Nr. 12, 23.9.1940, Original).
[4] Erhalten sind insgesamt sieben Schulungsblätter, verm. aus dem Zeitraum Juli-Sept. 1940, vgl. LI LA V 005/1945/1010 (Nr. 1-7, Originale und Kopien), LI LA V 005/1945/0610 (Nr. 6, Kopie), LI LA SgK 667 (Nr. 1-5 sowie 7, Kopien).
[5] Die Regierung erliess am 20.7.940 ein Versammlungsverbot (LGBl. 1940 Nr. 15). Das Verbot, das vorerst für einen Monat galt, wurde von der Regierung zunächst bis zum 31.10.1940 (LI LA RF 199/461/016-017), anschliessend bis auf weiteres verlängert (LI LA RF 199/461/024).
[6] Zur Tätigkeit der NSV vgl. das "Mitteilungsblatt der Volksdeutschen Bewegung in Liechtenstein" vom 23.9.1940 (LI LA J 007/S 078/358/Beilage zu 022a).
[7] Zur Einschätzung von Alois Vogt durch Goop vgl. auch LI LA J 007/S 078/358/001/B.