Ein internationales Konsortium unterbreitet der Regierung ein Exposé zur Gründung einer Bank und verspricht einen allgemeinen wirtschaftlichen Aufschwung.


Gedrucktes Exposé des Konsortiums zur Gründung einer Bank in Liechtenstein[1]

März 1920

Holländisch-Liechtensteinisch-Österreichisch-Schweizerisches Konsortium für Gründung einer Bank im Fürstentume Liechtenstein[2]

Vaduz, im März 1920

Exposé, betreffend die Gründung einer Bank im Fürstentume Liechtenstein.

Im Fürstentume Liechtenstein wird bereits seit längerer Zeit seitens massgebender Kreise der Bevölkerung der Wunsch nach Gründung einer Bank ausgesprochen, um die natürlichen Hilfsquellen des Landes auszunützen.

Das oben bezeichnete Konsortium hat diese Frage seit längerem eingehend studiert; das Ergebnis dieser Studien ist im nachstehenden kurz zusammengefasst.

Vor allem sollen jedoch einige prinzipielle Bemerkungen Platz finden:

Wenn in einzelnen Kreisen des Landes eine gewisse Scheu vor der Betätigung fremden Kapitals besteht, so dürfte dies auf einer irrtümlichen Auffassung der Verhältnisse beruhen. Denn es ist klar, dass eine rein lokale Bank infolge der Kapitalsarmut des Landes Liechtenstein nicht in der Lage sein könnte, dem Lande grosse Dienste zu leisten. Eine solche nur aus lokalen Mitteln schöpfende Kreditstelle könnte über die Tätigkeit der gegenwärtigen Landessparkassa, des einzigen Kreditinstituts des Landes, kaum wesentlich hinausgreifen und müsste sich aller Wahrscheinlichkeit nach darauf beschränken, dem Hypothekarkredite in verhältnismässig kleinem Umfange zu dienen.

Nur eine Bank, die in Gemeinschaft mit ausländischen Freunden und Interessenten aus internationalen Geschäften entsprechende Einnahmen erzielt, kann die notwendigen Mittel für eine grosse Investitionstätigkeit im Lande bereitstellen. Aus diesem Grunde wurde das oben bezeichnete Konsortium international, und zwar durchaus aus erstrangigen Finanzgruppen zusammengesetzt.

Um aber die nationale und politische Eigenart des Landes zu wahren und jedem Einwande, dass die neu Bank landfremd sei, von vornherein zu begegnen, beabsichtigt das Konsortium den Einwohnern des Fürstentums eine Beteiligung an der Bank im weitesten Masse zu ermöglichen und es wird zu diesem Zwecke auch das Aktienkapital zur Zeichnung im Lande aufgelegt werden. Das geringe Nominale von K 200.- per Aktie wird weiten Kreisen die Möglichkeit einer solchen Beteiligung eröffnen. Es ist ferner in den Statuten der Bank eine weitgehende Einflussnahme der Regierung auf deren Geschäftsführung, insbesondere auf die der Notenabteilung vorgesehen. Der Präsident des Verwaltungsrates soll von der Regierung ernannt werden, der Aussichtsrat der Gesellschaft in der Mehrheit aus Vertretern der Liechtensteinischen Bevölkerung bestehen; auch in der Zusammensetzung der Verwaltung sowie des Beamtenkörpers wird im weitesten Ausmasse dafür gesorgt werden, dass der Liechtensteinische Charakter der Bank zum vollen Ausdruck gelange.

Das Aktienkapital der neu zu gründenden Bank wird K 20‘000‘000.- betragen, wovon jedoch eventuell vorläufig nur ein Viertel eingezahlt werden soll.

Geschäftskreis der neuen Bank. Das Fürstentum, welches als selbständiger Staat anerkannt ist und in den Völkerbund aufgenommen werden dürfte, erscheint sehr geeignet, der Sitz von Treuhandinstitutionen zu werden, deren Führung die Bank zu übernehmen hätte. Die Entwicklung dieses Geschäftszweiges setzt allerdings voraus, dass das Fürstentum nur geringe Steuern einhebt; dies wird auch in Zukunft möglich sein, wenn es gelingt, neue Steuerobjekte, zu welchen die Bank selbst gehören wird, ins Leben zu rufen.

Günstige Aussichten bietet die geographische Lage des Landes für den internationalen Warenverkehr, soferne durch Errichtung von Lagerhäusern vorgesorgt wurde. Verkehrspolitisch sind die Verhältnisse hiefür günstig.

Durch die durchgehende Eisenbahnlinie Feldkirch - Buchs ist schon derzeit via Buchs der Anschluss an die Schweizer Bahnen einerseits, an den Bodensee und an das deutsche Eisenbahnnetz anderseits gegeben; über Feldkirch besteht die Verbindung mit Italien (Brennerbahn) und mit den Linien des östlichen Europas (Österreich, Tschecho-Slowakischer Staat, Ungarn, Jugoslawien, Balkanstaaten). Eine wesentliche Verbesserung der Verbindung mit Italien und der Schweiz wird noch durch den im Artikel 321 des Friedensvertrages von St. Germain intendierten Bau der Reschenbahn Landeck-Mals-Meran sowie durch den von der Schweiz geplanten Anschluss an diese Linie (Toralp-Finstermünz) herbeigeführt werden.

Endlich muss der Fremdenverkehr gepflegt werden. Der Umbau des oberhalb der Hauptstadt Vaduz gelegenen Hotels Gaflei, von wo der herrliche Fürstensteig seinen Ausgang nimmt, sowie insbesondere das landschaftlich sehr reizvolle Malbunertal, welches sich zudem eines sehr milden, windstillen Klimas erfreut, lassen grosse Hoffnungen auf die Ausgestaltung des Fremdenverkehrs begründet erscheinen. Die landschaftliche Lage der hier zu errichtenden internationalen Hotels hätte den Vergleich mit den Alpenkurorten der Schweiz und Tirols nicht zu scheuen. Die fürstliche Burg in Vaduz mit ihren herrlichen Kunstschätzen, die sich schon vor dem Kriege reger Frequenz erfreute, wird bei Anlage eines modernen Hotels in deren Nähe erst ihre volle Anziehungskraft ausüben können.

Hand in Hand müsste die Ausgestaltung des Verkehrswesens innerhalb des Landes gehen, insbesondere die Herstellung einer elektrischen Bahnverbindung zwischen Vaduz und Buchs, beziehungsweise Feldkirch sowie zwischen dem Ober- und Unterlande, gleichfalls im Anschlusse an die Schweiz, beziehungsweise Vorarlberg, wofür der Ausbau der vorhandenen Wasserkräfte die entsprechende Triebkraft beistellen könnte.

Die Neugestaltung des Währungswesens im Fürstentume ist infolge der Devalvation der österreichischen Kronennoten, die bisher die Landeswährung bildeten, zu einer brennenden Tagesfrage geworden, die die regierenden Kreise wie auch die Publizistik des Fürstentums seit längerer Zeit intensiv beschäftigt. Das Konsortium hat hierüber mit Delegierten des Fürstentums Besprechungen abgehalten und das Ergebnis derselben in der zuliegenden Druckschrift zusammengestellt. Das Konsortium, bzw. die neue Bank wird aber selbstverständlicherweise jeder von den kompetenten Faktoren des Landes beschlossenen Valutareform seine ganzen Kräfte zur Verfügung stellen.

Die Bank dementsprechend wird bei Durchführung der Währungsreform auch die Aufgaben einer Notenbank zu erfüllen haben, wozu sie das entsprechende Privilegium im Gesetzgebungswege erhalten müsste. Selbstverständlich wäre die Notenabteilung getrennt vom übrigen Bankgeschäfte zu führen. Der Statutenentwurf enthält alle diesbezüglichen Kautelen, insbesondere auch über das Aufsichtsrecht des Staates usw.

Da bei Eigenart des Landes die Errichtung je eines besonderen Institutes für das Notenwesen und für das Hypothekarkreditwesen kaum möglich erscheint, da es vielmehr erforderlich sein wird, dass diese beiden Geschäftszweige in einem Institute vereinigt werden, wird die zu gründende Bank sofort eine eigene Hypothekarabteilung ins Leben zu rufen haben, die den Bedürfnissen des Landes auf Erteilung von billigen und langfristigen Hypothekarkrediten Genüge zu tun haben wird.

Die Aufrechterhaltung der Landessparkassa, worauf das Land grösstes Gewicht legt, neben der zu gründenden Bank begegnet sicherlich gewissen Schwierigkeiten, da jede Bank zur Führung ihrer Geschäfte des Zufliessens von Einlagegeldern bedarf. Diese Schwierigkeit ist jedoch durch die Vereinbarung zu lösen, dass die Landessparkassa verpflichtet wird, ihre Einlagen bei der zu gründenden Bank in laufender Rechnung zu hinterlegen. Das Hypothekargeschäft könnte die Sparkassa im bisherigen Ausmasse weiterbetreiben, doch dürfte sich bezüglich des künftigen Geschäftsumfanges mit der neu zu gründenden Bank ein freundschaftliches Übereinkommen empfehlen.

Besonders Augenmerk hätte die zu gründende Bank der Hebung der produktiven Tätigkeit des Landes zuzuwenden.

Ohne das agrarische Land den Gefahren einer Industrialisierung auszusetzen, könnte die Holzgewinnung und –Verarbeitung, eventuell die Papierfabrikation, ferner die Torfgewinnung und der Abbau einzelner Mineralschätze, ferner die Pflege der Stickereiindustrie und Manufaktur in Betracht gezogen werden.

Ausserdem würden auch die Verbesserung der Landwirtschaft, Bodenmeliorationen usw. in das Tätigkeitsgebiet der Bank fallen.

Die wichtigste Voraussetzung für die oben aufgezählten Aufgaben der Bank hinsichtlich der Ausgestaltung von Industrie und Verkehr im Lande bildet die Gewinnung der motorischen Kraft durch Hebung und Ausnützung der im Fürstentum reichlich vorhandenen Wasserkräfte, respektive die finanzielle Fundierung von Wasserkraftanlagen.

Selbstverständlich wird schliesslich die zu gründende Bank neben den bisher erwähnten Zwecken auch alle übrigen Aufgaben einer modernen Bank zu erfüllen haben, insbesondere also auch Depots von Wertpapieren zur Verwaltung, Geldeinlagen in laufende Rechnung übernehmen usw.

Angesichts dieses umfassenden Programms ist es erforderlich, dass sich die Bank durch die Konzessionsurkunde für eine Frist von mindestens fünfzehn Jahren das ausschliessliche Recht zum Bankbetriebe im Fürstentume Liechtenstein sichert.

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[1] LI LA RE 1920_505 (1920.März). Das Exposé wurde zusammen mit dem Vorschlag für eine Währungsreform im Fürstentum Liechtenstein eingereicht. Vorausgegangen war eine Besprechung mit
Dr. Eduard Prinzen von LiechtensteinFritz Walser, Dr. Wilhelm Beck und Eugen Nipp.
[2] Vertreter des holländisch-liechtensteinisch-österreichisch-schweizerischen Konsortiums waren Franz Kirchhofer, Dr. Martin Ritter, Dr. Karl Scheimpflug, Dr. Frank Strahamer und Dr. Alfred Treichl