Der Landtag berät über die Einführung des Proporzwahlrechts


Protokoll der Konferenzsitzung des Landtags, nicht gez. [1]

31.12.1938

Gegenstand: Beratung des Gesetzes betr. die Einführung des Verhältniswahlrechtes und der dadurch bedingten Verfassungsabänderung

Die Gesetzesvorlage wird artikelweise durchgenommen und Dr. [Alois] Vogt gibt hiezu die nötigen Aufklärungen.

In § 2 wird die Zahl der Wahlvorschlagsunterzeichner auf 20 erhöht.

In Art. 5 wird der letzte Satz als überflüssig gestrichen.

In Art. 8 wird hinzugefügt: Eine Annahmeerklärung kann nicht mehr zurückgezogen werden, wenn nicht ausserordentliche durch die Regierung zu prüfende Umstände dies rechtfertigen.

Präsident [Anton Frommelt]: spricht abermals der Wahl mittels einer Einheitsliste das Wort, dann sei eine so grosse gesetzliche Umstellung nicht erforderlich.

Reg.Chef [Josef Hoop]: Das müsste auch gesetzlich geregelt werden und würde noch komplizierter als das Proporzgesetz.

Präsident: Die Sache ist nicht so rein theoretisch. Es wird nämlich viel gegen den Proporz geschimpft. Ich habe Bedenken für die Zukunft. Ich würde mir einbilden, wenn es mir daran gelegen wäre, noch vor der Wahl dîe notwendigen Stimmen für meinen Wahlvorschlag zusammenzubringen. Die Vertretung wird ja auch so zugesichert. Den gesunden Majorz sollte man erhalten. Es wird persönliche Differenzen geben, aber das gibt es auch anderswie. Das Volk ist sich satt und die Hauptdsache ist, dass etwas geschieht. Das Gesetz verankert die Parteibildung und um das möchte ich herumkommen. Auch die Union muss sich zufrieden geben, sie will ja nur die Gleichberechtigung und diese wird ja in allem zugesichert. Wenn die Parteien aber nicht so vernünftig sind und sich nicht vertragen, dann soll man ihnen Ketten anlegen.

Dr. [Alois] Vogt: Allein schon der Versuch, eine Einheitsliste durchzubringen in der Partei, ist gefährlich. Einen Teil werden wir bearbeiten können. Es werden aber schwere Widerstände kommen aus der Union und zwar auch aus psychologischen Gründen. In den Parteien werden die Fanatiker kommen und sagen, dass sie das nicht mehr verstehen, nachdem man solange Versprechungen gemacht hat. Die Leute sind misstrausich und wenn die Einheitsliste fallen sollte, was dann?

Präsident: Wenn das wahr ist, was ausgeführt wurde, so sind wir noch nicht auf dem Stande angelangt, den ich mir vorgestellt habe. Das Volk hat meines Erachtens Vertrauen und ist nicht so misstrauisch. Man hört vielfach, die Leute möchten in Ruhe und Frieden die Sache gemacht wissen. Wenn man den Leuten sagt, ihr habt, was ihr wollt, so sollte man zufrieden sein. Wenn die Zukunft dann lehrt, dass die Zusammenarbeit unmöglich ist, dass wird man nolens volens sich zu diesem Übel bekennen müssen.

Beck Wend[elin]: Ich möchte die Ausführungen von Dr. Vogt unterstützen.Ich war immer begeisteter Proprozfreund. In der heutigen Situation kann er aber Gefahren in sich bergen. Die Einheitsliste wird im Volke wenig Verständnis finden. Ich glaube, dass man das Volk für die Einheitsliste bearbeiten und aufklären sollte.

Dr. Vogt: Wir können nicht einen jahrelangen Streit einfach unter den Tisch wischen. Er hat sich etwas ins Volk hineingefressen. Ich habe für meine Bemühungen schon viel einstecken müssen. Wenn wir heute das Proporzgesetz zurückstellen, werden wir schwere Widerstände zu gewärtigen haben.

Präsident: Ich bin auch schon als Roter bezeichnet worden. Das Volk ist in beiden Parteien heute verhetzt, so dass es nicht alles glaubt. Ich glaube, das ist so reif einzusehen, dass eine Vereinbarungsliste eine ruhige Lösung in der heutigen Situation ist. Es will nicht, dass noch mehr Parteien kommen. Wenn ein Misstrauen im Volke als Ganzes besteht, dann täusche ich mich.

Beck W[endelin]: Ich könnte jedes Wort des Präsidenten unterstreichen, [...] [2]. Politisch ist eine Müdigkeit eingetreten.

Reg.Chef: Auf das gegenseitige Vertrauen halte ich gar nichts. Ich gebe keinen Pfifferling auf das Vertrauen. Es hat auch heute noch viele Leute, die sich an die Wand gedrückt sehen.

Präsident: Es gibt heute eine grosse Gruppe Leute, die mit gewissen Machenschaften nicht mehr einverstanden sind. Sie wollen, dass man zusammenschafft und anderenfalls sind sie das Zünglein an der Waage.

Reg.Chef: Soweit ich die politische Situation kennen gelernt habe, so gibt es im gegenwärtigen Zeitpunkt nur den Proporz. Jede andere Ansicht ist abwegig. Ich trete ein für den Proporz aus den Notwendigkeiten heraus, die sich ergeben haben. Es wäre denn, dass die Union schliesslich sagen würde, sie machen mit. Diese Gruppe, die sich neu gebildet hat, halte ich nicht für so gefährlich.

[Ferdinand] Heidegger: Ich schliesse mich dem Reg.Chef an.

Beck Joh[ann]: Meine Ansicht ist, die Leute müssten aufgeklärt werden. Auf dem Parteizeug haben die Leute heute weniger. Wenn niemand in die Gemeinden kommt von den führenden Politikern, dann weiss man von den Leuten bloss, wie sie politisch sind. Hauptsächlich die Spitzen der Parteien sollten einig sein, mit den Leuten im Volke wäre es auf gutem Wege. Übrigens ist der Landtag nicht schuld, dass das Gesetz erst jetzt vorgelegt wird.

Dr. Vogt: Die Parteileitungen haben es die letzte Zeit absichtlich vermieden, in das Volk hinauszugehen, darum hat sich eine gewisse Müdigkeit gezeigt.

Präsident: Das war ja das Richtige und bestätigt meine Auffassung. So käme schliesslich das, was uns als Ideal vorschwebt, dass das Zeug schliesslich ganz verschlaft. Ich bin Optimist und glaube, dass dies möglich wäre.

[Franz Xaver] Hoop: Was die Dringlichkeit betrifft, so könnte ich mich dazu nur verstehen, wenn der Boden für den Landtag geebnet wird. Es gibt viele Leute, die vom Proporz nichts wissen wollen. Man hat die Leute nicht gefragt und ein paar Unterhändler haben es gemacht.

[Peter] Büchel: Ich war immer Poporzgegner und damit stehe ich auf der Seite des Präsidenten. Bei den Unterhandlungen mit der Union habe ich den Eindruck gewonnen, die Vertreter der Union stellen sich auf den Standpunkt, man hat uns versprochen und wenn das nicht gehalten wird, so gibt es einen Krach. Ich will heute keinen Krach heraufbeschwören. Jene Leute muss man kennen, die sind viel misstrauischer als das Volk.

Dr. Vogt: Ich bin sehr dafür, dass in den Gemeinden Versammlungen abgehalten werden und bin bereit hiezu.

Reg.Chef: Ich möchte unterstreichen, was Peter Büchel als älterer erfahrener Politiker sagt. Er war mit mir mit der Union beisammen und wir haben allerhand gehört und können uns ein Bild machen, wie es steht.

Präsident: Wenn die Abgeordneten beider Parteien sagen, die Situation ist so und dass mein Weg nicht gangbar ist, dann ist die Sache klar.

Beck Wend[elin]: Die Dringlichkeitsklausel ist im Interesse des Landes.

Büchel: Ich möchte die Union ersuchen, dass man auf die Unterhändler einwirkt, dass die Fristen nicht so strikte verlangt werden.

Dr. [Otto] Schädler: Solche einzelne Stimmen sind Stimmungsmesser, wie es im Volk draussen aussieht. Es wäre recht gewesen, wenn das Proporzgesetz hätte früher in den Landtag gebracht werden können. Jetzt darf die Sache nicht mehr kompliziert werden. Wenn Vorträge für notwendig befunden werden, so soll man sie durchführen. Man muss unseren Schwierigkeiten auch Rechnung tragen.

Beck W[endelin]: beantragt, die Versammlung am Berg am kommenden Feiertag zu halten.

Reg.Chef: beantragt, die Gemeindewahlen nach den Landtagswahlen durchzuführen.

Der Landtag ist mehrheitlich der Ansicht, dass eine Aufklärung der Bürger notwendig und zweckmässig sei und es werden Aufklärungsvorträge in den Gemeinden vorgesehen.

In Art. 13 & 14 bemerkt Dr. Vogt, dass man die Geheimhaltung der Wahl habe möglichst sichern wollen. Für die Leute, die mit körperlichen Gebrechen behaftet sind, soll im Einverständnis mit der Wahlkommission der Betreffende ein Mitglied der Wahlkommission als Vertrauensmann beigezogen werden können.

In Art. 16 beantragt [Philipp] Elkuch die amtlichen Couverts jedem Wähler bei Anmeldung bei der Wahlkommission auszuhändigen, um Unzukömmlichkeiten auszuschalten.

Es wird vorgesehen, die Gesetzesvorlage mit den getroffenen Änderungen neu zu drucken und Ende der kommenden Woche dann in einer Landtagssitzung abermals das Gesetz zu behandeln.

[...]

 

 

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[1] LI LA LTP 1938/163.
[2] Unklarer Text.