Der Landtag genehmigt das Abkommen mit Österreich über den Binnenkanalbau


Protokoll der öffentlichen Landtagssitzung, gez. Landtagspräsident Anton Frommelt [1]

29.12.1930

Präsident: Es ist den Herren das Verhandlungsprotokoll mit Österreich vom 2. Oktober d.J. [2] bereits zur Kenntnis gegeben worden und es erübrigt sich, dieses Protokoll nochmals zu verlesen. Es ist bereits bei der letzten Abstimmung über den Kanal schon verlesen worden. [3] Es wurde genehmigt, vorausgesetzt dass die Genehmigung durch das Volk erfolgt. Nachdem diese Volksabstimmung in einer so erfreulichen Weise vor sich gegangen ist, [4] wird es vielleicht gut sein, dieses Protokoll zu ratifizieren.

Es erfolgt sodann die einstimmige Genehmigung dieses Protokolls.

P. [Peter] Büchel: Als Abgeordneter des Unterlandes möchte ich diese Gelegenheit benützen, um über die Volksabstimmung des 14. Dezember einige Worte zu sprechen. Der 14. Dezember war für unser Land in wirtschaftlicher Beziehung einer der bedeutungsvollsten Tage dieses Jahrhunderts. An diesem Tage wurde eine Frage entschieden, die schon ein halbes Jahrhundert unsere Behörden und die allgemeine öffentliche Meinung beschäftigte. An diesem Tage hat unser Volk gezeigt, dass es leben und lebenlassen will, dass es arbeiten will. Das Volk hat gezeigt, dass es nicht wertvolle Teile unseres Anbaugebietes seinem Schicksale, dem Untergange überlassen will, auch wenn es grosse Opfer kostet. - Wie von einem schweren Alpdrucke befreit, atmeten einzelne Gemeinden des Unterlandes auf, als das Abstimmungsresultat bekannt wurde. Die Freude des Volkes wurde verkündet durch das frohe Geläute der Glocken, durch dröhnende Böllerschüsse, durch das Tedeum in der Kirche, durch das Singen der Volkshymne in öffentlichen Lokalen und beim Abbrennen der Höhenfeuer am Abend. In die Weisen der durch die Strassen ziehenden Musik mischte sich das Jauchzen der Jugend. In den Augen der Alten glänzten die Tränen, nicht nur in Frauenaugen, sondern auch in den Augen der Männer, die schon so viele Jahre das Elend schauen mussten, das die Verderben bringenden Rückstauwasser des Rheines an ihren Feldern anrichtete, die Sommerarbeit von ganzen Familien vernichtend. Nun drängte sich mir die Frage auf, wieso konnte es noch so fanatische Gegner dieses Projektes geben? [5] Ich meine nicht jene, die weit oben am Triesenberg wohnen, welche die Sachlage nicht kannten und nicht kennen konnten, ich meine auch nicht jene in Ruggell unten, die aus begreiflichen Gründen diesem Werke keine Sympathien entgegenbringen konnten. - Unbegreiflich aber finde ich jene Gegner, die schon jahrzehntelang Gelegenheit hatten, die Verheerungen zu schauen, aber nicht soviel Gemeinsinn und Nächstenliebe aufbringen konnten, das Werk wenigstens nicht zu bekämpfen. Ich begreife einen Mann, der bei einer solchen Abstimmung aus Überzeugung selber "Nein" schreibt. Ich begreife aber nicht jene, die aus irgend einem nebensächlichen Grunde auch noch andere dazu verleiten wollen, "Nein" zu schreiben. - Doch es ist vorbei. Diese Gruppe Gegner ist nicht auf die Rechung gekommen, sie soll selber schauen, wie sie ihr Treiben mit ihrem Gewissen ins Reine bringt. Meine Worte möchte ich jenen widmen, die durch Wort u. Tat dazu beigetragen haben, das Volk aufzuklären und die Abstimmung günstig zu gestalten. Ihnen allen gebührt Dank und Anerkennung. Ihr Name wird glänzen in der Geschichte Liechtensteins. Innigsten Dank und Anerkennung aber auch der gewaltigen Volksmehrheit, die sich an diesem Tage das schönste Zeugnis des Existenzwillens, des Gemeinschaftssinnes und der Zusammenarbeit ausgestellt hat. - Möge nun Gott, der Lenker der Geschicke, diesem Werke seinen Segen angedeihen lassen und jenen, die es ausführen müssen, die nötige Kraft geben.

- Es ertönen sodann Bravo-Rufe.

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[1] LI LA LTP 1930/288.
[2] LI LA RE 1930/3194, Protokoll der zwischenstaatlichen Konferenz am 1. und 2.10.1930 in Bregenz und Feldkirch.
[3] LI LA LTP 1930/255 (b).
[4] Die Stimmberechtigten stimmten dem Binnenkanalprojekt am 14.12.1930 mit 1471 zu 610 Stimmen zu (L.Vo., Nr. 145, 16.12.1930, S. 1 ("Ein Sieg der Vernunft!")).
[5] Die "Liechtensteiner Nachrichten" verzichteten auf eine Abstimmungsempfehlung (L.Na., Nr. 140, 13.12.1930, S. 1 ("Unser Standpunkt")). Veröffentlicht wurden jedoch v.a. Beiträge, die dem Projekt kritisch oder ablehnend gegenüberstanden. Unmittelbar vor der Abstimmung kursierten zudem Flugblätter, die zu einem Nein aufriefen (LI LA RE 1930/3194).