Emil Beck berichtet dem Landtag über die Zollvertragsverhandlungen mit der Schweiz


Maschinenschriftlicher Bericht von Emil Beck, liechtensteinischer Geschäftsträger in Bern, vorgetragen in der Landtagssitzung vom 25.5.1923 [1]

24.5.1923, Bern

Bericht über die Zollanschlussverhandlungen mit dem Schweizerischen Bundesrat

erstattet von der fürstlich Liechtensteinischen Gesandtschaft in Bern

Der erste Antrag an den Schweizerischen Bundesrat, das Fürstentum Liechtenstein ans schweizerische Zollgebiet anzuschliessen, erfolgte durch die fürstliche Regierung direkt, weil sie damals in Bern noch keine Gesandtschaft unterhielt. Am 22. April 1919 besuchte der damalige Landesverweser, Seine Durchlaucht Prinz Karl [von Liechtenstein], Herrn Bundesrat [Felix] Calonder, den damaligen Vorsteher des Eidgenössischen Politischen Departements, und sprach den Wunsch aus, "dass zwischen der Schweiz und dem Fürstentum Verträge abgeschlossen werden inbezug auf Zoll, Post und Justiz, wie solche ehemals zwischen dem Fürstentum und Österreich bestanden." [2] Die Regierung verfolgte damit die Absicht, der Schweiz womöglich diejenigen Funktionen zu übertragen, welche bisher von Österreich ausgeübt worden waren, ausgehend von der Erkenntnis, dass infolge der durch den Weltkrieg eingetretenen Änderung der Verhältnisse die Auflösung der diesbezüglichen Verträge mit Österreich ein Gebot der Selbsterhaltung sei. Als Unterlagen für das Studium dieser Fragen überreichte sie dem Bundesrat am 9. und 22. Mai eine Anzahl Dokumente, worunter speziell den Text der wichtigsten Verträge mit Österreich. [3]

Die weitere Verfolgung dieser Angelegenheit wurde dann der fürstlichen Gesandtschaft in Bern übertragen, welche inzwischen durch die Akkreditierung des derzeitigen Geschäftsträgers am 13. August 1919 [4] errichtet worden war. Dieselbe leitete sofort Verhandlungen mit dem Bundesrat ein, deren Ergebnis der Vorschlag des Politischen Departements vom 24. Oktober war, eine gemischte Kommission aus liechtensteinischen und schweizerischen Vertretern zu ernennen, welche diese Fragen in allen Einzelheiten prüfen sollten. [5]

Unterm 8. November teilte die Gesandtschaft dem Bundesrat mit, dass die fürstliche Regierung mit diesem Vorgehen einverstanden sei und die Herren Regierungsrat J. [Josef] Marxer, Regierungsrat J. [Johann] Wanger und Postmeister Fritz Walser als ihre Vertreter bezeichnet hatte. [6] Nachträglich wurden die Herren Marxer und Walser dann ersetzt durch Seine Durchlaucht Prinz Eduard [von Liechtenstein] und Dr. Wilh. [Wilhelm] Beck.

Die Verhandlungen waren anfänglich auf den 1. Dezember angesetzt, mussten dann aber auf unser Verlangen auf den 12., dann auf den 17. Dezember und schliesslich auf den 23. Januar 1920 verschoben werden, da Seine Durchlaucht Prinz Eduard verhindert war. [7]

Schweizerischerseits nahmen an denselben [8] teil die Herren Minister [Paul] Dinichert, Chef der Abteilung für Auswärtiges, Dr. [Werner] Kaiser, Chef der Justizabteilung, Prof. Dr. [Ernst] Delaquis, Chef der Polizeiabteilung, [Florian] Meng, Stellvertreter des Oberpostdirektors, [Joseph] Vögeli, Direktor des Zollkreises Chur und A. [Arthur] Immer, Chef des Ausfuhrdienstes.

Die Verhandlungen welche zwei Tage dauerten, sollten den Vertretern der interessierten schweizerischen Departements Gelegenheit geben, sich über die liechtensteinischen Wünsche und die tatsächlichen Verhältnisse, namentlich auch über das bisherige Verhältnis zu Österreich, zu orientieren, damit der Bundesrat sich ein Urteil bilden könne, ob und unter welchen Bedingungen auf unsere Vorschläge eingetreten werden könne.

Die Kommission gelangte hinsichtlich der Post zum Schlusse, dass der Postvertrag [9] vom Zollvertrag getrennt behandelt werden solle, da er dringender sei und weniger Schwierigkeiten biete.

Die Frage eines Justizvertrages wurde als am wenigsten dringend zurückgestellt.

Bezüglich des Zollvertrages beschränkte man sich auf die tatsächlichen Feststellungen, welche als Basis für die weiteren Verhandlungen nötig waren. Die Vertreter der Schweiz behielten sich vor, dem Bundesrat auf Grund dieser Besprechungen ihre Anträge zu unterbreiten, damit dieser Beschluss fasse, ob er auf weitere Unterhandlungen eintreten könne.

Mit Note vom 30. März 1920 teilte dann das Politische Departement mit, dass der Bundesrat auf weitere Verhandlungen eintreten wolle, und das Finanz- und Zoll Departement mit der Prüfung der mit dem Zollanschluss zusammenhängenden Fragen beauftragt und das Post- und Eisenbahn Departement ermächtigt habe, mit der fürstlichen Regierung Fühlung zu nehmen betreffend den Abschluss eines Postvertrages. [10]

Im Anschluss daran wurde anfangs Mai eine Begehung der liechtensteinisch-vorarlbergischen Grenze durch einige Vertreter der Schweizerischen Oberzolldirektion und der fürstlichen Regierung angesetzt, welche aber infolge der Schneeverhältnisse verschoben werden musste und vom 24. bis 30. Mai durchgeführt wurde. Dabei wurde festgestellt, dass diese Zollgrenze einen Beamten, einen Aufseher und 48 Unteroffiziere und Grenzwächter erfordere. Überdies wurden über die notwendig werdenden Bauten provisorische Angaben gemacht. [11]

Auf Grund des derart gesammelten Materials hatte die Oberzolldirektion nun den Auftrag, einen Entwurf zu einem Zollvertrage auszuarbeiten. Ende August 1920 soll derselbe fertig gestellt und den Beteiligten Departementen zur Vernehmlassung unterbreitet worden sein. [12]

Als Ende November 1920 noch kein Vorschlag des Bundesrates vorlag und unsere Gesandtschaft um Beschleunigung der Zollvertragsangelegenheit ersuchte, ergab sich, dass die Schweizerischen Bundesbahnen die Befürchtung hatten, dass durch den Zollanschluss die Vorarlbergerlinie in ihrer Konkurrenzfähigkeit geschädigt werde, weil die Tarife für die Strecke Buchs–Feldkirch in Franken verrechnet würden. Es wurde deshalb gewünscht, dass sich unsere Regierung von der Österreichischen Regierung gewisse Zusicherungen geben lasse. Ebenso hatte das Volkswirtschaftsdepartement Bedenken wegen der Handhabung der Bundesgesetzgebung. [13]

Infolge der zwischen den einzelnen Abteilungen der Bundesverwaltung nötig werdenden internen Verhandlungen konnte ein bereinigter Entwurf dem Bundesrat erst Ende April 1921 zur Beschlussfassung vorgelegt werden. Dieser Bundesratsbeschluss war unserer Gesandtschaft schon für den Monat März in Aussicht gestellt worden. Er verzögerte sich aber infolge anderweitiger Inanspruchnahme des Bundesrates bis zum 13. Mai 1921. Leider konnte sich der Bundesrat nicht entschliessen, den Entwurf ohne weiteres anzunehmen, sondern er beschloss, denselben an das Volkswirtschaftsdepartement zum Mitbericht zu überweisen. [14] Dieses letztere sollte dadurch Gelegenheit erhalten, seine Bedenken zur Geltung zu bringen und sie auf Grund neuer Erhebungen zu belegen. Damit war eine weitere Verzögerung um viele Wochen unabwendbar geworden.

In dieser Zeit, im Laufe des Monats Januar 1921, erhielt das Politische Departement die erste Eingabe von Alt-Nationalrat [Gallus] Schwendener in Buchs im Namen eines Buchser Oppositionskomitees, in welchem dieses gegen den Zollanschluss Stellung nahm. [15]

Inzwischen hatte sich das Volkswirtschaftsdepartement mit dem Vertragsentwurf befasst. [16] Es gelangte aber nicht zu einem positiven Schluss, sondern beantragte, dass das Justiz- und Polizei Departement den Auftrag erhalte, die Frage der Anwendung der schweizerischen Bundesgesetzgebung im Fürstentum näher zu prüfen, was auch geschah. Und damit war die Erledigung neuerdings hinausgeschoben.

Unsere Gesandtschaft beantragte daher der fürstlichen Regierung am 20. Januar 1921, [17] den Bundesrat um Gewährung von Einfuhrerleichterungen (für Vieh u.s.w.) und Einreiseerleichterungen für Arbeiter schon vor Inkrafttreten des Vertrages zu ersuchen und durch eine besondere Delegation den dringenden Wunsch um Beschleunigung der Verhandlungen ausdrücken zu lassen.

Dies geschah zunächst in einer persönlichen Besprechung Seiner Durchlaucht Prinz Franz [von Liechtenstein], begleitet vom Geschäftsträger in Bern, mit Herrn Bundesrat [Giuseppe] Motta und Herrn Minister Dinichert. [18] Diese beiden Herren stellten damals die Möglichkeit der Behandlung des Vertrages in der Oktobersession der Bundesversammlung in Aussicht.

Inzwischen war der Entwurf des Vertrages dem Bundesrat neuerdings zur Behandlung unterbreitet worden (anfangs September 1921). Da aber verschiedene Mitglieder des Bundesrates sich in den Ferien und Herr Motta in der Völkerbundsversammlung befanden, konnte damals noch kein Beschluss gefasst werden.

Der in Aussicht gestellte Besuch des Herrn Regierungschefs (Rat [Josef] Ospelt) konnte aus ähnlichen Gründen erst im Oktober stattfinden, [19] worauf die Vorlage eines Entwurfes auf Ende Oktober in Aussicht gestellt wurde.

Indessen genehmigte der Bundesrat den neuen Entwurf wieder nicht, sondern verwies ihn ins Finanzdepartement zurück zur erneuten Prüfung einiger Fragen. Wie nachträglich festgestellt werden konnte, sollte speziell die Frage der liechtensteinischen Steuern neu geprüft werden, weil dem Bundesrat die Vermutung ausgesprochen worden war, es bestehe die Absicht, in Liechtenstein ein Steuerparadies einzurichten und der Schweiz Steuerkapital zu entziehen. Unsere Gesandtschaft sah sich daher neuerdings veranlasst, Herrn Motta um Beschleunigung zu ersuchen, welcher hierauf die Vorlage des Entwurfes auf anfangs Januar 1922 in Aussicht stellte. [20]

Am 19. Januar 1922 endlich beschloss der Bundesrat den vorgelegten Entwurf des Vertrages [21] anzunehmen und der fürstlichen Regierung zu unterbereiten. Die Zustellung des Entwurfes selbst aber verzögerte sich infolge Krankheit des zuständigen Beamten (Dr. [Peter Anton] Feldscher). Am 4. Februar 1922 endlich war die Gesandtschaft auf Grund mehrfacher Interventionen in der Lage, der fürstlichen Regierung den ersten Vertragsentwurf zuzustellen. [22]

Dieser Entwurf gelangte am 6. März 1922 in der Zollkommission des Landtages zur Behandlung. [23] Auf Grund derselben wurden in der Folge eine Reihe von Fragen auf dem Wege der mündlichen Unterhandlungen abgeklärt (z.B. Haltestation Schaanwald, Zollbehandlung in Schaan, Behandlung des im Vorarlberg gealpten Viehs, Lebensmittelpolizei, u.s.w.). [24]

Inzwischen war in der Presse auch die Angliederung des Fürstentums als Kanton an die Schweiz als beabsichtigt hingestellt worden, wogegen unsere Gesandtschaft Stellung nahm. [25] Andererseits war die Idee der Einrichtung von Freizonen lanciert worden, welche von unserer Gesandtschaft ebenfalls als unzweckmässig bezeichnet wurde. [26]

Die definitive Besprechung des Entwurfes erfolgte dann in der Sitzung der Zollkommission am 23. Mai 1922, an welcher der Berner Geschäftsträger referierte. [27]

Das Ergebnis dieser Besprechung war, dass die Gesandtschaft den Auftrag erhielt, auf dem Wege der Verhandlung mit dem Politischen Departement und, soweit möglich, mit einzelnen Verwaltungsabteilungen eine Reihe von Fragen besser abzuklären. Es handelt sich speziell um die Vorarlberger Viehsommerung, Arbeitereinreise, Mietzins für die Gebäude, Lebensmittelversorgung im Kriegsfalle, Zollbehandlung auf der Station Nendeln und Schaan, Erhöhung der Pauschalabfindung, u.s.w.

Über diese Fragen wurden mit den einzelnen Abteilungen Verhandlungen gepflogen und in den wesentlichen Punkten eine Abänderung zu unseren Gunsten erzielt. [28]

Besprochen wurde mit dem Politischen Departement speziell auch die Frage einer Kriegsklausel, wonach die Schweiz sich verpflichtet hätte, das Fürstentum im Kriegsfalle mit Lebensmitteln und Kohlen zu versehen.

Es zeigte sich jedoch, dass eine solche Klausel gar keine Aussicht hatte, vom Bundesrat oder gar von der Bundesversammlung angenommen zu werden. Die grundsätzliche Verpflichtung zu einer solchen Versorgung ist aber bereits in Art. 1 gegeben, solange der Vertrag besteht.

Besonders wünschenswert erscheint dem Politischen Departement, dass von der Österreichischen Regierung eine offizielle Erklärung aufgebracht würde, wonach dieselbe den Zollanschluss nicht als Anlass dazu benützen werde, ihre Zollstationen von Buchs nach Feldkirch zurückzulegen. Diese Erklärung war jedoch nicht erhältlich, vielmehr teilte die Österreichische Regierung dem Bundesrat mit, dass sie eine solche Verlegung in Aussicht nehmen müsse, trotzdem sie vorher, laut einem Bericht unserer Wiener Gesandtschaft vom 26. Mai [29] erklärt hatte, dass der Zollanschluss ohne Einfluss auf diese Frage sein werde. Tatsächlich wird die Ursache einer solchen Absicht nur in der schweren Belastung des österreichischen Budgets durch die Frankenauslagen in Buchs zu suchen sein, und der Zweck war die Erlangung eines schweizerischen Beitrages an diese Kosten.

Nachdem die wichtigsten Fragen auf diesem Wege nach Möglichkeit abgeklärt worden waren, wurde der Vertragsentwurf von unserer Zollkommission im Beisein des Berner Geschäftsträgers am 8. Juli 1922 nochmals besprochen, wobei man zum Schlusse gelangte, dass die bereits früher besprochenen Abänderungsanträge, mit Ausnahme einiger Punkte, welche von vornherein aussichtslos erschienen (z.B. Kriegsklausel), dem Bundesrat in einer Note zu unterbreiten. [30] Dies geschah durch die Antwortnote vom 19. Juli 1922, [31] welche den einzelnen Verwaltungsabteilungen zur Vernehmlassung zugestellt wurde.

Inzwischen wurden mit dem Gesundheitsamt Verhandlungen betreffend die Durchführung der Lebensmittelpolizei gepflogen. [32] Ferner wurden dem Bundesrat in einer besondern Note die auf Grund des liechtensteinischen Zolltarifes erzielten Zolleinnahmen mitgeteilt, um den Antrag auf Erhöhung der Pauschalabfindungssumme besser zu begründen. [33]

Bald darauf begannen die mündlichen Verhandlungen über die in unserer Note gemachten Anregungen und Gegenvorschläge. Die Beantwortung derselben durch den Bundesrat wurde jedoch infolge Ferien, Völkerbundsversammlung, Verhandlungen mit Deutschland u.s.w. hinausgeschoben, zuerst auf den Monat Oktober, dann auf den Dezember.

Bevor die Antwort jedoch eintraf, tauchte die Frage der Kupons- und Stempelsteuer neu auf. Das Finanzdepartement hielt nun die Anwendung der diesbezüglichen Gesetze für unumgänglich, währenddem das Politische Departement früher stets die Auffassung vertreten hatte, dass diese Gesetzgebung nicht übernommen werden müsse.

Als die erwartete Antwortnote, durch die Prüfung dieser Fragen verzögert, im Dezember noch immer nicht eintraf, ersuchte die Gesandtschaft wiederholt um rasche Erledigung, welche für den Monat Januar bestimmt zugesichert wurde.

Gegen Ende Januar machte Herr Regierungschef [Gustav] Schädler mehreren Bundesräten in Begleitung des Geschäftsträgers seine Aufwartung, wobei namentlich die Dringlichkeit der Behandlung des Zollvertrages betont wurde. [34]

Am 2. Februar endlich traf die Note vom 18. Januar ein, mit welcher der Bundesrat seinen definitiven Entwurf vorlegte, in welchem einzelne (die wichtigeren) unserer Vorschläge Berücksichtigung gefunden hatten. [35]

Nachdem dieser neue Entwurf von unserer Zollkommission behandelt worden war, [36] konnte am 13. März unsere Schlussnote [37] abgesandt werden, in welcher die Annahme des Vertrages erklärt wurde, unter Vorbehalt der Abklärung der Stempel- und Kuponssteuerpflicht der Handelsgesellschaften in Liechtenstein mit Steuer-Pauschalierungen über das Jahr 1924 hinaus. Ferner wurde eine neue Fassung der Bestimmungen über die Fremdenpolizei angeregt. Diese beiden Fragen wurden in der Folge zu unserer Zufriedenheit gelöst durch direkte Verhandlungen mit der Eidgenössischen Steuerverwaltung, der Polizeiabteilung und der Fremdenpolizei.

Der in diesem Sinne bereinigte Entwurf [38] konnte endlich am 29. März 1923 von Herrn Bundesrat Motta und unserem Berner Geschäftsträger unterzeichnet werden und bedarf nun noch der Ratifikation unseres Landtages und der schweizerischen Bundesversammlung. Letztere wird die Ratifikation voraussichtlich im Juni und September dieses Jahres vornehmen. Die Botschaft des Bundesrates an die Bundesversammlung liegt bereits gedruckt vor. [39] Es ist anzunehmen, dass die Ratifikation mit einer schönen Mehrheit ausgesprochen werden wird.

Inzwischen sollen von der fürstlichen Regierung alle Massnahmen getroffen werden, welche nötig sind, um eine übermässige Einfuhr von Waren vor dem Inkrafttreten des Zollvertrages zu verhüten. Das nähere hierüber wird mit der von der Oberzolldirektion bestellten Kommission zu besprechen sein, welche am 28. dieses Monats in Vaduz eintreffen wird. [40]

Damit ist nur der äussere Gang der Verhandlungen dargestellt, aus welchem namentlich hervorgehen dürfte, warum sich die Verhandlungen so lange hinausgeschoben haben. Die Darstellung des Ringens um die einzelnen materiellen Positionen würde hier zu weit führen. Es mag daher ein kurzer Hinweis auf einzelne im Verlauf der Verhandlungen erzielte Verbesserungen des Vertrages genügen.

Während anfangs die Meinung vorherrschte, dass der ganze Anteil des Fürstentumes an den Zolleinnahmen durch die Mehrkosten der Verwaltung aufgezehrt werde, wurde später mit einer Pauschalsumme von 100'000.- Franken gerechnet, welche dann auf 150'000.- Franken erhöht wurde. Dazu kam nachträglich, dass überdies der ganze Ertrag unserer effektiven Einnahmen und Kupons Stempelsteuer [sic], nach Abzug von 10 % Verwaltungskosten, uns zufallen soll.

Ferner wurde inbezug auf die Viehsömmerung auf den Vorarlbergeralpen, an welcher Frage der Vertrag beinahe zu scheitern schien, die in Art. II des Schlussprotokolles getroffene, befriedigende Lösung erzielt.

Inbezug auf die Freiheit der Warenein- und Ausfuhr wurde die Einfügung von Art. I Absatz 2 erreicht, sodass vollständige Freiheit des Verkehrs gegeben ist, was namentlich für die Vieheinfuhr eine grosse Bedeutung haben wird.

Endlich ist zu erwähnen, dass die Regelung der Fremdenpolizeifrage infolge der Verhandlungen wesentlich zu unseren Gunsten geändert worden ist. Die neue Ordnung hat gegenüber der früheren den dreifachen Vorzug, dass wir die eigene Gesetzgebung behalten können, dass die Fremdenpolizei unentgeltlich von der Schweiz besorgt wird, und dass auch der Personenverkehr mit der Schweiz vollständig freigegeben wird. Dies ist äusserst wichtig für die Einreise von Arbeitern, welche damit ohne weiteres gestattet ist. Es ist sogar in Aussicht genommen, dass die liechtensteinischen Arbeiter in erster Linie beschäftigt werden sollen, bevor andere hereingelassen werden.

Diese Änderungen in Verbindung mit einer Reihe anderer dürfen als bedeutende Verbesserungen des Vertrages zu unseren Gunsten bezeichnet werden. Viel wichtiger aber als alle diese Verbesserungen ist die Tatsache, dass der Vertrag überhaupt zustande kommt. Die Schwierigkeiten, die sich ihm entgegenstellten, waren gross. Die Hoffnung aber, dass er dem Lande zum grossen Vorteil gereichen wird, wird sicher nicht getäuscht werden.

Der fürstliche Geschäftsträger

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[1] LI LA LTP 1923/012. Weitere Exemplare in LI LA V 003/0300/047-056; LI LA SF 27/1923/ad 1790/8. Emil Beck trug den Bericht bei der ersten Lesung des Zollvertrags im Landtag (LI LA LTP 1923/004) vor. Zu Becks Sicht der Verhandlungen vgl. auch LI LA RE 1925/0027, Rechenschaftsbericht der Gesandtschaft Bern 1923 und 1924.
[2] Vgl. LI LA RE 1919/2023, Prinz Karl an Johann II., 25.4.1919.
[3] Prinz Karl übermittelte Bundesrat Calonder mit Schreiben vom 9.5.1911 (LI LA SF 27/1919/2282 ad 1710) den Zollvertrag (LGBl. 1876 Nr. 3), den Postvertrag (LGBl. 1911 Nr. 4) sowie den Justizvertrag (LGBl. 1884 Nr. 8), mit Schreiben vom 22.5.1919 (LI LA SF 27/1919/2482 ad 1710) zudem die Landesgesetzesblätter betreffend die Einführung der Kronenwährung (LGBl. 1898 Nr. 2; LGBl. 1900 Nr. 2).
[4] Vgl. LI LA SF 01/1919/ad 70, Prinz Karl an Schweizerisches Politisches Departement, 5.8.1919; LI LA SF 01/1919/079, Politisches Departement an Prinz Karl, 8.9.1919.
[5] LI LA V 002/0299, Schweizerisches Politisches Departement an Emil Beck, 24.10.1919.
[6] LI LA V 002/0299/002.
[7] Vgl. CH BAR E 2001 (E), 1969/262, Bd. 11, Az. B.14.24.P.4, Vereinbarungen mit Liechtenstein, 1919-1920, Schweizerisches Politisches Departement an Charles-Daniel Bourcart, schweizerischer Gesandter in Wien, 20.12.1919.
[8] LI LA SF 27/1920/0650 ad 64, Protokoll der Konferenz vom 23./24.1.1920.
[9] Übereinkommen zwischen der Fürstlich Liechtensteinischen Regierung und dem Schweizerischen Bundesrat betreffend die Besorgung des Post-, Telegraphen- und Telephondienstes im Fürstentum Liechtenstein durch die schweizerische Postverwaltung und schweizerische Telegraphen- und Telephonverwaltung vom 10.11.1920, LGBl. 1922 Nr. 8.
[10] LI LA V 002/0299/045.
[11] Vgl. LI LA V 002/0299/049, Bundesrat Jean-Marie Musy an Prinz Karl, 3.6.1920; LI LA V 002/0299/050, Eidgenössische Oberzolldirektion an Emil Beck, 3.6.1920.
[12] Tatsächlich hatte die Eidgenössische Oberzolldirektion im Sommer 1920 einen ersten Vertragsentwurf ausgearbeitet (CH BAR, E 2001 (E), 1969/262, Bd. 11, Az. B.14.24.P.4 III, Zollanschlussvertrag mit Liechtenstein, 1921-1924, Vertragsentwurf, o.D.; Kopie in LI LA SgK 353).
[13] Vgl. LI LA SF 27/1920/5394 ad 64, Beck an Josef Peer, 2.12.1920.
[14] Vgl. LI LA SF 27/1921/2221 ad 1935, Beck an Regierung, 19.5.1921.
[15] Nicht aufgefunden. Regierungschef Josef Ospelt informierte Beck mit Schreiben vom 20.6.1921, dass Schwendener eine Eingabe gegen den Zollvertrag an den Bundesrat gerichtet habe (LI LA V 002/0294/13).
[16] CH BAR, E 2001 (E), 1969/262, Bd. 1, Az. B.14.21.Liecht.0.Uch.2, Zollanschlussvertrag zwischen der Schweiz und Liechtenstein, 1920-1924, Stellungnahme des Volkswirtschaftsdepartements vom 14.6.1921.
[17] Gemeint ist wohl LI LA V 002/0294/12, Beck an Regierung, 20.6.1921.
[18] LI LA SF 01/1921/ad 153, Prinz Franz an Kabinettskanzlei, 19.7.1921.
[19] Vgl. LI LA SF 27/1921/4405 ad 1935, Bericht Josef Ospelt an Johann II., 15.10.1921.
[20] LI LA V 002/0294/52, Beck an Regierung, 23.12.1921.
[21] LI LA SF 27/1922/0569 ad 30, Entwurf Zollvertrag, o.D
[22] LI LA SF 27/1922/0569 ad 30, Beck an Regierung, 4.2.1922.
[23] LI LA V 002/0295/53-54, Josef Ospelt an Beck, 6.3.1922; LI LA V 002/0295/55, Ospelt an Beck, 7.3.1922.
[24] Vgl. LI LA V 002/0295/56-57, Beck an Regierung, 14.3.1922; LI LA V 002/0295/61, Beck an Regierung, 17.3.1922.
[25] LI LA V 002/0295/64-65, Beck an Regierung, 20.3.1922. Zur Berichterstattung in der schweizerischen Presse vgl. die Presseausschnitte in LI LA SgZs 1922.
[26] LI LA V 002/0295/67-70, Beck an Regierung, 8.4.1922.
[27] Über diese Besprechung wurden keine Akten aufgefunden.
[28] Vgl. LI LA V 002/029/81, Beck an Regierung, 14.6.1921.
[29] Wohl LI LA SF 27/1922/2263 ad 30, Gesandtschaft Wien an Regierung, 19.5.1922.
[30] LI LA LTP 1923/111; vgl. auch LI LA SF 27/1922/2970 ad 30, Regierung an Beck, 8.7.1922.
[31] LI LA V 002/0299/095-099, Gesandtschaft Bern an Bundesrat Giuseppe Motta, 19.7.1922.
[32] Vgl. LI LA V 002/0296/08, Beck an Regierung, 1.8.1922.
[33] LI LA V 002/0299/102, Note Gesandtschaft Bern an Schweizerisches Politisches Departement, 25.9.1922.
[34] Der Besuch fand statt am 19.1923., vgl. LI LA V 002/0296/47, Beck an Regierungschef Gustav Schädler, 20.1.1923.
[35] LI LA V 002/0300/001.
[36] Vgl. LI LA V 002/0296/61, Gustav Schädler an Gesandtschaft Bern, 15.2.1923.
[37] LI LA V 002/0300/036-043, Note Gesandtschaft Bern an Eidgenössisches Politisches Departement, 13.3.1923.
[38] LGBl. 1923 Nr. 24.
[39] Botschaft des Bundesrates an die Bundesversammlung betreffend den Vertrag zwischen der Schweiz und Liechtenstein über den Anschluss des Fürstentums Liechtenstein an das schweizerische Zollgebiet vom 6.6.1923, Bundesblatt 1923, Bd. 2, S. 374-418.
[40] Vgl. LI LA SF 27/1923/ad 1790/8, Protokoll der Besprechung vom 4.6.1923.