Alois Rheinberger an Emma Rheinberger über die Fotografien seiner verstorbenen Söhne Carl Wilhelm Rheinberger, Josef Ferdinand Rheinberger und Johann Rheinberger, das Siezen gegenüber Frauen, die Lieder und Balladen der Fanny Rheinberger [-Hoffnaass], das Abonnement des Liechtensteiner Volksblattes, seine Skepsis gegenüber den hochwohlgeborenen Herrschaften und Majestäten in Europa sowie den milden Winter in Nauvoo


Handschriftliches Originalschreiben des Alois Rheinberger, Nauvoo (Illinois), an Emma Rheinberger [1]

März 1906, Nauvoo (Illinois)

Fräulein Rhbrgr. [2]

Meine liebe Emma [3]!

Bei Empfang dessen [4], werden Sie wohl im Besitze der
Pothogr. [5] meiner gestorbenen Söhne sein. Die genaueste
ist Carls [Carl Wilhelm Rheinberger] [6]. Er war zur Zeit auf der Reise nach Westen [7], nach
einem Städtchen am Nord-Plattfluss [8], wo er sich niederlassen
wollte; schloss sich unter Weges in Omaha, Stat Nebraska [9], dem
Juristen-Verband [10] an, und schickte von da, voll Hoffnung und
froh gestimt, seine Potogr. [11] zurück. Das Bild ist ganz mein Carl [12]
meine Hoffnung, und hätte mein Stolz werden können. Er war
sehr klug und besonders in der Logik [13] scharf. Nach Einem Jahr
kam er todtkrank zurück. Auch Ferdinand [Josef Ferdinand Rheinberger] [14] und Hans [Johann Rheinberger] [15] sind ziemlich
genau. Ferdinand [16] widmete sich der Handelschaft und war Buchführer.
Hans zeigte für Bücher-Gelehrsamkeit nie viel Eifer, hatte aber
für Bau und Hausschreinerei und für Handhabung von Mashinen [17]
besonderes Talent. Ein anderes Bild zeigt ganz genau die älteste
Tochter meiner Theres [18], der Frau Moffitt [Theresa Moffitt [-Rheinberger]] [19]. Es sind dort noch 5 Mädchen
und Ein Sohn. Noch eine kleine Potogr. [20] werden Sie gefunden
haben. Haben Sie gelacht? Ich dachte: wen Sie noch mag,
wird sie lachen. Sagen Sie mir einmal [21]
Sagen Sie mir einmal, dass Sie sich auf Besserung befinden;
wie sehr wünsche ich dieses von Ihnen zu hören. Ich kan mir
nicht denken, dass die Docktoren [22] Sie so lange dort hielten,
wenn sie nicht mit Sicherheit hofften, Sie ganz gesund
entlassen zu können.

Immer /: Sie :/ werden Sie denken, und ich habe ihn doch
gebeten: Du ./ zu sagen. Bitte um Entschuldigung.
Das, Du, will nicht aus der Feder. Der Mann ist der
Frau eine achtungsvolle Anrede schuldig. Ob Frau oder
Jungfrau, klein oder gross, vornehm oder gewöhnlich, gesund
oder krank – ja einer solchen ganz besonders, den das Gemüth
eines kranken Menschen ist ohnehin bedrückt und fühlt
sich gehoben bei achtungsvoller Begegnung.

Arosa [23] muss doch eine bedeutende Ortschaft sein. Herders Lexicon [24]
neueste Ausgabe, gibt als Einwohner Zahl im Jahre 1900
1097 deutsche Einwohner, und gibt ihm, der Wind geschützten
Lage wegen, den Vorzug vor Davos [25].

Sie haben mir ein sehr, sehr liebes Geschenk gemacht
mit der Zusendung der Lieder und Balladen [26] der Frau Franziska
Rhbrgr. [Fanny Rheinberger [-Hoffnaass, geb. Jägerhuber]] [27]. Ein frommes Denken und Fühlen durchweht all
ihre Erzeugnisse. [28]
Ich suchte Nächeres über die Frau im Lexicon [29]. Da fand ich
ihren Namen: Franciska von Hoffnaas [30], Dichterin mit der Bemerkung:
suche Rhbrgr. [31]. Dieses Buch werde ich erst etwa im
Oktober [32] erhalten. Das ganze Werk füllt 8 Bände, wovon bis
jetzt 5 erschienen, und der 6te etwa bis Ostern [33] mir zukommen wird.
Der aber nicht bis zu .R. reichen wird.

Die Liechtensteiner Zeitung [34] komt mir recht
regelmässig zu. Ich finde sie recht gut geschrieben, und die
Beilage unterhaltend. Besonders finde ich darin zuweilen
ein Gedicht, wie aus eigenem Herzen klingend.
Was nicht ganz nach meinem Geschmack ist, sind die hoch
wohlgebornen, hochen und allerhöchsten Herrschaften und
Mayestäten [35], die da immer vor Augen gehalten werden.

Ich kenne nur Menschen, als Kinder desselben himmlischen
Vaters, achtungs- und liebenswerth. Meine besondere Schätzung
dess in gesellschaftlicher Ordnung höcher gestellten richtet sich nach
der Erfüllung seiner Pflichten gegen die ihm Untergeordneten.

Vor allen [36] dem Bauer [37] die Ehr
Er ist dess Staates Stütze [38] und Wehr [39]! [40]

Ich möchte aber doch nicht verlangen, dass Sie mir das
Blatt weiter zusendeten. Es will mir fast unschön
vorkommen, eine Zeitung zu lesen, die ich nicht bezale.

Ich glaube, ich würde mich recht fremd fühlen, wen
ich heim käme. Anderes Land, andere Einrichtungen,
andere Menschen, klug und vorwärts strebend, als
Kinder ihrer Zeit.

Im Sommer, wen Sie wieder daheim sind, sende ich
Ihnen noch eine Photogr. [41] die die Landschaft zeigt, die
mir gegenüber liegt, wenn ich auf meinem Vorbau sitze.

Wir hatten einen sehr milden Winter, nur Einmal
nennenswerther Schnee, der bald wieder [42] abgieng, viel sonnige
Tage zwischen 50 bis 70 Grade Fahrenheit [43], etwa 10 bis 15 [44] Reaumür [45].
Mein Befinden ist, soweit es meine Jahre erlauben, gut.
Ich wirtschafte ganz allein in Haus und Feld, Küche und Keller,
und finde mich, so lange meine Kraft aushält, glücklich in
meiner Einsamkeit. Freundliche Grüsse für Fräulein Olga [Rheinberger] [46] und
Ihren Herrn Bruder [Egon Rheinberger], für die Berta [Bertha Schauer] [47] und Schwestern, und die Frau
Rhbrgr. [48] [49] im Löwen. Ihnen aber gehört meine Liebe, und der innigste
Wunsch Ihr baldigen und vollkommenen Genesung und Heimkehr.

Rheinberger [50]

______________

[1] LI LA AFRh Ha 17/05. Brief in Kurrentschrift.
[2] In lateinischer Schrift.
[3] In lateinischer Schrift.
[4] Ursprüngliche Fassung: „deẞen“. Das Eszett wird im Folgenden zu „ss“ umgewandelt.
[5] In lateinischer Schrift.
[6] In lateinischer Schrift.  
[7] In lateinischer Schrift.
[8] In lateinischer Schrift.
[9] In lateinischer Schrift.
[10] In lateinischer Schrift.
[11] In lateinischer Schrift.
[12] In lateinischer Schrift.
[13] In lateinischer Schrift.
[14] In lateinischer Schrift.
[15] In lateinischer Schrift.  
[16] In lateinischer Schrift.
[17] In lateinischer Schrift.
[18] In lateinischer Schrift.
[19] In lateinischer Schrift.
[20] In lateinischer Schrift.
[21] Seitenwechsel.
[22] In lateinischer Schrift.
[23] In lateinischer Schrift.
[24] In lateinischer Schrift.
[25] In lateinischer Schrift.
[26] In lateinischer Schrift.
[27] In lateinischer Schrift.
[28] Seitenwechsel.
[29] In lateinischer Schrift.
[30] In lateinischer Schrift.
[31] In lateinischer Schrift.
[32] In lateinischer Schrift.
[33] In lateinischer Schrift.
[34] Liechtensteiner Volksblatt.
[35] In lateinischer Schrift.
[36] Unterstrichen.
[37] Unterstrichen.
[38] Unterstrichen.
[39] Unterstrichen.
[40] Seitenwechsel.
[41] In lateinischer Schrift.
[42] Durchstreichung.
[43] In lateinischer Schrift.
[44] Durchstreichung.
[45] In lateinischer Schrift.
[46] In lateinischer Schrift.
[47] In lateinischer Schrift.
[48] In lateinischer Schrift.
[49] Wohl Laura Rheinberger [-Wolfinger].
[50] In lateinischer Schrift.