Der Landtag verabschiedet einstimmig ein Pressegesetz


Protokoll der öffentlichen Landtagssitzung, gez. Landtagspräsident Anton Frommelt [1]

9.7.1930

Zum Pressegesetz

Präsident: Es ist den Herren bekannt, in welcher Art und Weise in den letzten Jahren dieses hochwichtige Moment der öffentlichen Meinung, die Presse, missbraucht worden ist, einerseits um die öffentliche Meinung ungerechtfertigterweise da oder dorthin zu zwingen, ganz besonders missbraucht worden, um auf diese oder jene Persönlichkeiten, besonders Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens, in ganz unverantwortlicher Weise herzufallen. Diesen allgemein anerkannten und unverantwortlichen Missbräuchen der Presse einen gewissen Damm zu setzen, fühlt sich jeder rechtmässig Denkende sicher verpflichtet. Das Pressegesetz wurde von einem hier im Lande wohnenden Herrn redaktionell durchgearbeitet und vorgelegt. Die einzelne Fassung der Artikel ist, soweit möglich, unseren Landesverhältnissen angepasst. Einzelne Stellen stimmen mit den Bestimmungen des Strafgesetzbuches, das bei uns Geltung hat, überein. Das Pressegesetz als Ganzes wird von einem Jeden unbedingt begrüsst werden müssen. Vielleicht ist der Herr Regierungschef [Josef Hoop] in der Lage noch etwas dazu zu sagen, weil er in besonderer Weise an der Schaffung beteiligt war.

Reg.Chef: Ich kann mich kurz fassen, nachdem der Herr Präsident im Allgemeinen die Beweggründe, die zur Schaffung dieses Pressgesetzentwurfes geführt haben, gesagt hat. Der grösste Teil der darin aufgenommenen Bestimmungen findet sich auch in anderen Pressgesetzen. Es ist das nicht ein Gesetz, das aus dem Rahmen der Pressgesetze im allgemeinen fällt, sondern in seinen Bestimmungen sich eng an dieselben anlehnt. Wenn eine Ergänzung da oder dort vorhanden ist, so ist das gerechtfertigt durch unsere besonderen Verhältnisse. Manches ist nichts anderes als eine Wiederholung der im Strafgesetze aufgestellten Bestimmungen. Wenn gesagt wird, es stelle das das schärfste Pressegesetz von Europa dar, so ist das zum mindesten ausserordentlich übertrieben. Die Herren werden bei der Durchsicht der einzelnen Paragraphen sehen, dass das nichts anderes ist, als die Regelung des Pressewesens, wie dies nur vollkommen angezeigt ist. Die Presse soll in erster Linie Verbreiterin von guten Ideen sein, soll ein Mittel sein, Kritik zu üben an Auswüchsen des Staatslebens oder an Personen, die im öffentlichen Leben stehen. Die Kritik soll niemals durch ein Pressegesetz unterbunden werden. Jene Auswüchse, die die Presse bei uns gezeitigt hat, dürfen mit Fug und Recht unterbunden werden. Der liechtensteinische Pressekampf wird einzig in der Umgebung dastehen. Man muss sich direkt schämen, wenn gewisse Blätter in die Hände eines Ausländers kommen, der eine andere Pressefehde gewöhnt ist. Einzig von solchen Gesichtspunkten aus gehen diese Paragraphen, von denen der eine oder andere etwas strenger erscheinen mag. Man könnte nun auf die Lesung eingehen, wenn nicht im Gesamten irgend etwas gewünscht wird.

Es erfolgt sodann die erste Lesung.

Zum Art. 1 bemerkt Reg.Chef Dr. Hoop, man könnte allenfalls meinen, dass dieser Artikel im Widerspruch stünde zum Art. 40 der Verfassung [2], der besagt, dass Jedermann das Recht hat, durch Wort, Schrift, Druck oder bildliche Darstellung innerhalb der Schranken des Gesetzes und der Sittlichkeit seine Meinung frei zu äussern und seine Gedanken mitzuteilen. Aber es ist klar, es heisst hier nur "innerhalb der Schranken des Gesetzes und der Sittlichkeit ..." Es kann keine ungezügelte Pressefreiheit geben, sondern nur eine solche, die durch die Normen der Gesetze von den gesetzgebenden Körperschaften geregelt ist.

In Art. 2 b soll es in der dritten Zeilen heissen: "in regelmässigen oder unregelmässigen Zeitabständen ..."

Der Art. 11 soll lauten: "Personen im schulpflichtigen Alter dürfen Druckwerke nur mit Bewilligung der Schule vertreiben oder unentgeltlich verteilen."

Zu Art. 18 frägt Präsident Frommelt wie es ist, es dürfe nach diesen Bestimmungen kein Ausländer Schriftleiter sein.

Reg. Chef: Der Redaktor muss gezwungenerweise Liechtensteiner und in bürgerlichen Ehren und Rechten sein.

Art. 25 wird so gefasst, dass es heisst: "Wird bei Veröffentlichung einer amtlichen Berichtigung im Sinne von Art. 23 ein Kommentar beigefügt oder erfolgt die Kommentierung in einer späteren Nummer u.s.w. ..."

Zu Art. 27 bemerkt Rat [Josef] Ospelt, dass man hier die Arreststrafe streichen solle, es genüge die Geldstrafe für solche kleine Vergehen.

Zu Art. 30 macht Abg. Ospelt ähnliche Bedenken bezüglich der Arreststrafe geltend.

Präsident: Diese Arreststrafe hat im Art. 30 schon etwas für sich, hauptsächlich wenn es um Zeitungen mit grösserem Kapital handeln würde.

Zu Art. 34 werden Stimmen laut, dass auch der einzelne Abgeordnete in gleicher Weise geschützt wäre wie die Mitglieder der Regierung.

Reg.Chef: Die österreichische Vorlage zum Pressegesetz hatte das auch vorgesehen, es ist das dann aber im Parlament gestrichen worden. Man sagte sich, es entspreche das dem heutigen demokratischen Prinzip weniger, wenn Ehrenbeleidigungen einzelner Personen schwerer geahndet würden.

Präsident: Der einzelne Abgeordnete sollte ebenso geschützt sein wie ein Lehrer, Polizeidiener oder ein Beamter oder Angestellter.

Ospelt: Im Art. 36 sollen die Worte gegen Entgelt gestrichen werden. Gegen Entgelt oder unentgeltlich, moralisch bleibt sich das gleich. Ich bin einmal in Buchs bei einer Krebsausstellung gewesen und ich kann nur sagen, es ist gut, wenn hier die Jugend oder Halberwachsene so etwas nicht sehen.

Präsident: Es ist schon in der Finanzkommission besprochen worden, dass die Verbreitung nicht nur unter Jugendlichen, sondern überhaupt unter dem Volke verboten sein solle, die Verbreitung derart wirkender Bilder oder Schriftwerke irgendwelcher Art. Vielleicht, dass wir diesen Punkt in der zweiten Lesung noch berühren.

Schluss 12 Uhr

Fortsetzung nachmittags 3 Uhr (nach vorheriger Sitzung im Konferenzzimmer.)

Bernhard Risch kommt nachmittags zur Sitzung.

Präsident: Soll die definitive Beschlussfassung über das Gesetz nach vorheriger zweiter Lesung vertagt werden oder über dasselbe heute abgestimmt werden.

B. [Bernhard] Risch: Da es mir leider nicht möglich war, bei der ersten Lesung anwesend zu sein, möchte ich vor Beschlussfassung noch eine Konferenzbesprechung beantragen.

Ospelt: Ich neige mehr dazu, dass die zweite Lesung und die damit verbundene endgiltige Abstimmung über Annahme oder Abänderung des Gesetzes auf einige Tage verschoben wird. Ich persönlich habe das Bedürfnis, verschiedene Artikel mir in Ruhe noch zu überlegen, es dürfte dieses Bedürfnis noch bei anderen vorhanden sein. Nicht aber soll das auf die lange Bank geschoben werden, sondern auf etwa einige Tage verschoben werden.

[Emil] Batliner: Ich stelle den Antrag, die zweite Lesung sofort vorzunehmen und das Gesetz zu verabschieden. Die Sache wurde gründlich durchbesprochen, warum sie noch lange herumziehen.

Ferd. [Ferdinand] Risch: Ich möchte den Abg. Batliner unterstützen.

Es kommt sodann zur Abstimmung über den Antrag des Abg. Ospelt auf Verschiebung der zweiten Lesung und endgiltigen Beschlussfassung auf kurze Zeit:

Ergebnis der Abstimmung: 2 Stimmen für Verschiebung (nachträglich stimmt dann noch einer davon für heutige Beratung)

P. [Peter] Büchel: Ich möchte den Antrag des Abg. Batliner dahin ergänzen, dass man vorher verschiedene Sachen noch bereinigt. Im Übrigen bin ich für den Antrag Batliners. Zweite Abstimmung über die heutige Verabschiedung des Gesetzes nach vorheriger Konferenzzimmer–Sitzung u. Bereinigung einzelner Punkte hat das Ergebnis, dass alle dafür sind, mit Ausnahme des Abg. Ospelt. [...] [3]

Zurückzug ins Konferenzzimmer um 20 m nach 3 Uhr. [4]

Fortsetzung im öffentlichen Landtag um 4 Uhr. 

Präsident: Wir kommen zur definitiven Behandlung des Pressegesetzes.

Es kommt zunächst zu einer längeren Diskussion über den Begriff der Verbreitung nach Art. 3. Abg. Ospelt beteiligt sich hieran sehr lebhaft und erklärt, dass seines Erachtens damit nur die inländische Presse geregelt [wird].

Es erfolgt eine längere Aussprache über den Begriff Kirchenplatz, wo das Austeilen und Verbreiten von Zeitungen verboten sei.

Präsident Frommelt bemerkt, dass rechtlich nur das zur Kirche gehörige Grundstück als Kirchenplatz zu gelten habe, nicht z.B. etwa jenes Stück der Landstrasse in Vaduz bei der Kirche, desgleichen in Eschen, Triesen u.s.w.

Hiezu meldet sich dann niemand mehr zum Worte. Es wünscht niemand eine genauere Umschreibung des Wortes Kirchenplatz. Batliner, der zuerst meinte, nach volkstümlichen Begriffen sei in Vaduz auch die Strasse vor der Kirche Kirchenplatz, desgleichen in Eschen, ist damit auch einverstanden.

Zu Art. 17 bemerkt Präsident Frommelt, ob da nicht Pseudo-Namen wie z.B. Reimmichl statt Sebastian Rieger miteingeschlossen sein sollen. Damit sind alle Herren einverstanden. Es soll also auch miteinbegriffen und mitgebilligt werden.

In Art. 13 soll es heissen statt "unter achtzehn Jahren" "im schulpflichtigen Alter."

Ospelt: Ich möchte zu Art. 20 lediglich wünschen, dass irgendwie gesagt wird, wann die Verbreitung beginnt. Es werden massenhaft im Lande von Haus zu Haus Zeitungen oft direkt aufgedrängt. Im Jahre wandern zehntausende von Franken ins Ausland, die besser nicht hinausgeworfen wären. Kaum in einem anderen Staate ist diese Art Verbreitung von Presse-Erzeugnissen wie bei uns. Viele Tausende gehen auf diese Weise verloren. Es handelt sich da oft um Blätter, die mit ganz falschen Vorstellungen, sie seien so und so eingestellt, gegeben werden. In Wirklichkeit handelt es sich um nach gewissen Richtungen hin orientierte Zeitungen, die zum mindesten aber bar sind jeder positiven Einstellung.

Reg.Chef: Die Verbreitung würde beginnen, wenn die Buben z.B. mit den Zeitungen von Sevelen herüberkommen. Dann müsste der Regierung ein Stück vorgelegt werden.

Zu Art. 25 bemerkt Regierungschef Dr. Hoop, dass eine Berichtigung von Amtswegen nicht derartig kommentiert werden dürfe, dass justament das Gegenteil von dem behauptet sei, was die Behörde gesagt hat. Es darf z.B. nicht eine Zeitung sagen: Wahr ist, was wir sagen, und nicht wahr ist, was die Behörde sagt. Indessen bleibt es der Zeitung unbenommen, ein Urteil über den ganzen Vorgang abzugeben. Die Kritik bleibt aufrecht.

In Art. 27 wird die Arreststrafe bei der bezüglichen Abstimmung mit Stimmenmehrheit gestrichen.

Rat Ospelt kommt nochmals auf den Begriff Verbreitung zurück. Desgleichen Fritz Walser.

Fritz Walser: Die Post wird die Strafe sicher nicht auf sich nehmen, die Verbreitung kann also nicht schon mit dem Einbringen ins Land geschehen, sondern erst mit der Austragung.

Rat Ospelt: Die ursprüngliche Fassung in Art. 3 entspricht meines Erachtens am besten dem, was das Pressgesetz will.

Reg.Chef: Die Verbreitung beginnt mit dem Moment, wo die Zeitung die Druckerei verlässt. Aber darüber könnte man noch streiten, ob das schon Verbreitung ist, wenn sie zur Post gegeben wird.

Rat Ospelt: Die Zustellung ist bei der inländischen und ausländischen Presse genau dieselbe, beim Tagesanzeiger ist eine Ausnahme, die Illustrierte Presse wird zum beträchtlichen Teil ebenfalls durch Austräger verteilt. Ich bin der Meinung, es hat keinen Zweck hier einen Unterschied zu schaffen zwischen in- und ausländischer Presse.

Es kommt sodann nach längerer Debatte über den Begriff Verbreitung, sowohl was die ausländische als die inländische Presse anbetrifft, zur Abstimmung.

Ergebnis: Mehrheitlich für Streichung des Nachsatzes in Art. 3 lt. bisheriger Besprechung und Belassung des Artikels nach Entwurf.

In Art. 37 soll ein lit. c angehängt werden, das lautet: "Öffentliche Beamte und Angestellte, die nach diesem Artikel gestraft werden, sind ihres Dienstes zu entheben." Ferner ein weiterer Absatz, der lautet:

"Einer gegen die Verfügung der Regierung gerichteten Beschwerde kommt keine aufschiebende Wirkung zu."

Zu Art. 37 bemerkt Regierungschef Dr. Hoop: Über die Worte: "Öffentlich oder vor mehreren Leuten" mögen sich die Herren noch aussprechen.

B. Risch: Ob da nicht vielleicht eine andere Fassung möglich ist. Es kommt manchmal vor, dass man fast unbewusst, ohne bösen Willen, über etwas spottet oder so was, da sollte die Fassung nicht zu strenge sein.

Präsident: Im Sinne des Gesetzes ist es, dass eine solche öffentliche Rederei mit in das Gesetz hineingenommen wird.

Risch: Dann ziehe ich meinen Antrag zurück.

Im Art. 41 soll in der zweiten Zeile in lit. b nach den Worten nach § 516 St.G. noch hinzukommen: "oder das Verbrechen der Religionsstörung nach § 122 St.G." Im folgenden Absatz soll es heissen statt "Gerichtes" "Landgerichtes."

Im Art. 45 soll es im ersten Absatz heissen am Schlusse: "... durch das Landgericht zu erkennen". Der folgende Satz soll gestrichen werden.

Die Totalabstimmung über das Gesetz ergibt einstimmige Annahme des Gesetzes.

Präsident: Ich hoffe, dass gerade dieses Gesetz dem Lande zur Ruhe helfen und zu erspriesslicher Arbeit diene. [5]

Schluss etwas nach 6 Uhr.

Gefertiget:

Nachtrag:

In Art. 23 soll ein lit. d) eingeschaltet werden, die lauten soll: "Wenn die Berichtigung erweisbar anderes als die wahrheitsgemässe Berichtigung mitgeteilter Tatsachen beinhaltet."

Art. 34 enthält folgende Fassung: "Die mit Strafe bedrohten Ehrenbeleidigungen werden von Amtswegen verfolgt, wenn sie gegen die Regierung, den Landtag oder die Mitglieder dieser Körperschaften in Bezug auf Ausübung ihres Amtes oder gegen eine öffentliche Behörde gerichtet sind u.s.w."

Der Schlussabsatze in diesem Artikel soll lauten: "Vorstehende Bestimmungen gelten auch für öffentliche Beschimpfungen und Misshandlungen, soweit sie die vorstehend bezeichneten Personen, Körperschaften und Behörden betreffen."

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[1] LI LA LTP 1930/143.
[2] LGBl. 1921 Nr. 15.
[3] Es wurde eine Abänderung des Steuergesetzes sowie des Volksrechtegesetzes beraten.
[4] Zur Konferenzsitzung des Landtags liegt kein Protokoll vor. 
[5] Die Volkspartei ergriff das Referendum gegen das Gesetz (L.Na., Nr. 106, 20.9.1930, S.1 ("Einladung zur Unterzeichnung der Referendumsbögen betr. Pressegesetz")) und führte - mit Hilfe der Schweizer Presse - eine aufwendige Kampagne. Das Volk verwarf das Gesetz schliesslich am 26.10.1930 mit 1008 Nein- gegen 1005 Ja-Stimmen.